Kirchensteuer auf dem Prüfstand

Kircheninteressen mit staatlicher Autorität durchgesetzt

In dieser Verschiebung einer innerkirchlichen Angelegenheit in die Staatsphäre, in der dann der Staat Kircheninteressen mit staatlicher Autorität durchsetzt, liegt der Kern des Problems. Denn wenn es in Deutschland seit 1919 keine Staatskirche mehr gibt, hat der Staat sich aus kirchlichen Angelegenheiten herauszuhalten und die Kirche aus staatlichen Angelegenheiten.

In der Hinsicht hat es dann noch ein besonderes ‚Geschmäckle’, dass dieser Eintrag auf der Lohnsteuerkarte 1934 von den Nationalsozialisten angeordnet wurde. Als, wie es heißt, Dankeschön für die Zustimmung des katholischen Zentrums zum Reichskonkordat. Dass die kirchenfreundliche CDU seit Beginn der Bundesrepublik dieses Nazigesetz bestehen ließ, zeigt nur die Willkürlichkeit politischer Opportunität.

Staatsleistungen

In der Diskussion werden manches Mal der Kirchensteuereinzug und die Staatleistungen, die seit 1919 als Verfassungsbefehl beendet werden sollen, da sie auf Gesetzen, Verträgen und sonstigen Rechtstiteln aus dem 19. Jahrhundert beruhen und keine demokratische Begründung haben, in einem Zusammenhang genannt.

Der Zusammenhang besteht allerdings auch darin, dass die Verfassungsgarantie eines grundsätzlichen Rechts der Religionsgemeinschaften Kirchensteuern zu erheben, genau in diesem Zusammenhang steht: als Ausgleich für die wegfallende staatliche Finanzierung und Alimentierung. Die deutsche Demokratie beruht seit 1919 auf der Volkssouveränität (Art. 20 GG) und braucht keinerlei religiöse Begründung mehr, wie sie für die „Könige von Gottes Gnaden“ in der „Einheit von Thron und Altar“ noch geboten war.

Aber ebenso wie in Österreich, wo der Kirchenbeitrag die Zahlungen aus dem aufgehobenen Religionsfonds ersetzen sollte und es den Kirchen 1955 dennoch gelungen ist, aus diesem ehemaligen Religionsfonds Zahlungen zu erhalten, sich also doppelt entschädigen zu lassen, haben die beiden großen Kirchen in Deutschland das Ende des ‚demokratischen Frühlings’ in Deutschland (1923, mit der zweiten Reichstagswahl und der Hyperinflation) zu nutzen gewusst, um nicht nur die Beendigung der Staatsleistungen zu verhindern, sondern ebenfalls sehr erfolgreich den Staat für ihre kirchenpolitischen und finanziellen Zwecke einzuspannen.

Eigene Kirchensteuerämter

Man erkennt den kirchlichen Standpunkt einer Argumentation, wenn gesagt wird, dass der Staat für dieses automatisierte staatliche Inkasso eine großzügige Aufwandsentschädigung von durchschnittlich drei Prozent des Kirchensteueraufkommens erhalte, rund 280 Millionen Euro. Ja, das wird sogar manchmal als wesentlicher Beitrag der Kirchen für die Staatseinnahmen dargestellt.

Wiederum nicht benannt wird dabei, welche Kostenersparnis dieses staatliche Inkasso für die Kirche selber bedeutet, also inwiefern der deutsche Staat die Kirchen gegenüber anderen Großorganisationen (Gewerkschaften, Parteien, ADAC, u.a.m.) privilegiert, indem er ihnen diese Verwaltungskosten erspart.

Es gibt nur Schätzungen, wie hoch die Kosten für  kircheneigene Kirchensteuerämter wären, die EKD nennt rund 15 Prozent, Erfahrungen aus Österreich weisen eher in Richtung auf 20 bis 25 Prozent der Beitragsaufkommens. Das würde, auf Deutschland übertragen, bedeuten, dass die Kirchen dafür bis zu 2,1 Milliarden Euro aufbringen müssten, der Staat die Kirchen also mit den 280 Millionen Euro, die für das Inkasso vereinnahmt werden, um rund 1,8 Milliarden Euro entlastet bzw. subventioniert.

Von den drei Milliarden Einnahmenverlusten des Bundes und der Länder durch die steuerliche Absetzbarkeit der gezahlten Kirchensteuer ganz zu schweigen.

Es ist also gut zu verstehen, dass die Kirchen und ihre Bundesgenossen kein Interesse daran haben, dieses staatliche Inkasso zu beenden und das deutsche Staatskirchenwesen zu verändern.

Allerdings ist es die innere Angelegenheit der Kirche wie sie mit ihren, dann geringeren Einnahmen umgeht. Das hat den Staat nicht zu interessieren.

Vielleicht als Hinweis: Auch gerade hinsichtlich der Auffassungen des neuen Papstes hinsichtlich Armut, könnte nicht nur die „verfettete“ (so ein katholischer Prälat vor zwei Wochen auf Phönix) katholische Kirche beispielsweise überlegen, ob die deutsche Sondersituation, dass Pastoren und Priester wie Staatsbeamte (nach A 13 bis A 15) bezahlt werden, Bestand haben muss.

Für die evangelischen Pastoren war die Maßnahme Bismarcks im Kulturkampf, dass Geistliche ein Hochschulstudium absolvieren müssen, das jahrzehntelang angestrebte Eintrittsbillet in die bürgerliche Mittelschicht der Akademiker und der Staatsbeamten, für die katholische Kirche war es der Zwang, die eigenen Priesterseminare zu schließen und die Theologenausbildung einer gewissen öffentlichen Kontrolle zu unterwerfen. Ob diese staatliche Finanzierung der Theologenausbildung noch zeitgemäß ist, wird eine weitere Frage sein.

Carsten Frerk.