MÜNCHEN. (hpd) Die Süddeutsche Zeitung lässt sich von kirchlichen Darstellungen blenden, in denen in den Angaben zum Diözesanhaushalt vermeintlich nur die kircheneigenen Einnahmen (Kirchensteuer, Spenden, Zinserträge, etc.) ausgewiesen werden. Darin sind jedoch auch die staatlichen Finanzierungen enthalten.
Ein Kommentar von Matthias Krause
Wie die Kirchen ihre Anteile für Bildung und Caritas aufblähen – mit staatlichen Geldern …
Anstatt ihren Mitgliedern mitzuteilen, wie viel Geld von der Kirchensteuer für gemeinnützige Zwecke wie Bildung oder Caritas ausgegeben wird, veröffentlichen die Kirchen lieber ihre Haushalte. Diese umfassen allerdings nicht nur die Einnahmen aus der Kirchensteuer, sondern auch die staatlichen Zuschüsse und alle anderen Einnahmen (z.B. Schulgeld, Gebühren, Pfründe-, Pacht- und Zinseinnahmen, Spenden).
Da die staatlichen Zuschüsse im Wesentlichen in die gemeinnützigen Tätigkeitsbereiche gehen, erhöhen sie dort die Haushaltsansätze – und damit den Anteil der gemeinnützigen Bereiche am Haushaltsvolumen. Die Prozentangaben, wie viel anteilig für gemeinnützige Zwecke ausgegeben wird, sind daher für den kirchlichen Haushalt immer viel größer, als wenn der Prozentsatz angegeben würde, der von der Kirchensteuer für gemeinnützige Zwecke ausgegeben wird.
Nun ist zwar nichts dagegen einzuwenden und es ist absolut sinnvoll, dass die Kirchen ihre Haushalte veröffentlichen. Ein für die Kirchen angenehmer Nebeneffekt ist allerdings, dass die Öffentlichkeit durch die überhöhten Prozentangaben einen falschen Eindruck von der Verwendung der Kirchensteuer bekommt. Das Erzbistum München und Freising, um das es im Folgenden geht, verweist sogar in seiner Broschüre “Informationen zur Kirchensteuer 2013” als Antwort auf die selbstgestellte Frage (S. 13) “Wofür wird die Kirchensteuer im Erzbistum München und Freising verwendet?” auf die Haushaltsangaben – anstatt die Anteile an der Kirchensteuer auszuweisen, wie ich es unten tue.
… und die SZ fällt darauf rein
Vor diesem Eindruck ist man offenbar selbst bei der Süddeutschen Zeitung nicht gefeit. Dort (in der Printausgabe für Bayern) erschien am 21. August 2013 ein Artikel mit der Überschrift “Sozialer Auftrag”. Untertitel: “Die Kirche braucht viel Geld für karitative Zwecke. Allein 40 Prozent der Einnahmen fließen in die Seelsorge”. Darin heißt es über das Erzbistum München und Freising: „Insgesamt investiert die Erzdiözese etwas mehr als 40 Prozent ihrer Einnahmen in die Seelsorge. Der zweitgrößte Posten sind Ausgaben für Bildung: 177 Millionen Euro und damit 27 Prozent der Einnahmen fließen in Bildungseinrichtungen – trotz der staatlichen Zuschüsse für Schulen, Religionslehrer und Kindertagesstätten. Die Erzdiözese trägt 22 Schulen und, gemeinsam mit den Pfarrkirchenstiftungen, 465 Kindertagesstätten. Hingegen sind für Verwaltungskosten lediglich etwas mehr als elf Prozent der Einnahmen vorgesehen.
Der Autor Jakob Wetzel bezieht sich offenbar auf diese Darstellung des Diözesanhaushalts nach Einzelplänen:

Für die hier ausgewiesenen Prozent-Anteile (%-Anteil) werden die Ausgaben der jeweiligen Aufgabenbereiche (Einzelpläne) ins Verhältnis zu den Gesamtausgaben (Haushaltsvolumen) gesetzt.
Im SZ-Artikel impliziert der Satz “177 Millionen Euro und damit 27 Prozent der Einnahmen fließen in Bildungseinrichtungen – trotz der staatlichen Zuschüsse für Schulen, Religionslehrer und Kindertagesstätten” mit dem Wort “trotz”, dass die genannten 177 Millionen bzw. 27 Prozent die staatlichen Zuschüsse noch nicht enthalten. Tatsächlich sind es aber nicht “trotz”, sondern gerade erst “wegen” der staatlichen Zuschüsse die 177 Millionen Euro, wie der SZ-Autor ohne Weiteres hätte erkennen können. In derselben Darstellung wird nämlich auch der “Mittelbedarf” ausgewiesen – also der Betrag, den die Kirche aus eigenen Mitteln dazu beiträgt, nach Abzug der Einnahmen. Die Einnahmen im Bereich “Bildung” betragen knapp 122 Millionen Euro und entsprechen damit in ihrer Größenordnung den folgenden Einnahmeposten des Diözesanhaushalts (S. 57, auf Mio. gerundet):
- Leistungen des bayerischen Staates für diözesaneigene Schulen, für Kindertageseinrichtungen in diözesaner Trägerschaft und Baumaßnahmen (81 Mio. Euro)
- Leistungen des bayerischen Staates für Geistliche und für den Religionsunterricht (28 Mio. Euro)
- Schulgeld, Tagesheimeinnahmen (12 Mio. Euro)
Der Eigenanteil der Kirche beträgt also mitnichten 177 Mio. Euro, sondern nur den ausgewiesenen Mittelbedarf von 56 Mio. Euro – also ein Drittel des von der SZ genannten Betrages. Der Staat wird auch nicht – wie die SZ-Formulierung nahe legt – durch die Kirche um 177 Mio. Euro entlastet, sondern die 177 Mio. stammen zum Großteil vom Staat.
Anteil an der Kirchensteuer
Setzt man nun diesen kirchlichen Eigenanteil (56 Mio.) ins Verhältnis zum Kirchensteueraufkommen (lt. Diözesanhaushalt 474 Mio., dieser Betrag ist aber noch um die interdiözesane Verrechnung und Kirchensteuer-Rückerstattungen zu korrigieren, siehe Tabelle unten), so ergibt sich ein Anteil von 13,3 Prozent – und nicht 26,72 Prozent wie im Diözesanhaushalt.
Gemessen am Mittelbedarf – der die Verwendung der Kirchensteuer viel besser wiedergibt als die Ausgaben – ist der Bereich Bildung mit 56 Mio. auch nicht der zweitgrößte Posten nach der Seelsorge, sondern Platz drei – nach “Verwaltung” mit einem Mittelbedarf von 69 Mio. Euro. Und der nächste Platz ist nicht – wie im Haushalt – die Caritas, sondern “überdiözesane Aufgaben”; die Caritas kommt, gemessen am Mittelbedarf, erst an fünfter Stelle. Hier eine Tabelle, die den Mittelbedarf ins Verhältnis zur Kirchensteuer setzt:

Im Hinblick auf die Kirchensteuer ließe sich die oben zitierte Passage aus der SZ also wie folgt umformulieren: Insgesamt investiert die Erzdiözese mehr als 50 Prozent der Kirchensteuer in die Seelsorge. Für Verwaltungskosten sind mehr als 16 Prozent der Kirchensteuer vorgesehen. Der drittgrößte Posten sind Ausgaben für Bildung: 55,8 Millionen Euro und damit 13 Prozent der Kirchensteuereinnahmen fließen in Bildungseinrichtungen – trotz der staatlichen Zuschüsse für Schulen, Religionslehrer und Kindertagesstätten. Die Erzdiözese trägt 22 Schulen und, gemeinsam mit den Pfarrkirchenstiftungen, 465 Kindertagesstätten.
Entlastet die Kirche aber nicht den Staat? – Nein!
Mancher wird nun anmerken, dass die Mittelbedarfe von 56 Mio. für Bildung und 31 Mio. für Caritas – zusammen (gerundet) 86 Mio. Euro – immer noch eine beträchtliche Entlastung des Staates aus Kirchensteuermitteln darstellen. Dem ist aber nicht so.
Denn durch die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer subventioniert der Staat die Kirchensteuer zu gut einem Drittel. Dies ist nicht etwa meine persönliche Interpretation der Dinge, sondern das ergibt sich aus dem Subventionsbericht der Bundesregierung (S. 113).
Auf das Erzbistum München und Freising bezogen heißt das: Das dortige Kirchensteueraufkommen in Höhe von 474 Mio. Euro verursacht durch die steuerliche Abzugsfähigkeit beim Staat Mindereinnahmen in der Größenordnung von (der Einfachheit halber großzügig abgerundet) 150 Mio. Euro! Der Staat subventioniert also das Erzbistum München und Freising allein schon durch die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer mit gut 150 Mio. Euro, erhält aber als “Gegenleistung” nur 86 Mio. Euro. (Und dabei wird schon zugunsten der Kirche angenommen, dass alles, was dort unter “Bildung” und “Caritas” ausgewiesen wird, tatsächlich der Allgemeinheit zugute kommt.)
Es geht hier nicht darum, die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer infrage zu stellen, sondern nur darum, zu zeigen, dass die Kirche den Staat keineswegs entlastet. Es ist auch nicht abzusehen, dass das jemals passieren wird: Das Erzbistum München müsste seine Eigenbeiträge zu Bildung und Caritas schon verdoppeln, allein um dem Staat sozusagen nicht mehr “auf der Tasche zu liegen”. In diesem Fall wäre der Staat zwar nicht mehr belastet, aber auch noch nicht entlastet.
Kirchenaustritte entlasten die Allgemeinheit
Erst recht lässt sich nicht behaupten, wer aus der Kirche austritt, “entsolidarisiere” sich, da er nun keine Kirchensteuer mehr zahle und somit weniger für das Gemeinwesen beitrage. Das Gegenteil ist der Fall, wie man erkennt, wenn man überlegt, was passieren würde, wenn alle Münchener Katholiken aus der Kirche austreten würden: Der Staat müsste dann zwar den katholischen Beitrag zu Bildung und Caritas in Höhe von 86 Mio. Euro selbst übernehmen – er hätte aber dafür über 150 Mio. Euro Mehreinnahmen, weil die Kirchensteuer nicht mehr durch ihre Absetzbarkeit das allgemeine Steueraufkommen belastet.
Erstveröffentlichung auf Skydaddys-Blog





