(hpd) Der Kirchengeschichtskritiker Karlheinz Deschner legt den zehnten und letzten Band seiner „Kriminalgeschichte des Christentums“ vor. Auch hier präsentiert er erneut ein anderes und kritischeres Bild der Geschichte von Christentum und Kirche, ohne dabei zwar auf bestimmte methodische Probleme näher einzugehen, doch „… niemand muss sich mehr täuschen lassen.“
1986 startete der Christentums- und Kirchengeschichtskritiker Karlheinz Deschner ein ambitioniertes Projekt. Er wollte in einem zehnbändigen Werk die „Kriminalgeschichte des Christentums“ erzählen. Bereits der Titel verdeutlichte die gewählte Perspektive, sollte es doch ausschließlich um die Historie der Untaten und Verbrechen im Namen dieser Religion gehen.
Den Anfang machte ein Band, der sich auf den ersten Seiten mit der Historizität des NT-Jesu auseinandersetzte und den historischen Quellenwert der Evangelien hinterfragte. In den folgenden Ausgaben der „Kriminalgeschichte“ standen dann ausführliche Darstellungen der Aufrufe zu Kreuzzügen, der Beteiligung an der „Hexenverfolgung“, der Diskriminierung von Juden, der Legitimation von Kriegen, der Rechtfertigung von Unterdrückung, der Täuschung der Gläubigen oder der Verfolgung anderer Christen im Zentrum des Interesses. Nun liegt der zehnte und letzte Band mit dem Titel „18. Jahrhundert und Ausblick auf die Folgezeit. Könige von Gottes Gnaden und Niedergang des Papsttums“ vor.
Darin geht es zunächst um die blutige und unterdrückerische Christianisierung und Reformation in den skandinavischen Ländern und die historische Rolle des schwedischen Königs Karl XII. Dem folgend lenkt Deschner den Blick auf das orthodoxe Christentum in Russland während der Herrschaft von Iwan dem Schrecklichen und das tatsächliche Wirken des angeblich „edlen Ritters“ Prinz Eugen. Der Siebenjährige Krieg, der Niedergang des Papsttums und die Jesuitenverfolgung als interner Machtkampf stehen danach im Zentrum des Interesses. Und schließlich findet man noch Kapitel zum „Josephinismus“ in Österreich und der Armut als Massenphänomen im absolutistischen Zeitalter. Für das 19. und 20. Jahrhundert, die somit nicht in der „Kriminalgeschichte des Christentums“ vorkommen, verweist Deschner dann „als deren elfte Folge“ (S. 227) auf seine früheren Bücher „Mit Gott und den Faschisten“ (1965) zur Kooperation der Kirchen mit den Rechtsdiktaturen und „Ein Jahrhundert Heilsgeschichte“ (1982/1983) zur Politik der Päpste.
In seiner anregenden Darstellung gerät Deschners „Kriminalgeschichte des Christentums“ aber immer mehr zu einer Skandalgeschichte der europäischen Geschichte. Inwieweit können denn nun die Untaten und Verbrechen von sich christlich verstehenden Herrschern auch der christlichen Kirche oder Religion zugeordnet werden? Diesem methodischen Problem stellt sich der Autor auch in diesem Band nicht mehr. Man findet darin sogar Ausführungen in eine ganz andere Richtung. So heißt es etwa: „Eugen steht hier also nicht so sehr als Christ als, es noch einmal zu sagen, im Hinblick auf die Christenheit, wegen seine ‚Rezeption’ durch sie“ (S. 97) oder: „Tatsächlich jedoch wäre gerade Friedrich II. der letzte gewesen, der Konfession wegen Krieg zu führten, tatsächlich hätte er, der ja durchaus verschwenderisch mit dem Leben seiner Soldaten umgehen konnte, der Religion wegen auch nicht einen geopfert“ (S. 148). Deschners kritische Darstellung verdient indessen schon inhaltliche Aufmerksamkeit, rückt er doch idealisierte Bilder wie etwa von Prinz Eugen kritisch gerade.
Stellt man diesen zehnten Band neben die anderen neun Bände der „Kriminalgeschichte des Christentums“, dann fällt sein bedeutend geringerer Umfang auf. Deschner, immerhin schon Jahrgang 1924, wollte eines seiner Lebensprojekte unbedingt zu Ende bringen und hat daher auch die Lösung mit der erwähnten informellen elften Folge „Die Politik der Päpste“ gewählt. Dies kann man gut verstehen.
Zum Schluss holt der Autor noch einmal zu einem Verdammungsurteil aus: „Seit Konstantin wurden Heuchelei und Gewalt die Kennzeichen der Kirchengeschichte, wurde Massenmord zur Praxis einer Religion. ... Das Ganze heißt nicht Geisteskrankheit, das Ganze heißt Christentum“ (S. 226). Auf die methodische Kritik an seinem Werk, die eben nicht nur von kirchlicher, sondern auch von säkularer Seite erhoben wurde, geht er nicht mehr ein. Gleichwohl kann man dem letzten Satz eines Nachworts von seinem Lektor Hermann Gieselbusch zustimmen: „Heute wissen wir sehr viel mehr über die christliche Geschichte. Und niemand muss sich mehr täuschen lassen. Karlheinz Deschner sei Dank“ (S. 245).
Armin Pfahl-Traughber
Karlheinz Deschner, Kriminalgeschichte des Christentums. Bd. 10: 18. Jahrhundert und Ausblick auf die Folgezeit. Könige von Gottes Gnaden und Niedergang des Papsttums, Reinbek 2013 (Rowohlt-Verlag), 319 S., 22,95 €.
Das Buch ist auch im denkladen erhältlich.