Worte und Gesten statt Taten

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Sonnenuntergang / Foto: Margit Völtz (pixelio)

BERLIN. (hpd) Ein Phänomen geht durch Deutschland: Die Wertschätzung für den neuen Papst Franz, der offensichtlich persönlich Vieles von dem darstellt, was viele Menschen, darunter auch Nicht-Kirchenmitglieder, von einem Bischof erwarten: Bescheidenheit, Demut, persönliche Armut und Solidarität mit den Armen. Doch dieser Anschein trügt.

Ein Kommentar von Carsten Frerk

Seit dem Beginn seines Pontifikats hat Jorge Mario Bergoglio als Papst Franz eine Begeisterung ausgelöst, dass man sich fragen musste, was die Korrespondenten in Rom eigentlich geraucht haben. Kein Prunk und Pomp, schlicht als einfacher Priester, allerdings im päpstlichen Weiß. Er bezieht auch nicht die päpstlichen Gemächer im Lateranpalast, sondern bleibt im Gästehaus wohnen und stellt dem Schweizer Gardisten, der nun dort Wache stehen muss, einen Stuhl vor die Tür, damit sich dieser auch einmal setzen kann.

Weitere und andere Gesten folgen, keine allzu vielen Wiederholungen derselben, die sich sonst schnell im Neuigkeitswert verschleißen. Nach den Fußwaschungen im Jugendgefängnis dann auch noch der Besuch auf Lampedusa, um sich für dreieinhalb Stunden unter die dort hausenden Flüchtlinge zu begeben und die Flüchtlingspolitik Europas zu beklagen. Ach, er warf auch noch einen Kranz ins Meer, für alle Bootsflüchtlinge, die ertrunken sind. Jubel, ja der zeigt den Politikern Europa endlich mal Mores, was Menschlichkeit bedeutet.

Hat er nur einen der Bootsflüchtlinge von Lampedusa mit in den Vatikan genommen? Die Gärten des Vatikans sind recht groß, da könnten sicherlich einige Hundert Flüchtlinge in sauberen Zelten betreut vorläufig wohnen. Nein, hat er nicht.

Hat er eines der vielen Gebäude in Rom, die dem Vatikan gehören, als Flüchtlingsherberge angeboten, um mit guten Beispiel und mit seinen Möglichkeiten voran zu gehen, den Worten taten folgen lassen? Nein, hat er nicht.

Hat er den katholischen Premierminister des katholischen Malta öffentlich ermahnt, als der, wenige Tage nach seinem Besuch auf Lampedusa, erklärte, dass Malta die Bootsflüchtlinge auf der Insel alle wieder nach Libyen abschieben werde? Nein, hat er nicht.

Es gibt nichts Richtiges im Falschen

Schon im Mittelalter wurden die "Milleniumsbewegungen" der gläubigen und armen Christen stets von einfachen Priestern angeführt, da das gläubige, einfache Volk den saturierten, abgehobenen und meist auch gut ernährten Bischöfen nicht traute.

Diese Emotion "Er ist einer wie wir!", weiß der Papst Franz vorzüglich zu aktivieren. Und auch Laizisten in Deutschland spielen das Spiel: Unglaubwürdige "fette Kirche" – wobei sich auch manche Kardinäle in ihrem Leibesumfang dazu gerade wie dafür geschnitzt eignen – gegen den glaubwürdigen und bescheidenen "Papst der Armen", der nur den Glauben als oberste Maxime gelten lässt.

"An der Seite der Armen"

Karfreitag 2013 zogen durch ein Armenviertel in Buenos Aires, das zu der früheren Diözese des Kardinal Bergoglio gehört, an der Spitze einer Prozession mit Palmenwedel und Marienstatuen zwei junge Priester. Die Straßen waren rechts und links mit Müll gesäumt – nicht, dass einer der Priester vielleicht einen Besen in die Hand genommen hätte – und inmitten der Behausungen bauten diese beiden Priester dann einen provisorischen Altar, mit einem blütenweißen, gestickten Altartuch nebst großem Bild des neuen Papst Franz und einer Marienstatue unter Glas: "Wir sind an der Seite der Armen". Hat sich dadurch irgendetwas geändert? Nein.

Und jetzt in Brasilien, die erste Auslandsreise des neuen Papstes zum Weltjugendtag der katholischen Kirche. Die Fahrzeugkolonne fährt nicht den geplanten Weg, alles stockt, die Menschen strömen zum seitlich offenen "Papamobil", die Sicherheitskräfte sind entsetzt und der Papst kann sich mit Händeschütteln und Segen spendend wieder von seiner 'menschlichen Seite' zeigen. Das muss man dem Mann lassen, er hat offensichtlich ein festes Gottvertrauen, was seinen Vorgängern so nicht eigen war, die es vorzogen im gläsernen Aquarium durchs Volk zu fahren.

Er wird in Rio eines der kleineren Armenviertel (ca. 1.000 Bewohner) besuchen und dort die kleine Kirche segnen. Hat er vielleicht vor seiner Abreise nur eines der vielen Gemälde von Michelangelo, Caravaggio, Raffael etc. im Vatikan verkaufen lassen und bringt die 10 Mio. Dollar Verkaufserlös mit, als beispielhafte Anschubfinanzierung für eine gemeinnützige Baugenossenschaft, die dort die Wohnhäuser instand setzt? Nein hat er nicht.

Auch Johannes Paul II hat Armenviertel besucht. Hat sich dort dadurch etwas geändert? Nein, hat es nicht.

An ihren Taten sollt ihr sie erkennen

Die katholische Kirche vermittelt ihren Gläubigen Projektionsflächen – wie "Liebe", "Nächstenliebe", "Familie", "Frieden", "Himmelreich", etc. – auf die jeder nach Bildungsstand, Alter und Lebenssituation oder Belieben das projeziert, was er oder sie gerade braucht. Darin ist Franz offensichtlich ein Meister seines Faches.

Nach dem starrsinnigen Gelehrten Benedikt nun ein bescheidener, menschlicher Franz? Mitnichten, seine erste Enzyklika "Licht des Glaubens" ("Lumen fidei") ist aus Benedikts Hand, sie zeigt seine Theologie, an der von Papst Franz nur wenige Ergänzungen vorgenommen wurden. Das ist die systemimmanente Kontinuität, an der auch ein paar nette Gesten nichts ändern werden: Die katholische Kirche ist die einzig wahre. Frauen und Laien haben zu schweigen.

Wenn Papst Franz eine Glaubwürdigkeit erhalten will, dann muss er seinen bejubelten menschlichen Gesten auch entsprechende Taten folgen lassen. Sonst wird diese emotionale Begeisterung wie ein Strohfeuer bald verglüht sein.