MIZ 2/19 erschienen

Kirchentage, Ketzertage, Humanistentage

Vergangene Woche fand in Hamburg der Deutsche Humanistentag 2019 statt. MIZ stellt in ihrer aktuellen Ausgabe die Frage nach Sinn und Zweck solcher Großveranstaltungen der säkularen Szene.

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Längst sind Kirchentage, wie Christoph Lammers im Editorial anmerkt, nicht mehr von "theologischer Erleuchtung und religiöser Unterweisung" geprägt. Als massenkompatible Events sollen sie Kirche als gesellschaftlich bedeutende Institution präsentieren. Kirchenkritische Gegenveranstaltungen – Antiklerikale Wochen, Religionsfreie Zonen oder wie zuletzt Ketzertage – sieht er als "notwendiges Korrektiv" zu dieser kirchlichen Selbstinszenierung. Ihre Rechtfertigung erhalten sie, weil sie an der Deutungshoheit der Kirchen kratzen und deren privilegierte Stellung in der Gesellschaft kritisch thematisieren. Die Legitimation der Veranstaltungen, in denen Atheisten oder Humanistinnen "sich selbst" präsentieren, fällt ihm schwerer. Denn die dabei oft vorherrschende "Harmonie" sieht der MIZ-Chefredakteur kritisch. Wenn sich die säkularen Kräfte nur als die an den Menschenrechten orientierten Demokraten darstellen, werden sie keine gesellschaftliche Bedeutung erlangen; dies wird nur gelingen, wenn sie – konfliktbereit –  politische Themen setzen.

Konny G. Neumann, Sprecher des Deutschen Humanistentags, geht davon aus, dass die Hamburger Veranstaltung zumindest über das säkulare Spektrum hinaus wirkt. Neben "Selbstverständigungs"-Podien und der Vorstellung humanistischer Projekte stehen zahlreiche politische Themen und kontroverse Diskussionen auf der Tagesordnung.

Die Geschichte des "Ketzertags" beschreibt Daniela Wakonigg, die den ersten Ketzertag – 2018 in Münster – ins Leben gerufen hat. Da die Veranstaltung gerade vom "neutralen" Publikum gut angenommen wurde und mittlerweile Nachahmer gefunden hat, sieht sie im Ketzertag ein "Zukunftsmodell". Zugleich macht sie aber deutlich, dass der Begriff nicht bei allen Säkularen auf Gegenliebe stößt.

Trennung von Staat und Kirche

Von den Versuchen, mehr Trennung von Staat und Kirche durchzusetzen, berichten drei Beiträge. In Sachen kirchliches Arbeitsrecht ist derzeit ein Verfahren in Karlsruhe anhängig, mit dem ein evangelischer Träger versucht, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Deutschland außer Kraft zu setzen. Vera Muth, seinerzeit Koordinatorin der GerDiA-Kampagne, schildert den Fall eines Arztes, dessen Bewerbung 2013 wegen seiner Konfessionslosigkeit von einer Frankfurter Diakonieklinik abgelehnt worden war. Nun hat das Agaplesion-Krankenhaus in einem Vergleich 5000 Euro Entschädigung gezahlt – die der Arzt umgehend für politische Arbeit gegen religiöse Diskriminierung spendete.

Gunnar Schedel wertet die Reaktion der Bundestagsfraktion der Linken auf ein Anschreiben des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) aus. Dieser hatte – mit Blick auf die Forderungen der religionspolitischen Sprecherin der Fraktion, Christine Buchholz, den Körperschaftsstatus auf konservative Islamverbände auszuweiten – eine "emanzipatorische Religionspolitik" von der Linken gefordert. Die Antworten zeigen, dass es dazu innerhalb der Partei keine einheitliche Auffassung gibt.

Die Abschaffung der "altrechtlichen Staatsleistungen", also jener rund 500 Millionen Euro, welche die Kirchen aufgrund von Rechtstiteln aus der Zeit des Feudalismus erhalten, hat sich BAStA vorgenommen. Petra Bruns stellt das "Bündnis altrechtliche Staatsleistungen abschaffen" vor.

Grüne Revolution und Grüns Geschwätz

Im 40. Jahr der sogenannten Islamischen Republik wirft Farid Mahnad einen Blick auf deren Entstehung und skizziert die Entwicklung, die sie seitdem genommen hat. Er betont, dass die Islamisten von vorneherein geplant hatten, ihre Verbündeten gegen den Schah später zu "entsorgen" und dass dies nicht nur linke und bürgerlich-demokratische Parteien betraf, sondern auch konkurrierende religiöse Organisationen.

Der wahrscheinlich meistgelesene Theologe der letzten Jahrzehnte dürfte Pater Anselm Grün sein. Er hat über 200 Bücher geschrieben, doch Theodor Weißenborn nimmt sich einen Satz vor, den Grün in einem Fernsehinterview geäußert hat: "Gott ist ein reines Geistwesen". Wie lässt sich das interpretieren, was könnte das bedeuten? Am Ende ist sich der Autor sicher, dass er den Theologen besser verstanden hat, als dieser sich selbst.

Daneben gibt es noch die üblichen Rubriken Netzreport, Zündfunke und Internationale Rundschau, die Glosse Neulich... (diesmal aus Norwegen), eine Buchbesprechung und einen Bericht über die Buskampagne.