Der 19-jährige Ex-Muslim Amed Sherwan wird beim morgigen Christopher Street Day (CSD) in Berlin mit einem "Allah is gay"-T-Shirt teilnehmen. Bereits im Vorfeld hat er dafür mehrere Mord- und Gewaltdrohungen erhalten. Im Interview mit dem hpd erklärt er seine Absicht hinter der Aktion und wie er mit den Drohungen umgeht.
hpd: Sie werden morgen beim CSD in Berlin teilnehmen. Auf Ihrem T-Shirt, das Sie dabei tragen werden, steht "Allah is gay" geschrieben. Was wollen Sie damit zum Ausdruck bringen?
Amed Sherwan: Ich gehe auf den CSD, um für Offenheit und Toleranz in der muslimischen Community zu werben und mich als Ex-Muslim mit muslimischen und ex-muslimischen LSBTTIQ* zu solidarisieren. Als Ex-Muslim weiß ich ja ganz genau, wie es sich anfühlt, wenn man von der Familie verstoßen und in der Community verfolgt wird. Daher kann ich mich ganz gut in die Situation von muslimischen LSBTTIQ* reinversetzen.
Ich will Muslime damit nicht angreifen, sondern zum Denken anregen. "Gay" ist ja kein Schimpfwort. Und wer an Allah glaubt, muss ja die Logik darin erkennen, dass er die Menschen offensichtlich vielfältig geschaffen hat und deswegen selber auch alles sein kann. In Sachen Religion sind die meisten Muslime leider extrem humorverlassen. Aber ich sehe nicht ein, warum der Islam sich nicht wie jede andere Religion auch Kritik und Satire aussetzen lassen muss. Die Toleranz einer Gruppe misst sich auch an der Fähigkeit, über sich selber lachen zu können. Und manchmal muss man Grenzen überschreiten, um wirklich was zu bewegen.
Wegen des Spruchs auf dem T-Shirt haben Sie mittlerweile mehrere Mord- und Gewaltdrohungen erhalten. Von wem stammen diese und wie gehen Sie damit um?
Die schriftlichen Drohungen stammen von muslimischen Männern in meinem eigenen Alter. Ich habe natürlich gewusst, dass der Spruch provozieren wird, aber nicht, dass es so krass wird. Es erschüttert mich, dass es auch hier in Europa nicht möglich ist, den Islam genau so zu behandeln wie jede andere Religion, ohne sofort Morddrohungen am Hals zu haben.
Werden Sie bei der Demonstration Personenschutz benötigen?
Ja, leider. Und das habe ich weder vorausgesehen noch so gewollt. Aber ich bin sehr froh, dass die Sache ernst genommen wird.
Mittlerweile wurde auch Strafanzeige wegen "Beschimpfung gegen Religionsgesellschaften" gegen Sie gestellt …
Ich finde das wirklich extrem absurd. Wer schwul als Beleidigung bezeichnet, begeht in meinen Augen selber Volksverhetzung.
Gibt es Leute, die Sie bei Ihrer Aktion unterstützen oder sich solidarisch erklären?
Ja, diese Aktion ist eine spontane Idee von mir als Privatperson, aber inzwischen hat sich der Zentralrat der Ex-Muslime solidarisch erklärt und wird mit einigen Leuten teilnehmen. Auch zahlreiche andere Privatpersonen haben gesagt, dass sie dabei sind. Am meisten freue ich mich natürlich, wenn sich Leute aus dem muslimischen Kulturkreis trauen dazu zu kommen. Ich habe schon einige Zuschriften von schwulen Ex-Muslimen und Muslimen und auch anderen progressiven Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis bekommen, dass sie meine Aktion mutig und richtig finden.
Auch unter Rechtspopulisten hat ihr Vorhaben Anklang gefunden. Was halten Sie davon?
Momentan ist es wirklich schwer, die wirklich wichtige und notwendige Kritik am Islam zu äußern, ohne nicht sofort für muslimfeindliche Zwecke instrumentalisiert zu werden. Ich habe aber von Anfang an deutlich gemacht, dass es mir nicht um Islamhass, sondern um orientalische Vielfalt geht. Mir ist da auch die Zusammenarbeit mit progressiven Kräften im Islam wichtig. Ich wehre mich dagegen, dass Rechtspopulisten meine negativen Erlebnisse mit dem Islam nutzen, um ihren Fremdenhass zu legitimieren. Ich erlebe jeden Tag selber den Rassismus, der von Rechtspopulisten befeuert wird. Das Weltbild der Rechtspopulisten deckt sich ja in großen Teilen mit dem der Islamisten. Ich habe nicht nur Angst vor dem politischen Islam, sondern vor totalitären Ideologien jeder Art.
2 Kommentare
Kommentare
Andreas Leber am Permanenter Link
Wo, wenn nicht hier? Wo, wenn nicht in Deutschland sollte es möglich sein, mit klaren Aussagen gegen die Unmenschlichkeit der Religion zu demonstrieren? Amed: Ein Vorbild! Weiter so!
Peter Linke am Permanenter Link
Amed, bereits dein Auftritt auf dem Humanistentag in Nürnberg war erfrischend. Es ist erschreckend, dass man in Deutschland des 21.Jahrhundert für solche simplen Aussagen Mut benötigt.
Mach weiter so. Ich denke, du hast mehr Sympathisanten, als du meinst.