80 Jahre Hitler-Vatikan-Pakt

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Fotos: Gunnar Teriet

BOCHUM. (hpd) Vor 80 Jahren schloss der Vatikan mit der NS-Regierung in Deutschland ein weitreichendes Konkordat, welches in wesentlichen Teilen bis heute seine Gültigkeit behalten hat. Das Reichskonkordat, aber auch das Verhältnis der beiden großen Kirchen in Deutschland zum Faschismus, waren Thema einer Tagung der in Bochum ansässigen Ruhrgebiets-Initiative "Religionsfrei im Revier".

Unter dem etwas provokanten Titel "80 Jahre Hitler-Vatikan-Pakt" wurde die Veranstaltung angekündigt. Trotz des frühen Beginns am Samstag Morgen um 10 Uhr, füllte sich der Vortragsraum schnell mit nahezu 40 Interessierten.

Nach einer kurzen Begrüßung durch Initiativen-Mitbegründer Jörg Schnückel, startete Hartmann Schimpf mit einer sehr detaillierten Schilderung der Entwicklung des Verhältnisses zwischen Vatikan und Faschismus in Italien.

Dem ehemaligen Geschichts- und Französischlehrer an einem bilingualen Gymnasium standen dabei auch viele französischsprachige Quellen zur Verfügung. So beispielsweise französischen Geschichtsbücher, die mit der deutschen Vergangenheit und in diesem Fall auch mit der Verquickung von Nationalsozialismus und Kirche wesentlich kritischer umgehen als die deutschen Geschichtsbücher.

Laut Auskunft eines weiteren Lehrers haben in Deutschland über 50 Interessengruppen Mitspracherecht, was den Inhalt entsprechender Schulbücher angeht.

In seinem mit einer Präsentation unterlegten Vortrag stellte Hartmann Schimpf klar, dass sich die Anbandelung zwischen Faschismus und Vatikan so nicht nur in Deutschland zutrug. Sondern dass sich in der Entwicklung in Italien zwischen Mussolini und dem Vatikan ein Vorbild fand.

Hartmann Schimpf hatte ebenfalls eine Ausstellung mit Bild- und Schriftdokumenten vorbereitet die einen ganzen Vortragsraum füllte. So war es den Teilnehmern möglich, sich anhand der Quellen vom Vorgetragenen zu überzeugen.

In einer inhaltlich von Gisela Neuland-Kreuz angeregten und moderierten Diskussionsrunde wurde sehr interessiert die Thematik der Auswirkungen des Reichskonkordats auf unseren heutigen Alltag erörtert. Ob Religionsunterricht an staatlichen Schulen oder der Kirchensteuereinzug uvm. konnten aus Zeitmangel leider nur viel zu kurz behandelt werden. Allerdings war man war sich bald einig, dass es zu diesem Themenbereich schon fast eines eigenen Seminars bedarf.

Nach gemeinsamem Mittagessen ging es in die nächsten Runden. Martin Budich und Hartmann Schimpf relativierten bzw. demontierten u.a. mit Hilfe von Ausschnitten aus Filmdokumentationen, so zum Beispiel von Ernst Klee, die kirchlichen Heroen und "Widerstandskämpfer". Es blieb, um es vorsichtig auszudrücken, zumindest ein fader Nachgeschmack, wenn Namen wie Niemöller, von Galen oder Faulhaber fielen.

Um ein abgerundetes Bild der Kirchen im Faschismus dazustellen, war natürlich auch ein Blick zum Protestantismus nötig. Die evangelische Kirche in Deutschland - mit dem Ende der Kaiserzeit ihres Oberhauptes beraubt - sah schon bald in Hitler die starke Persönlichkeit, die ihr zuletzt fehlte, um Führung und Einigung herbeizuführen. Luthers Antijudaismus passte dabei prächtig zum Antisemitismus der Nazis.

Die sog. "Stuttgarter Erklärung", das Schuldeingeständnis der evangelischen Kirche Deutschlands, fand aus zeitlichen Gründen leider nur einige kritische Randbemerkungen, denn es standen noch zwei Vorträge von Lukas Mihr auf der Tagesordnung: Die Geschichte der Fuldaer Bischofskonferenz 1930-1945 und die Fluchthilfeorganisation für Nazis nach Ende der Nationalsozialistischen Herrschaft in Europa, dokumentiert u.a. in „Der Rattenpfad“.

Aus den Dokumenten der Fuldaer Bischofskonferenz lassen sich gut die Stimmungen und Einstellungen der Bischöfe zum Faschismus und gegen Kommunismus und Bolschewismus erkennen. Die nationalsozialistische Herrschaft war ganz klar das kleinere Übel und ließ sich hervorragend mit der biblischen Forderung nach Anerkennung jeder weltlichen Herrschaft als von Gott gegeben rechtfertigen. Ein ausgeklügeltes Netzwerk von Fluchtrouten und -Organisationen wird in dem "Rattenpfad" dokumentiert. Von CSI (heute CIA), Rotem Kreuz und Vatikan gestützt bildete sich ein konspiratives Geflecht, welches die faschistischen Verbrecher Europas zu Hunderten in Anspruch nahmen, um der rechtlichen Verfolgung hier zu entgehen.

In einer abschließenden Gesprächsrunde machten sich die Teilnehmer noch eingehend Gedanken zu der These,dass die einzigen Großunternehmen, die die nationalsozialistische Zeit in Europa wirtschaftlich und im Ansehen nahezu unbeschadet überstanden haben, die Kirchen seien.

Die stellten sich ohne kritische Gegenstimmen - denn die hatten, da meist aus dem linken Lager, den Faschismus nicht überlebt - als Märtyrer und Widerstandskämpfer da. Zudem hatten die konservativen Kräfte ohne schlagkräftige Opposition eine ganze Legislaturperiode unter Adenauer die absolute Mehrheit. So ließen sich dann unwidersprochen Instrumente wie das Subsidiaritätsprinzip etablieren und quasi monopolistisch durch die Kirchen nutzen.

Zu den einzelnen Themengebieten gab es als Intermezzo Sketche von Armin und Anja Schreiner. Dabei stellte ein aufgewecktes Kind der "modern" katholische Mutter immer unangenehmer werdende Fragen zur kirchlichen Geschichte im Nationalsozialismus. Mit Hilfe des Internets versucht Mutti Antworten zu finden und ist immer wieder erschrocken ob der historischen Tatsachen.

Am Ende der Tagung blieb nur noch die Forderung der Teilnehmer nach mehr Aufklärung und weiteren Veranstaltungen dieser Art durch die Initiative "Religionsfrei im Revier".

Näheres zu Inhalten und Quellen wird sukzessive im Netz veröffentlicht. Während der Veranstaltung wurden Bild- und Tonaufnahmen gemacht und dort hoffentlich bald abrufbar sein.

Jörg Schnückel