Was ist Reichtum?

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Informationstafel / Foto: Elke Schäfer

DRESDEN. (hpd) Im Hygienemuseum hat kürzlich eine Ausstellung mit dem Titel „Reichtum - mehr als genug“ eröffnet und ist noch bis November zu sehen. Vor der Staffage eines Kreuzfahrtschiffes, welches hier als Symbol für Reichtum verwendet wird, werden einige Aspekte des Reichtums, wie er sich darstellt, was er bewirkt und was damit getan wird unter die bitter-ernste Satire-Lupe genommen.

Das Schiff

Die Kluft zwischen Arm und Reich wird weltweit immer größer und die Lebensinhalte der Reichen und der Armen scheinen schon lange nicht mehr dieselben zu sein. Der Wunsch nach einem von ökonomischen Sorgen freien Leben ist jedoch ein wichtiger Antrieb für das Handeln und Streben des Einzelnen.

Der Luxusliner gilt als Inbegriff für Exklusivität, Unbeschwertheit und Selbstanbetung. Man kann als Besucher eintauchen in die Welt der Reichen, einmal über das Deck dieses Schiffes „flanieren“, in einige Kajüten schauen und lauschen, sich am Pool in einen Liegestuhl legen oder im Galasaal Zeuge eines Diners werden. Aber auch mal in die Kombüse schauen und dort sehen, dass dort zu Dumpinglöhnen gearbeitet wird, damit die anderen ihren Reichtum verprassen können. Die Ausstellung ist sehr abwechslungsreich und informativ gestaltet, überhöht den schönen Schein von Reichtum. Anhand von einigen Texttafeln in den Gängen wird man mit den Aspekten des Reichtums vertraut gemacht und mitunter provoziert.

Zum Beispiel, dass die Lebenszufriedenheit ab einem bestimmen Einkommen nicht mehr zunimmt und das ständige Streben nach mehr Reichtum zu Überforderung und psychischen Problemen führt. Arme Reiche! Die Sinnsuche sei bei den Reichen abgeschlossen und so werden immer riskantere Hobbys gebraucht, um sich von den anderen abzugrenzen und einen neuen Kick zu bekommen, wie z. B. immer schnellere Motorboote mit denen sie dann auch mal verunglücken können. Sie sind fast zu bedauern!

Auf den kleinen Achtungsschildern in den Gängen ist dagegen zu lesen, dass ca. 15 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet sind und die relative Armut in Deutschland bei weniger als 60 % des mittleren Einkommens, also bei 848 € mtl. beginnt. Oder: Seit 1992 sind über 10.000 Bootsflüchtlinge, die aus Afrika, Asien und dem Nahen Osten wegen Verfolgung und Hunger nach Europa gelangen wollten, im Mittelmeer ertrunken.

Der Kurator

Kurator Daniel Tyradellis hat Philosophie und Wissenschaftstheorie studiert. Seinen Ausgangspunkt formulierte er so: „Reichtum ist ein Phantasma, weil es eine Art Gottersatz darstellt.“ Tyradellis agitiert nicht, er führt die Besucher in das Paradies der angeblichen Gewinner und entlarvt durch viele Einzelheiten und die originelle Darstellung der statistischen Angaben die fragwürdige Schein- und Luxuswelt.

In dieser Ausstellung wird über den Drang nach Reichtum und Besitz philosophiert, der den bloßen Sicherheitsanspruch bei weitem übersteigt.

Zum Beispiel die sehr unterschiedliche Darstellung - je nachdem, wie man es braucht - dass der Median des Vermögens deutscher Haushalte bei 51.400 €, aber das Durchschnittsvermögen bei 195.000 Euro liegt.

Aber Reichtum bedeutet nicht auch gleichzeitig glücklich zu sein. Nun müsste man ja denken, dass Deutschland als eines der reichen Länder, auch zu den „Glücklichsten“ zählt. Aber dem ist nicht so. Deutschland rangiert auf der „Glücklichkeitsskala“ relativ weit unten, kommt gleich nach Togo, Sierra Leone, Bulgarien und Niger. Als relativ glücklich zählen dagegen Australien, Niederlande und Dänemark.

Am Pool auf dem Sonnendeck kann man sich auch nicht gerade erholen, kann man doch sehen, welch enormen Schaden die sogenannten Hartz-IV-Betrüger anrichten! Sagenhafte 0,73 € kosten die jeden Steuerzahler im Jahr. Der Schaden, den Unternehmen verursachen, die mehr als 90 Mdr. € am Fiskus vorbei schleusen, liegt dagegen gerade mal bei 1.250,- €.

Stimmt da was nicht?

Dezent oder mit feiner Ironie wird der Besucher überall daran erinnert, auf wessen Kosten Reichtum entsteht und ob in seinem Erwerb wirklich der letzte Lebenszweck zu suchen sei.

Reichtum stellt sich auch als moralisches Problem dar. Religionen werden dabei benutzt, den Umgang mit Überfluss sozialverträglich zu begleiten und Argumente dafür zu liefern. In vieler Hinsicht prägen christliche Prinzipien die Diskussion über Reichtum. In der „Bordkapelle“ wird nach der Herkunft der Überzeugungen gefragt und mit den sieben Todsünden – Hochmut, Geiz, Faulheit, Neid, Völlerei, Zorn und Wollust - konfrontiert. Zu all denen gibt es Beispiele, die auch in der entsprechenden Presse ihren Widerhall gefunden haben.

Interessant ist die Darstellung der zunehmenden Einnahmen in Form von Kirchensteuern durch die beiden großen Kirchen. Da die Kirchensteuer ja unmittelbar an die Einkommen gebunden ist, profitieren auch gleichzeitig die beiden großen Kirchen in Deutschland von den höheren Einkommen, die ihnen als Kirchensteuereinnahmen zufließen. Die Altarkerzen wurden seit 1967 immer größer.

Die Brücke bildet das Zentrum der sozialen Auseinandersetzung ob der ungleichen Besitzverteilung. Hier werden knapp und übersichtlich Ideen von Solidarität, Produktivität, Gerechtigkeit und Ausgleich wie die Reichensteuer präsentiert. Wenn der Staat mittels Stiftungen Freiräume bei den Vermögenden fördert, warum dann nicht ein bedingungsloses Grundeinkommen für die weniger Privilegierten?

Der Reichtum

Reichtum muss man sich verdienen! So wird in der Ausstellung gesagt, dass viele Reichtum als gerechtfertigt ansehen, wenn sich der Einzelne diesen selbst erarbeitet hat. Doch wer definiert, was eine Leistung wert ist? Womit kann man sich so unermesslichen Reichtum „erarbeiten“? Die kapitalistische Gesellschaft, die von Medien und Kapital bestimmt wird, legt diesen Maßstab selbst fest, der sich meist nicht mit dem gesunden Menschenverstand vereinbaren lässt.

Bei der Grafik über die Anzahl der Millionäre auf der Welt, scheint Deutschland mit nur 463.000 Millionären etwas unterrepräsentiert zu sein. Im Jahr 2012 wurden in Deutschland über eine Million Millionäre ermittelt. Das sind mehr als 1 Prozent der Bevölkerung. Allerdings scheint die Ermittlung des Vermögens der Reichen sowieso relativ schwierig zu sein.

Es gehört zu den statistischen Absonderlichkeiten, dass zwar über die Buchproduktion in Deutschland exakt Auskunft gegeben werden kann, doch sehr unklar ist, über wie viel Vermögen und Einkommen die reichen Bundesbürger verfügen.

Diese Unklarheiten sind kein Zufall, denn die Reichen wissen, wenn alle wüssten, wie das Geld verteilt ist, sind Diskussionen über die Gerechtigkeit dieser Verteilung nicht zu verhindern. Also bleibt dies ein Geheimnis.

Durch angeblich seriöse Vermögensberichte wird geschickt verschleiert, dass es keine genauen Daten dazu gibt. Dieser Datenmangel wird zudem durch regelmäßig erscheinende seriös anmutende Vermögensberichte geschickt kaschiert. Aber auch die amtlichen Statistiken sind sehr lückenhaft und wissen fast nichts über die Reichen in Deutschland.

Die Bundesbank liefert zwar einen groben Überblick über das Vermögen insgesamt und hat beispielsweise für 2007 eine Summe von 9,5 Billionen Euro ermittelt, von dem die reichliche Hälfte Geldvermögen war. Diese Summen sagen jedoch nichts über die Verteilung des Vermögens zwischen Armen, Mittelschicht und Reichen.

Das Statistische Bundesamt erstellt wiederum alle fünf Jahre die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS). Dabei werden ca. 60.000 Haushalte befragt. Allerdings berücksichtigt die Umfrage keine Haushalte mit einem Nettoeinkommen größer als 18.000 € monatlich. Diese geben nur ungern freiwillig Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen, dass dadurch kaum verwertbare Aussagen zu den Lebensverhältnissen getroffen werden können. Deshalb lässt man sie lieber gleich weg.

Beim Mikrozensus, der nicht freiwillig ist und bei dem jährlich ein Prozent der Bevölkerung, darunter auch Reiche, Auskunft geben muss. Doch hier wird das Vermögen gar nicht abgefragt - und das Einkommen muss nur pauschal mit "mehr als 18.000 Euro" angegeben werden. Also auch der Mikrozensus liefert darüber keinen Aufschluss.

Bleiben noch die Finanzämter. Denn auch Spitzenverdiener müssen Steuern zahlen. Aber auch hier bleiben Lücken. Gerade Unternehmer, Selbstständige und Freiberufler können sich leicht fürs Finanzamt arm rechnen. Die Einkommensteuerstatistik erhebt zwar das jährliche Einkommen, aber das Gesamtvermögen bleibt unberücksichtigt. Bis 1997 verriet noch die Vermögenssteuer ein wenig, wer wie viel besaß. Doch diese wird seitdem nicht mehr erhoben.

Eine verlässliche Quelle bleibt daher nur noch das Sozio-ökonomische Panel, kurz SOEP. Seit 1984 werden jährlich die gleichen rund 12.000 Haushalte befragt. Für eine bessere Datenlage sorgt seit 2002 eine „Hocheinkommensstichprobe“. Aber auch hier gibt es keine genauere Erhebung.

In Deutschland gibt es einen Armuts- und Reichtumsbericht, in dem sich nur etwa 10 Seiten finden, die sich den Reichen widmen. Die Unterschichten sind statistisch bestens erfasst, während man über die Vermögenseliten kaum etwas weiß. Das scheint politisch so gewollt zu sein.

Fazit

Die Ausstellung "REICHTUM - mehr als genug" stellt die Frage nach den Gründe und Abgründen unseres Strebens nach Reichtum. Warum glauben viele, dass man nur mit Geld und Besitz gut leben kann? Kann es ein „reiches Leben“ auch ohne materiellen Reichtum geben?

Die Frage bleibt: Verspricht Reichtum ein „mehr“ an Leben? Und sind es nur Neider, die meinen, dass Reichtum auf Kosten anderer geht, dass er unsozial ist, Armut produziert und oft nicht auf ehrlichem Wege zustande gekommen ist? Die öffentliche Debatte pendelt zwischen erstrebenswertem Lebensziel und Feindbild, Schicksal oder gerechter Lohn für harte Arbeit, Freibrief für Genuss oder Bürde und Verantwortung.

Und um gleich bei der Verantwortung zu bleiben. Wer von den Reichen übernimmt denn tatsächlich Verantwortung? Welcher Manager/Banker usw. steht denn im Ernstfall, wenn etwas schief geht mit seinem Vermögen gerade? Welcher Manager ist den jemals zur Kasse gebeten worden, wenn das Unternehmen den Bach runter ging? Ist es nicht vielmehr so, dass gerade diese mit Abfindungen in Millionenhöhe entlassen werden? Oftmals brauchen sie sich keine Sorgen um Zukunft und Rente machen, im Gegensatz zu wegen kleinerer Verfehlungen gekündigte Arbeitnehmer.

Am Schluss kommt man wieder an der Netto-Privatvermögensanzeige vorbei. Und je nachdem, wie lange man sich in der Ausstellung aufgehalten hat, ist die 13 bis 14-stellige Zahl um weitere 50.000.000 bis 70.000.000 Euro gewachsen, nämlich pro Sekunde um 9.181 Euro. Es hat den Anschein, dass dies von ganz allein erfolgt und unabänderlich ist. Denn mindestens das bleibt offen, wie entsteht Reichtum und auf welchen Konten landet er.

Elke Schäfer
 

REICHTUM - mehr als genug. EINE SONDERAUSSTELLUNG DES DEUTSCHEN HYGIENE-MUSEUMS Dresden, 6. Juli bis 10. November 2013. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, Feiertage: 10 – 18 Uhr. Eintrittspreise 7 € / 3 €.