Gut ohne Gott? – Na klar!

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HumanistInnen auf dem Humanistentag / Alle Fotos © Evelin Frerk

HAMBURG. (hpd) Der erste Tag des Deutschen Humanistentags zeigte bereits den bunten Fächer an Themen, den es auch in den kommenden Tagen geben wird. Die ReferentInnen stellten dabei die Fragen von Staat und Kirche, Beteiligung von Säkularen, nach weltlicher Feierkultur und weiterem zur Diskussion. Die Moderation des langen Tages lag bei Volker Panzer.

Der Deutsche Humanistentag wurde von Konny G. Neumann mit dem Hinweis eröffnet, dass es sich dabei nicht um eine Gegenveranstaltung zum Kirchentag versteht, sondern zeigt, dass auch die Humanisten in der Lage sind, auf nationaler Ebene zusammen zu kommen. Er sieht es als großen Erfolg an, dass alle säkularen Verbände hier versammelt sind und hofft, dass dieser Humanistentag eine Pilotveranstaltung für eine Serie solcher Veranstaltungen werde.

Staat und Kirche

Ingrid Matthäus-Maier, ehemalige Verwaltungsrichterin und langjähriges Mitglied des Deutschen Bundestages, Sprecherin von GerDiA, sprach zum Auftakt über Staat und Kirche in Deutschland. Grundsätzliche Regelungen sind im Grundgesetz in Art. 4 und 140 fixiert, d. h. die Religionsfreiheit und die Kirchenartikel der Weimarer Verfassung. Grundlegendes Element ist die Bestimmung: „Es gibt keine Staatskirche“. Nach dem Bundesverfassungsgericht ist der Staat Heimstatt aller Bürger, nicht nur der religiösen. Die einzigen Ausnahmen sind der Art. 7 GG (Religionsunterricht als Bekenntnisunterricht) und der Art. 137,5 WRV, der den Religionsgesellschaften den Status von privilegierten Körperschaften des öffentlichen Rechts einräumt. Das Ganze nennt sich dann „hinkende Trennung“ von Staat und Kirche.

Damit ist das Verhältnis Staat und Kirche aber nun keineswegs ausreichend beschrieben. In mehreren Beispielen verdeutlichte sie, wo noch weitere Aspekte von Staat und Kirche bestehen, die Veränderungen bedürfen.

Erstens die Staatsleistungen abzulösen, wofür seit 1919 (Art. 138,1 der Weimarer Reichsverfassung) das Verfassungsgebot der Beendigung der finanziellen Verbindung zwischen Staat und Kirchen bestehe. Diese Zahlungen, die auf vordemokratischen Rechtstiteln beruhen, seien nicht mehr zeitgemäß. Zweitens und wesentlich, die Regelungen des „Dritten Weges“, die den Kirchen nicht nur Sonderechte im kollektiven Arbeitsrecht einräume, sondern insbesondere auch im individuellem Arbeitsrecht der Loyalitätsrichtlinien, für die sie eine Anzahl von konkreten, individuellen Beispielen nannte. Basis ist dafür u. a. die Veränderung des Rechts der Religionsgesellschaften, ihre eigenen Angelegenheiten selbstständig zu ordnen und zu verwalten, durch das Bundesverfassungsgericht, das die Kirchen ein Selbstbestimmungsrecht hätten. Veränderungen seien schwierig, da die „Caritas-Legende“ – das die Kirchen ihre sozialen Einrichtungen überwiegend aus der Kirchensteuer finanzieren - immer noch weit verbreitet sei. Das Betriebsverfassungsgesetzt gilt nicht für die Kirchen. Das gilt es zu ändern.

Viertens schilderte Ingrid Matthäus-Maier die ursprünglichen Regelungen zur Kirchensteuer und die heutige Situation. Am Beispiel der aktuell in Beratung befindlichen Kapitalertragssteuer schilderte sie, wie die Banken als Kirchenbüttel eingespannt werden sollen.

Fünftens, die Theologischen Fakultäten und die Konkordatslehrstühle, sechstens der Religionsunterricht, siebtens die Steuerbefreiungen der Kirchen (Grundsteuerbefreiung, Gebühren, Gerichtskosten, …), achtens, diverse Kleinigkeiten, wie zum Beispiel die Zuschüsse für die Kirchen- und Katholikentage.

Religionsunterricht für alle?

Prof. Helmut Kramer lenkte die Aufmerksamkeit auf Geschehnisse in Hamburg, wo eine „Akademie der Weltreligionen“ besteht, die einen Lehrplan mit Religionsunterricht für alle in Arbeit habe. Unter Leitung der evangelischen Kirche (aber nach den Staatsverträgen mit den Muslimen auch unter deren Beteiligung) wird - ohne Beteiligung säkularer Organisationen – dieses Projekt mit drei Millionen Euro durch das Bundesforschungsministerium finanziert. Das Projekt heißt dafür „Religion und Dialog in modernen Gesellschaften. Voraussetzungen und Grenzen des interreligiösen Dialogs".

Auf ein Schreiben an den Leiter Prof. Weise habe man keine Antwort erhalten. Den Säkularen wird also keine Kompetenz in ethischen Fragen zugebilligt. Das Ganze entspreche den Darstellungen von Wolfgang Thierse (MdB/SPD), der behauptet, dass die Laizisten einen „Staatsatheismus etablieren“ wollen.

Kramer wies darauf hin, dass das Christentum mehr als 1.500 Jahre Staatsreligion gewesen sei und dass die evangelische „Augsburger Konfession“ auch heute noch gelte und darin stehe: Man soll Gott mehr Gehorsam sein, als den Menschen. Christen, so Kramer, haben ein anderes Staatsverständnis als freiheitliche Säkulare. Wie viel Religion braucht der Staat? Keine. Er braucht eine Verfassung und Gesetze, keinen Gott.

Es gehe um die Ablösung religiöser Deutungen und Dogmen und die Freiheit des Einzelnen zu achten. Sinn und Werte sind für Säkulare nur (für sich selbst) in Selbstbestimmung zu bestimmen.

Alle Feiern brauchen Musik

Frank Stößel sprach anschließend über Lebensbegleitung, Lebensfeiern und begann seinen Vortrag, indem er sang: Alle Feiern brauchen Musik. Er ist seit Jahrzehnten als säkularer Redner bei Lebensfeiern tätig und berichtet aus seinen Erfahrungen.

Alle Menschen, so Frank Stößel, wollen schöne Momente gemeinsam feiern und in existentiellen Krisen zueinander stehen. Namensfeiern am Beginn des Lebens, Traufeiern für Partnerschaften, Bestattungsfeiern am Lebensende. Frank Stößel charakterisierte die einzelnen Feiern, wie die Traufeier als „Gelöbnis vor den Menschen“ mit den Werten Toleranz, Selbstbestimmung und Verantwortung. Die Bestattungsfeiern gilt (so Joachim Kahl): „Von Lebenden für Lebende“ als Beistand füreinander.

Frank Stößel appellierte an die säkularen Verbände, Humanisten für Lebensfeiern auszubilden.

„Beste Geschäftsidee aller Zeiten“

Carsten Frerk widmete sich einer neuen Thematik, indem er sich fragte, worauf eigentlich der kommerzielle Erfolg der christlichen Kirche beruhe? Er zeichnete die historische Entwicklung nach, der Weg zu Staatskirche, zur Bildungsmacht, der Macht und des Niedergangs.

Aber seine entscheidende Frage war: „Was verkauft die Kirche den Menschen eigentlich?“ Die Antwort: Nichts! Greift zu kurz. Die Kirchen biete den Gläubigen Projektionsflächen an, „Liebe“, „Frieden“, „Familie“, etc., die jeder der Gläubigen nach Alter, Bildungsstand, Geschlecht und persönlicher Situation inhaltlich anders füllt, so wie sie/er es braucht. Deshalb fragen die Kirchen auch nicht nach dem Inhalt des Glaubens, sondern belassen es bei der Kenntnis weniger Gebete und der formellen Mitgliedschaft.

Mit der politischen, gesellschaftlichen Vernetzung, Pfarrern, die außerhalb ihrer Kirche kaum Berufschancen haben, Angst der Mitglieder vor sozialer Ausgrenzung, etc. bildet sich eine Gemeinschaft der (vermeintlich) Guten, die sich anderen überlegen fühlt. Wie das funktioniert braucht man nur am Vermögensbestand der christlichen Kirchen bemessen, wofür Frerk weltweit einige Beispiele nannte.

„… noch weiter rechts als Georg W. Bush“

Lukas Mihr, der seit Jahren die „Religiöse Rechte in den USA“ für den Humanistischen Pressedienst beobachtet und darüber berichtet, fasste für den Humanistentag die Kernelemente zusammen.

Er zeigte die Verteilung der Religionen in den USA, die Katholiken und die Baptisten, die größte Gruppe der religiösen christlichen Rechten. Ob die Mormonen dazu gehören sei umstritten. Interessanterweise sind die Verbreitungsgebiete der Southern Baptist Convention ziemlich identisch mit überdurchschnittlichen Teenie-Schwangerschaften, eigentlich ein Widerspruch zu ihren Auffassungen.

Das Weltbild der christlichen Rechten lässt sich an einigen Auffassungen illustrieren.

Kinder müssen vor Dämonen, Hexen und Vampiren  geschützt werden. Das wendet sich nicht nur gegen Harry Potter, sondern auch gegen die „Tele-Tubbies“. Kinder müssen mit Liebe erzogen werden, also sind sie mit dem Stock zu schlagen. Für die Jugend gilt: Sex erst in der Ehe und grundsätzliche Homophobie.

Weitere wesentliche Elemente sind, das „Gott straft!“ – wofür Lukas Mihr einige durchaus abstruse Beispiele nannte -, Abtreibung verbieten, Todesstrafe beibehalten, Waffenlobby stärken. Im Irak-Krieg stehen die Baptisten hinter der Kriegsführung und im Nahost-Konflikt unterstützen sie nicht nur die israelische Politik, sondern erwarten die Endschacht der Welt (das „Armageddon“) eben dort und den Sieg von Christus.

Eine Ethik ohne Gott?

Liefert der Humanismus eine philosophische Grundlage für eine Ethik ohne Gott? Das war das Thema einer Podiumsdiskussion, mit der der erste Tag des Humanistentages abgeschlossen wurde. Die Frage konnte nicht beantwortet werden, es gab aber ein paar interessante Ideen dabei.

Auf dem Podium lieferten sich Prof. Dr. Hubertus Mynarek und Dr. theol. Paul Schulz ein teilweise hitziges Wortgefecht, bei dem es vor allem um Definitionsfragen ging, was überhaupt Ethik sei und ob Philosophie und Naturwissenschaft für eine Wertevermittlung in der Gesellschaft taugt. Klar wurde nur, dass es keine „natürliche“ Ethik gibt und dass es sich darin immer um ein von den Menschen gemachtes System handelt.

 

Hamed Abdel-Samad, der zwischen den beiden Kontrahenten saß, versuchte immer wieder, Konkretes zu formulieren. So sprach er über die nachrevolutionäre Suche Ägyptens  nach einer Verfassung, die die Religion einbezieht. Er hält allerdings Demokratie und Theokratie für unvereinbar und damit einen solchen Kompromiss für unmöglich.

C..F. / F.N.