FRANKFURT/M. (hpd/sh) Am 18.01.2013 lud die gbs Rhein-Main – Säkulare Humanisten (in Zusammenarbeit mit DiKOM e.V.) erneut zu einer Autorenlesung im Saalbau Gallus ein. Diesmal mit Philipp Möller, dem Pressereferenten der Giordano-Bruno-Stiftung, der sein Erstlingswerk „Isch geh Schulhof“ vorstellte.
Bericht und Kommentar von Jochen Beck
Der 33-jährige Philipp Möller gelangte erstmals durch die atheistische Buskampagne des Jahres 2009 in den Fokus der humanistischen Szene Deutschlands. Damals konnte er an den Frankfurter Veranstaltungen der Kampagne nicht teilnehmen, da er an dem betreffenden Tag dienstliche Verpflichtungen in genau jener Tätigkeit zu erfüllen hatte, von der sein Buch handelt. Deshalb lernte man sich erst im Zuge der Veranstaltungen zum Festakt der Verleihung des Ethikpreises der Giordano-Bruno-Stiftung an das Great Ape Project im Jahre 2011 kennen. Inzwischen hat der Autor schon so manchen Fernsehauftritt hinter sich gebracht, unter anderem im November 2012 gemeinsam mit dem Wissenschaftskabarettisten Vince Ebert in der ARD-Sendung von Anne Will zum Thema: „Ein Leben nach dem Tod?“
„Isch geh Schulhof“ schildert die Erfahrungen Möllers als Quereinsteiger im Grundschulbetrieb an Berliner Brennpunktschulen im Zeitraum März 2009 bis Juni 2011. Möller stammt zwar aus einer Lehrer-Dynastie, wollte diese Tradition jedoch nicht fortsetzen und studierte daher Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung an der FU Berlin. Seinen halbjährigen Aufenthalt als Diplomand an der Audi-Akademie in Ingolstadt empfand er als „Auslandssemester“. Zum Motivationstrainer für Manager fühlte er sich aber nicht berufen. Schließlich bot man ihm an, im Rahmen jenes Modells mit dem sperrigen Namen „Personalkostenbudgetierung“, als Grundschullehrer zu arbeiten, ohne je die regulären Lehramtsprüfungen abgelegt zu haben. Sein Einsatz reichte vom Vertretungslehrer bis zur Mitwirkung in der erweiterten Schulleitung, seine zeitweiligen Unterrichtsfächer schlossen dabei neben Englisch und Mathematik auch Deutsch und Kunst ein. Die Orte und Personen, die Möller in seinem Buch beschreibt, wurden von ihm aus Datenschutzgründen verfremdet und sind im Buch mit Phantasienamen versehen. Sogar der betreffende Stadtteil musste nach den Vorgaben der Juristen des Bastei-Lübbe Verlages ungenannt bleiben, die betreffende Schülerklientel stammt fast durchgehend aus bildungsfernen Elternhäusern - mit und ohne Migrationshintergrund.
Das Buch berichtet von erschreckenden Defiziten - gemessen an den Lernvorgaben für die betreffenden Jahrgänge - , krassen Mängeln des Sozialverhaltens, von desillusionierten und überforderten Kollegen und nicht zuletzt von teils haarsträubenden Zuständen der Schulgebäude. Die Wiedergabe des geläufigen Jargons der Schüler erweist sich als präpositionsfreies, mit Zischlauten durchsetztes Pidgin-Deutsch: Der Referent begann seinen Vortrag sogar mit einer glossarartigen Einweisung in Begriffe wie „Vallah!“ und „Züüüsch!“ Die mit viel Witz und Humor vorgebrachte Darbietung Philipp Möllers erweist sich stellenweise als kabarettreif. Dabei gelang es ihm, niemals den Eindruck zu erwecken, er würde sich über die Kinder lustig machen. Das Buch ist vielmehr mit Sympathie und Empathie für Schüler, Lehrer und Erzieher geschrieben und will als kritischer Denkanstoß dienen. Der Autor betont hier ausdrücklich seine Prägung durch das Werk „Jenseits von Gut und Böse“ von Schmidt-Salomon.
Auf die Frage nach seinen eigenen Vorschlägen zur Behebung der von ihm aufgezeigten Missstände ist Möller mit Patentrezepten zurückhaltend, aber auch nicht um eine vorsichtige Antwort verlegen. Natürlich sollte man die Lehrerausbildung überdenken, ein Einser-Abitur allein ist noch keine gute Eignungsvoraussetzung für den Lehrerberuf. Es sollte auch ein Ausstiegsprogramm für überforderte und verbrauchte Pädagogen geben. Er selbst hat erlebt, wie Kollegen unter dem Schutz des Beamtenstatus als berufliche Phantome vegetieren – zu Lasten von Kollegium und Schülern. Man müsse den Lehrstoff so aufbereiten, dass man das Interesse der Schüler weckt, um „sie dort abzuholen, wo sie stehen!“
Zum Schluss noch eine persönliche Anmerkung: Ich selbst halte eigentlich nichts von Hörbüchern. Erwachsene sollten sich nicht komplette Bücher vorlesen lassen. Für die echte Auseinandersetzung mit dem Stoff - aber auch für die lebenslange Schulung des Ausdrucksvermögens in Wort und Schrift - ist es wichtig, selber zu lesen. Jedoch, „Isch geh Schulhof“ werde ich mir als Hörbuch zulegen, nicht zuletzt auch weil der Autor darauf bestanden hat, seinen Text selber zu lesen.
Nächstes Monatstreffen der Säkularen Humanisten Rhein-Main: 25.01.2013 - 19.00 Uhr - im Restaurant des Saalbau Bornheim (Pilsstube), Arnsburger Straße 24, 60385 Frankfurt/Main. Interessierte sind jederzeit willkommen. Weiteres hier.