Auf Messers Schneide

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Ausschnitt Kampagnenplakat / Foto: Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Morgen wird der Bundestag in erster Lesung das von der Bundesregierung eingebrachte Beschneidungsgesetz behandeln, am kommenden Montag tagt dazu der Rechtsausschuss und bis Monatsende soll das Gesetz verabschiedet werden. Alle Argumente gegen ein derartiges Beschneidungsgesetz sind hinreichend bekannt und werden nicht beachtet. Dazu noch ein Gedicht.

Auch in den Diskussionen der vergangenen Wochen und Monate hat sich gezeigt, dass die Stellungnahmen von Religionsvertretern eher wie „Brandbeschleuniger“ wirken – so nennen Konfliktforscher den Einfluss von Religionen bei Kontroversen und Konflikten. Klaus D. Höfer hat dieses Thema jetzt einmal pointiert in Versform bearbeitet.

Auf Messers Schneide
 

Ob Kruzifix im Amtsgericht,
ob Burka- oder Kopftuchpflicht,
ob Witze über den Propheten,
ob Streit um kirchliche Moneten,

ob (entgleiste) Papst-Satire,
ob Vatileaks-Geheimlektüre,
ob Reli-Unterricht in Schulen,
ob Verteufelung von Schwulen:

Die Liste ist verlängerbar
und macht uns eines völlig klar:
Die Lehre rund um Gottes Gnaden
ist dauerhaft konfliktbeladen.

Ein Beispiel aus der jüngsten Zeit
ist der hochbrisante Streit,
ob ein religiöses Ritual
höher steht als Schutz vor Qual.

Seit ein Landgericht entschied,
dass von eines Knaben Glied
die Vorhaut - aus religiöser Lehre –
straffrei nicht zu trennen wäre,

seitdem geht ein schweres Beben
durch das deutsche Glaubensleben.
Man spricht in höchst erregtem Ton
vom Angriff auf die Religion,

mit zorniger Bewusstseinstrübung
vom Ende der Religionsausübung.
Der Aufruhr findet keinen Schluss
(in Gottes Ohr droht Tinnitus).

Man wittert Antisemitismus
oder Antimuslimismus,
spricht von Glaubensdiffamierung
und unverhüllter Profanierung,

von atheistischem Komplott
und der Beleidigung von Gott.
Das lobbyistische Gezeter
gewiefter Religionsvertreter

hat seine Schlagkraft demonstriert:
Der Politikbetrieb rotiert.
Der Bundestag macht auf die Schnelle
den Vorhaut-Schnitt zur Bagatelle

und unterwirft sich damit leider
dem Zentralrat der Beschneider.
Mit einem Tempo ohnegleichen
und trotz tausend Fragezeichen

beschließt das Plenum routiniert:
der blutige Ritus wird legalisiert.
Als Tempomacher vorneweg:
Wolfgang Thierse, Volker Beck.

Von Letzterem wird dezidiert
Genesis 17, 10 zitiert,
als zwingender Grund (es ist nicht zu fassen),
das ominöse Gesetz zu erlassen.

Warum nicht weitre Bibelstellen
nutzen als Gesetzesquellen?
Wie wär's mal mit Levitikus?
Fürs Strafgesetzbuch fast ein Muss!

Dank Blitzaktion des Parlaments
folgt bald die staatliche Lizenz,
alte Männer zu legitimieren,
den kindlichen Penis zu malträtieren.

Als Motiv für das geplante Gesetz
nur klassisches Polit-Geschwätz:
Religiöse Gefühle seien zu hüten,
es gelte Respekt vor Brauchtum und Mythen.

Doch man hört im Parlament
nicht einen Hauch von Argument
für den Plan, zu Gottes Ehren
Sonderrechte zu gewähren.

Taktisch klug verschweigt man gern
den grausig-religiösen Kern,
den obskuren Mythen-Brei
der Präputium-Schnibbelei.

Das rituelle Messerwetzen
wäre sonst kaum durchzusetzen.
Die brachiale Tradition
verschwindet aus der Diskussion.

Es ist so simpel wie absurd:
Möglichst schnell nach der Geburt
sei der Knabe zu beschneiden,
um Gottes Ärger zu vermeiden.

Und nur durch Vorhaut-Amputation
entstehe der Bund mit dem himmlischen Thron.
(dass also nur durch Barbarei
die Gottesbindung gültig sei).

Ums plakativ und unumwunden
hier als Merksatz abzurunden:
Ohne Schnitt am kleinen Pimmel
kommt das Kind nicht in den Himmel.

Der Bibelwahn wird über Nacht
zum Gesetzescode gemacht.
Wo bleiben Kinderschutz und -recht?
Dem aufgeklärten Geist wird schlecht!

Doch der Anspruch der Religionen,
über Menschenrecht zu thronen,
ist nicht länger hinzunehmen.
Sie müssen sich durchaus bequemen,

Traditionen neu zu denken
statt Kinderrechte einzuschränken.
Erstere sind wandelbar –
Letztre nicht verhandelbar.

Was hier, verordnet per Dekret,
auf des Messers Schneide steht,
ist das Primat der Kinderrechte
vor der Fiktion der Gottesknechte.

Hier ist Wachsamkeit geboten
vor Auserwählten und Zeloten,
die sich als Seelenretter kleiden
(und Vorhaut und Vernunft beschneiden).

Damit wir uns nicht falsch verstehen:
Auch Synagogen und Moscheen
soll'n zum Deutschlandbild gehören.
DOCH LASST DIE FINGER VON DEN GÖREN!

Klaus D. Höfer