In Memoriam eines engagierten Sozialisten

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Rudy Mondelaers / Foto: Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Rudy Mondelaers, einer der hpd-Redakteure der ‚ersten Stunde’, ist am vergangenen Donnerstag unerwartet gestorben. Kollegen, die ihn besser kannten, sind immer noch fassungslos. Das kann doch gar nicht sein - solche Menschen, wie Rudy, können doch nicht einfach sterben. Ein kritischer Geist, der immer konsequent gegen Pauschalisierung und Ungerechtigkeit eingetreten ist.

Ein Nachruf.

Wenn es einer Zuweisung bedurft hätte, dass „Belgier“ wahre Hedonisten sind und einen großen Sinn für die Freuden des Lebens haben, darunter auch genussvolles Essen und Trinken, Geselligkeit mit Freunden und Gesprächen, dann wäre Rudy Mondelaers ein guter Beweis dafür gewesen. Mir sind nur wenige Menschen begegnet, die so herzlich und laut lachen konnten, wie er. Auch über sich selbst. Seine Gegenwart ist nun Vergangenheit geworden. Das ist normal und dennoch schmerzlich.

Kennen gelernt habe ich ihn, als er vor rund acht Jahren bei mir anfragte, ob ich ihm etwas zu den Finanzen des frühen Christentums sagen könnte. Das konnte ich zwar nicht, aber er besuchte mich damals in Hamburg und wir sprachen über seinen Roman, den er gerade in Arbeit hatte: „IM Paulus“. Er spielte im antiken Rom, wo man sich mit dem Problem herumschlug, dass der Militärhaushalt des Römischen Imperiums nur noch unter Schwierigkeiten zu finanzieren sei und jemand auf die Idee gekommen war, einen ideologisch-religiösen Überbau zu erfinden: Das sei billiger und im Orient hätte das funktioniert, dass zwölf jüdische Stämme sich unter einem Religionsdach vereinigt hätten. Ein ausgesandter Kurier kommt zurück und sagt, dass sie ihre Religion aber nicht teilen wollten, da sie sich für das auserwählte Volk halten, aber er habe in Damaskus einen Teppichhändler namens Saulus getroffen und der sei bereit, sich als IM „Paulus“ bei den Juden einzuschleichen.

In diesen Facetten zeigten sich die Schwerpunkte seiner Arbeit: Ökonomie, Religionskritik und Auseinandersetzung mit dem realen Sozialismus.

Als ich Monate später daran ging, den hpd aufzubauen, war Rudy einer der ersten, der auf die Anfrage einer Mitarbeit zugesagt hat und so erschienen am 4. Dezember 2006 die ersten Notizen aus Frankreich und kurz darauf am 8. Dezember 2006 die ersten Notizen aus Benelux und Internationales.

Er sprach, 1939 in Flandern als Belgier geboren, sowohl Französisch wie Niederländisch/Flämisch und brachte diese Sprachkompetenz in verschiedenen Zusammenhängen ein. (Seine Notizen aus Benelux wurden sogar von den belgischen Humanisten für ihre Internetseite zurückübersetzt.) Diese Kompetenz lag u. a. auch Vorträgen wie „Laizismus in Frankreich und Benelux“ zugrunde und es war kein weiter Weg, als der Alibri Verlag jemanden suchte, der das Buch von Dirk Verhofstadt ins Deutsche übertragen sollte/konnte: Pius XII. und die Vernichtung der Juden. Übersetzt von Rudy Mondelaers. Es erscheint am 17. Juni 2013. Er hatte darauf gewartet. Wäre es doch so etwas wie ein Geburtstagsgeschenk für ihn gewesen.

In einem Video (2009) an seinem früheren Arbeitsplatz, der Humboldt Universität zu Berlin, erzählt er uns, wie er im Auftrag der Gewerkschaft in die DDR geschickt worden war, um Fachfragen als Ökonom zu studieren und dann, auch der Liebe wegen, blieb.

 

Mit seiner westeuropäischen Herkunft, er hätte jederzeit aus der DDR wieder ausreisen können, blieb er ein unabhängiger Kopf der politischen Ökonomie, der eindeutig solidarisch mit der DDR war und dennoch über Tagespolitik und Parteilosungen hinaus dachte.

So gehörte Rudy zu den engagierten Wirtschaftswissenschaftlern, die nach der ‚Wende’ 1989 auch ungewöhnliche Wege suchten, um die DDR-Wirtschaft vor einer ausschließlichen westdeutschen Vereinnahmung zu schützen.

Sein Engagement, seine Qualifikation als marxistischer Ökonom nicht aufzugeben, sondern voran zu bringen, auch für gegenwärtige Fragen nutzbar zu machen, führten ihn konsequent in die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftspolitik der LINKEN und er publizierte u. a. in „Beiträge zur Wirtschaftspolitik“ über „linke Wirtschaftskompetenz“ wobei dort sein Vorname auch korrekt mit „Rudolf“ geschrieben wurde. Wohl nur die Partei- und Wissenschaftskollegen wussten, dass Rudy tatsächlich so hieß: Dr. Rudolf Mondelaers.

Auch in anderen Projekten wie dem Plan B (das rote Projekt für einen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft) der Fraktion die Linke, brachte er sich kritisch ein: Die Konsumlücke des Plan B.

In der Redaktion des hpd war Rudy ein aufmerksamer Beobachter der Entwicklung des hpd und wer seinen sofortigen Widerspruch suchte, brauchte sich nur, seines Erachtens, unqualifiziert über die DDR oder die linke Bewegung zu äußern. Insofern hat der hpd mit dem Tod von Rudy einen Teil seiner linken Flanke verloren, von der noch nicht gesagt werden kann, ob sich jemand anderes finden lassen wird, der diese Lücke schließen kann.

In einer Selbstauskunft für Epikurs Garten hat Rudy sich selbst beschrieben.

Selbstdefinition: Anti-Theist. Es reicht nicht, Atheist zu sein um die durch die Religionen verursachte, versklavte Manipulation des Denkens zu minimieren. Das wäre zu defensiv, zu abwartend. Man muss die Religionen unbedingt offensiv bei ihren Wurzelen packen.

Entscheidende Erfahrungen: Als linker flämischer Belgier habe ich hautnah die insbesondere für die Jugend verheerenden Einflüsse des Katholizismus erlebt. Außerdem komme ich aus einer Familie mit atheistischen Traditionen.

Elitär? Glaubensfreiheit und wertphilosophisch begründete Ethik können elitär sein, aber dann müssen sie unmittelbar mit den tagtäglichen Sorgen und Nöten der Bevölkerung verbunden werden. Zu erklären wäre, wie religiöses Denken letztendlich den Status Quo des heutigen Gesellschaftssystems verursacht und wie aufklärende Werte sozial und ökologisch befreiend wirken. Atheisten sollten deshalb ausgehend von ihren ethischen Werten auch aktiv die praktischen Konsequenzen dieser Werte in die neuen Bürger- und sozialen Emanzipationsbewegungen hinein tragen.

Lust und Pflicht: Hedonismus ist schön und erlaubt, solange er nicht auf Kosten anderer geht bzw. eine nachhaltige Entwicklung der Menschheit nicht unterminiert.

Humanismus und Aufklärung: Die Aufklärung gibt dem Humanismus sein erkenntnismäßiges Instrumentarium. Das darf sich aber nicht verselbständigen so wie es bei manchen wissenschaftlichen Erkenntnissen geschieht. Nicht alles was naturwissenschaftlich erkannt oder machbar ist, ist menschlich bzw. gesellschaftlich zu verantworten. Da fängt die persönliche Verantwortung an.

Praxis des Humanismus: Durch die Freude an einem ethisch verantworteten Hedonismus.

Selbstbestimmung: Selbstbestimmtes Leben und selbstbestimmtes Sterben hängen kausal zusammen. Das Selbstbestimmte muss sozial verantwortet sein.

Was schadet der Gesellschaft aktuell am meisten? Der Kapitalismus mit seinen religiösen Dogmen.