Mathematik und Natur
Als weiteres Argument für einen intelligenten Schöpfer weisen die Autoren noch auf die starke Verbindung zwischen der Geisteswissenschaft Mathematik und der Natur hin (S.117): „Die tief greifende Entsprechung zwischen Mathematik und Natur wird letztlich immer nach der Natur bestimmt; dies bedeutet, dass es der Logos der Natur ist, durch den jede mathematische Konstruktion des Menschen danach beurteilt wird, ob sie auch gültig ist. Kurz gesagt, die tiefe Intelligibilität der Natur, auf der der klar erkennbare Fortschritt der Wissenschaft beruht, wird als gegeben vorausgesetzt.“ Es ist zwar richtig, dass die Naturwissenschaften entscheiden, welche Teile der Mathematik für sie nützlich sind, aber die Behauptung, dass die Gültigkeit einer mathematischen Theorie durch den Logos der Natur bestimmt wird, ist dummes Zeug. Die Mathematik kommt völlig ohne die Natur aus.
Moralität
In den Kapiteln V und VI wird das Problem der Moralität behandelt. Die Autoren versuchen hier klar zu machen, dass es für die Neuen Atheisten weder Gut noch Böse gibt und dass sie auch keine Moral besitzen (S.132): „Ein Atheist kann nicht zugleich einer gottlosen Beschreibung der Evolution und einer Art sexuellen Treue beipflichten, die eine geschichtliche Besonderheit des Christentums ist.“ Wenn dies so richtig wäre, dann sollte man ja im Umkehrschluss erwarten, dass Christen weniger außerehelichen Sexualverkehr haben als Atheisten. Statistische Untersuchungen in den USA haben aber gezeigt, dass dies keineswegs der Fall ist. Der einzige feststellbare Unterschied ist, dass Christen bei ihren „unmoralischen Taten“ ein schlechteres Gewissen haben.
Eben dies ist genau die Leistung der christlichen Religion: ihren Anhängern ein schlechtes Gewissen zu machen und ihnen damit das Leben zu vermiesen. Das Gute und das Böse schlechthin sind in der Tat Erfindungen der Religionen. Und sie haben nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Was es dagegen gibt, sind Freud und Leid. Das Leid zu vermindern und die Freude zu vergrößern, muss das Ziel jedes vernünftigen Menschen sein. Im Christentum wird dagegen das irdische Leid verherrlicht, indem auf die Belohnung im Jenseits verwiesen wird. Leider gibt es immer noch genügend Menschen, die mangels Vernunft oder Bildung auf dieses Heilsversprechen hereinfallen.
Weiterhin schreiben die Autoren (S.153): „Die eigentliche Grundvoraussetzung der christlichen Moralität ist die jüdisch-christliche Annahme, dass die Menschen in grundsätzlicher Weise von den Tieren unterschieden sind. Die Menschen sind zwar in wesentlichen Hinsichten Tiere, da sie aber nach dem Bilde Gottes geschaffen wurden, werden sie zu einem Ort gewisser endgültiger moralischer Normen, Normen, die durch die Offenbarung verdeutlicht werden.“ Die Annahme, dass sich der Mensch grundsätzlich von den Tieren unterscheidet, kann wissenschaftlich nicht bestätigt werden. Die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen sind zwar einzigartig, aber dafür besitzen manche Tiere andere einzigartigen Fähigkeiten, die der Mensch nicht hat. Wenn der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen wurde, dann muss es sich um einen recht armseligen Gott handeln. Die Festlegung endgültiger moralischer Normen, die angeblich offenbart wurden, ist reines Wunschdenken und sie ist im Kern zutiefst unvernünftig und menschenverachtend; denn jeder Fundamentalist kann behaupten, dass Gott ihm irgendwas offenbart hätte, was ihn dann z.B. dazu berechtigt, Genitalverstümmelungen an kleinen Kindern vorzunehmen oder Ungläubige umzubringen.
Dumme Sprüche
„Der Theist weist auf die Gräueltaten von Hitler, Stalin und Mao hin, die charakteristisch seien für den Atheismus und dann auf Mutter Theresa von Kalkutta als Beispiel für die Herzensgüte der Christen“. Über solche dummen Sprüche kann man eigentlich nur noch lachen. Der Atheismus war für die genannten Diktatoren nur ideologisches Beiwerk. Dafür Kriege anzuzetteln, wäre wohl so ziemlich das Sinnloseste, was man machen könnte. Mutter Teresa ist auf der anderen Seite das Musterbeispiel für die Verherrlichung des Leids im Christentum. Sie hat ihren Patienten, oder besser gesagt ihren Opfern, jegliche wirksame medizinische Hilfe versagt. Sie hat ihnen Schmerzmittel vorenthalten und bewusst katastrophale hygienische Bedingungen in ihren Sterbehäusern zugelassen.
„Herzensgüte“ und Grausamkeiten
Die „Herzensgüte der Christen“ führt unter anderem zur Ablehnung der Abtreibung und jeglicher Form der Sterbehilfe. Das Leid, das sie damit verursachen, ist ihnen völlig egal, denn sie werden ja mit den ewigen Leben nach dem Tod belohnt. Genau genommen zeigt sich damit, dass diese „Herzensgüte“ letztlich nichts anderes als purer Egoismus ist. Es ist eine Moral aus niedrigen Beweggründen. Der Atheist weiß dagegen, dass er für seine guten Taten nicht im Jenseits belohnt wird, weil es für ihn kein Jenseits gibt.
Die Kritik Dawkins an den Grausamkeiten des alten Testaments wird von den Autoren heruntergeredet mit dem Argument, dass ja auch die Natur bzw. die Evolution grausam sei. Wenn aber die Natur nach Auffassung der Christen letztlich von Gott gesteuert wird, dann ist es doch Gott selbst, der grausam ist bzw. die Grausamkeiten zulässt. Dieser Widerspruch scheint aber nicht weiter zu stören.
Im letzten Kapitel wird völlig richtig festgestellt, dass es den Neuen Atheisten derzeit an Macht fehlt, um ihre Forderungen durchzusetzen und es wird daher davor gewarnt, dass diese Leute jemals politische Macht erringen könnten. Gerade in Deutschland sitzen immer noch überwiegend Christen an den Schalthebeln der Macht. So konnten sie erst kürzlich durchsetzen, dass entgegen jeder Vernunft und gegen jedes Mitgefühl, die Genitalverstümmelung von Jungen legalisiert wurde. Auf diese Art der Herzensgüte von Christen, die elementare Grundrechte verletzt, können wir gerne verzichten.
Neben der Erfüllung sozialer Funktionen und der Befriedigung spiritueller Bedürfnisse lag, wie der Philosoph David Hume schon Mitte des 18. Jahrhunderts feststellte, die Ursache für die Entstehung von Religionen in der Unwissenheit und Furcht der Menschen. Wissenschaftliche Erklärungen standen ihnen nicht zur Verfügung. Das hat sich in den letzten Jahrhunderten, und besonders in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert. Wir haben jetzt für alle tiefgründigen Fragen, wie z.B. die Entstehung der Welt und die Entstehung des Menschen zumindest wissenschaftliche Hypothesen zur Verfügung. Selbst für die Festlegung ethischer Grundsätze gibt es mittlerweile wissenschaftliche Ansätze. Da der Neue Atheismus mit einem Schwerpunkt auf diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, bleibt den Autoren nur der armselige Versuch, diese selbst in Zweifel zu ziehen bzw. die noch vorhandenen Lücken mit irrationalen Wunschvorstellungen zu füllen. Insofern bringt das Buch nichts wirklich Neues und man kann sich daher das Lesen sparen. Das Triumphgeschrei einiger Rezensenten bei Amazon und im Blog kath.net über die angebliche Widerlegung des Neuen Atheismus durch dieses Machwerk zeugt nur von deren Einfältigkeit und ihrer mangelhaften naturwissenschaftlichen Bildung.
Bernd Vowinkel
Scott Hahn, Benjamin Wiker: Antwort auf den Neuen Atheismus: Gegen Richard Dawkins´ Gottesleugnung. Broschiert: 208 Seiten, Verlag: Media Maria; ISBN-13: 978-3981444445, EUR 15,95.