Zur „Grammatik der Freiheit“

(hpd) Der Politikwissenschaftler Peter Graf Kielmansegg legt in seinem Buch acht Erörterungen vor, die sich etwa auf die Auffassung von „Direkter Demokratie“ oder das Verhältnis „Demokratie-Marktwirtschaft“ beziehen. Sie offenbaren einen guten Kenner der Materie und reflexionswürdigen Analytiker moderner Demokratie.

 

„Was die Grammatik für die Sprache ist“, so Thomas Paine 1790 in seiner Schrift „Rights of Man“, „sind die amerikanischen Verfassungen für die Freiheit.“ Aus diesem Satz aus der Frühgeschichte der US-amerikanischen Demokratie hat Peter Graf Kielmansegg den Titel seines Buchs „Die Grammatik der Freiheit“ entlehnt. Der emeritierte Professor für Politische Wissenschaft der Universität Mannheim präsentiert darin laut dem Untertitel „Acht Versuche über den demokratischen Verfassungsstaat“.

Es handelt sich dabei um eine Sammlung von bereits früher erschienenen Aufsätzen, wobei es hier nicht wie in vielen ähnlichen Fällen um ein schlichtes „aus alt macht neu“ geht. Der Autor legt vielmehr eine indirekte Fortsetzung seiner früheren Buchpublikation „Das Experiment der Freiheit“ (1988) vor, worin Erörterungen zu aktuellen Aspekten der Diskussion um die Ausgestaltung des demokratischen Verfassungsstaates präsentiert werden. Denn in diesem Ordnungsmodell sieht er in der historischen Rückschau „die erfolgreichste Institutionalisierung politischer Freiheit“ (S. 39).

Am Beginn steht eine Abhandlung über das Verhältnis von Demokratie und Wahrheit, worin das „Verständnis der Demokratie als einer Verfassungsform des Zweifels“ (S. 15) auch und gerade gegenüber religiös bedingten Geltungsansprüchen diskutiert wird. Im zweiten Versuch behandelt Kielmansegg die Identität der repräsentativen Demokratie, sei sie doch nicht nur aus funktionellen, sondern auch aus inhaltlichen Gründen angemessen. Besondere Aufmerksamkeit findet hierbei das Spannungsverhältnis von Amts- und Demokratieprinzip.

Der nächste Text fragt nach der Notwendigkeit von Parteien in einer Demokratie, welche bei aller notwendiger Kritik an deren Praxis als Ausdruck der Artikulation von gesellschaftlichen Teil-Interessen als unabdingbar erachtet werden. Und als vierter Versuch geht es um die Diskussion über direkte Demokratie, wobei sich der Autor sehr skeptisch bezogen auf mögliche Folgen und ungeklärte Fragen zeigt. So formuliert Kielmansegg etwa: „Kollektive Selbstregierung bedeutet niemals individuelle Selbstbestimmung“ (S. 108).

Die anschließende Abhandlung widmet sich dem Kontext von Gewaltenteilung und Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, wobei dieser am Beispiel des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland und des Supreme Court in den USA erörtert wird.

Im sechsten Versuch geht es dann um das Verhältnis von Demokratie und Marktwirtschaft. Hierbei nimmt der Autor nach einer historischen Betrachtung eine differenzierte Einschätzung vor: „Demokratie ist auf Marktwirtschaft angewiesen, Marktwirtschaft aber nicht auf Demokratie“ (S. 183). Letzteres belege die Koexistenz von Diktaturen und Marktwirtschaft. Demokratie sei gleichwohl auch ein voraussetzungsreiches Ordnungsmodell. Im nächsten Text steht dann die Deutung des politischen Jahres 1989, hier bezogen auf die politischen Lektionen des 20. Jahrhunderts, im Zentrum des Interesses. Und schließlich wagt Kielsmansegg im achten und letzten Versuch - auch im Lichte von autoritären Regimen wie in China oder Russland - eine optimistische Prognose über die Zukunft der Demokratie.

Kielmansegg erweist sich auch in diesem Band als ausgezeichneter Kenner und differenzierter Analytiker, der seine Erörterungen kontinuierlich über entwickelte Frage- und Problemstellungen angeht. Hier und da kann man sicherlich begründete Einwände formulieren: So können Modelle von direkter Demokratie im einem bestimmten institutionellen Rahmen inhaltlich weiter entwickelt durchaus auch ein sekundärer Bestandteil von repräsentativer Demokratie sein. Und so sehr mit Demokratie auch Marktwirtschaft in historisch-politischer Betrachtung einherging, so unterschiedlich sind aber auch die dabei vorkommenden Formen von der freien bis zur sozialen Marktwirtschaft, was wiederum Fragen zum eben konkreten passenden Modell aufwirft. Manche bemerkenswerten Gesichtspunkte hätte man sich noch ausführlicher erörtert gewünscht wie etwa „Nur als säkularer Staat konnte der moderne Staat eine stabile Demokratie werden“ (S. 245). Dies alles mindert aber nicht den hohen Grad an Niveau und Reflexionswürdigkeit des Bandes.

Armin Pfahl-Traughber

Peter Graf Kielmansegg, Die Grammatik der Freiheit. Acht Versuche über den demokratischen Verfassungsstaat, Baden-Baden 2013 (Nomos-Verlag), 278 S. EUR 39,00.

Leseprobe