Säkularen Forderungen Nachdruck verleihen

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Corinna Gekeler in Frankfurt / Foto: Vera Muth

FRANKFURT. (hpd) Ein Vortrag von Corinna Gekeler am Freitagabend in Frankfurt bildete den Auftakt zum diesjährigen säkularen Aktionstag. Am Samstag ging es dann in zehn Städten mit Infoständen und Flugblattverteilaktionen auf der Straße weiter. Im Zentrum stand dabei die Forderung nach einer stärker säkularen Ausrichtung der Politik.

Inhaltlich vorbereitet hatten den Aktionstag die Kampagnen Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz (GerDiA) und Reli adieu!, dementsprechend konzentrierten sich die Materialien auf das Kirchliche Arbeitsrecht und weltanschauliche Konflikte in der Schule.

Corinna Gekeler in Frankfurt

Bereits am Freitagabend gab es in Frankfurt eine Veranstaltung zum Thema „Loyal dienen“. Der Landesverband Hessen des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) und die Säkularen Humanisten gbs Rhein-Main hatten Corinna Gekeler eingeladen. Die Autorin der gleichnamigen Studie stellte die zentralen Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit zur Diskriminierung bei Caritas, Diakonie & Co vor. Zunächst verdeutlichte sie anhand einiger im Buch beschriebener Fälle, dass es sich nicht um eine Randerscheinung handelt. Die besonderen Loyalitätspflichten betreffen über eine Million Arbeitsplätze und von „katholischen“ Einrichtungen bleibt die Mehrheit der Bevölkerung ausgeschlossen.

Dann erörterte sie die Frage „Dürfen die das?“. Eindeutig beantworten lässt sich dies derzeit nicht, denn die rechtliche Situation scheint im Umbruch begriffen. 25 Jahre lang hatte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus der Kohl-Ära (Stichwort „geistig-moralische Wende“) dafür gesorgt, dass die Grundrechte der Beschäftigten dem sog. Selbstbestimmungsrecht der Kirchen untergeordnet wurden. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall des wegen einer neuen Beziehung gekündigten Kirchenmusikers Bernhard Schüth aus dem Jahr 2010 müssen nun die Interessen beider Seiten abgewogen werden.

Ob sich der Gesetzgeber in absehbarer Zeit dazu aufraffen wird, die Sache in die Hand zu nehmen, ließ Corinna Gekeler offen. Möglich wäre dies etwa durch eine Änderung der Ausnahmebestimmungen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz („Antidiskriminierungsgesetz“). Zwar findet sich die Forderung nach Änderungen im kirchlichen Arbeitsrecht immerhin bei drei der im Bundestag vertretenen Parteien im Wahlprogramm, doch hoffen offenbar viele Politiker darauf, dass eine höchstrichterliche Entscheidung ihnen den Konflikt mit den Kirchen erspart. Zudem scheint das Problembewusstsein, was die „kollektiven“ Aspekte Streikrecht und Mitbestimmung angeht, stärker ausgeprägt zu sein, so dass Veränderungen wohl zunächst hier anstehen.

Dritter Weg am Ende?

Die Einschätzung teilte auch Fabian Rehm vom ver.di-Landesbezirk Hessen. Die Dienstleistungsgewerkschaft will den Dritten Weg durch Tarifverträge ablösen und das Streikrecht in diakonischen Einrichtungen durchsetzen. Dass sich die Aktivitäten auf die Diakonie konzentrieren, liegt daran, dass deren Einrichtungen (im Gegensatz zur Caritas) in größerem Stil Lohndumping und Auslagerung betreiben.

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M. Wagner (IBKA), F.Rehm (ver.di) / Foto: V.Muth
Die Erfolgsaussichten bewertete Rehm als gut. Im Bereich der niedersächsischen Diakonie werde bereits über einen Tarifvertrag verhandelt, in Hessen war die Wahl der Arbeitsrechtlichen Kommission am Widerstand der Beschäftigten gescheitert. Unter anderem hätten die Mitarbeitervertretungen die Wahlen boykottiert, indem sie Kolleginnen und Kollegen entsandten, die nicht in das Gremium gewählt werden konnten – weil sie keiner oder einer „falschen“ Religion angehörten.

In der Diskussion wurde dann unter anderem erörtert, warum die kirchlichen Sozialkonzerne überproportional viele soziale Einrichtungen betreiben und wie es gelingen könnte, die Kirchen zur Gewährleistung der Grundrechte ihrer Mitarbeiter zu zwingen. Dabei kam das Vergaberecht zur Sprache, das Kommunen die Möglichkeit gibt, Aufträge an die Einhaltung bestimmter Bedingungen, zum Beispiel soziale oder ökologische Standards, zu knüpfen. Möglicherweise sei dies auf auf die Ausschreibung von Kindergärten oder Sozialstationen übertragbar.

„Sie verlassen den demokratischen Sektor“

Am Samstag fand dann der eigentliche Aktionstag statt. In Bochum konzentrierten sich die Aktivisten von Religionsfrei im Revier ganz auf das GerDiA-Thema. Sie hatten ihren Infostand vor dem katholischen St. Elisabeth-Hospital aufgebaut. Im Eingangsbereich hatten sie ein Warnschild mit der Aufschrift „Sie verlassen den demokratischen Sektor“ aufgestellt. Die Faltblätter waren offenbar schnell bis zur Klinikleitung durchgedrungen und die reagierte „klassisch katholisch“. Durch eine Angestellte ließ die Chefetage mitteilen, die Verteilung solcher Informationen sei gefälligst einzustellen.

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Bochum: "Sie verlassen den demokratischen Sektor" / Foto: Jörg Schnückel

Ansonsten aber stießen die erhobenen Forderungen eher auf Zustimmung denn auf Ablehnung. (Mit den üblichen, teils bizarren Ausnahme: In Hamburg lehnte eine Frau das angebotene Faltblatt mit den Worten „Nein danke, ich bin Atheistin“ ab.) In Düsseldorf, wo der Infostand am Rande einer Wahlkampfveranstaltung der Linken platziert war, stieß das Material auf reges Interesse; hier war das Schulthema stärker gefragt. In Mannheim war der Aktionstag gleich an Stellen präsent: Sowohl Säkulare Grüne als auch Säkulare Humanisten warben in der Fußgängerzone für säkulare Politik.

An vielen Orten machte sich aber auch bemerkbar, dass die Menschen vom Wahlkampf abgestumpft sind und auf hingehaltene Faltblätter mit gepflegtem Desinteresse reagieren. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, dass sich die erhobenen Forderungen nicht auf griffige Parolen à la „Hoch die... Nieder mit...“ reduzieren lassen.

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Stand in Mannheim / Foto: Angela Lahee

Der Kampf geht weiter...

Der „Aktionstag“ ist dieses Jahr eher ein „Aktionsmonat“, denn auch an den kommenden Wochenenden wird es wieder Infostände geben. Zunächst diese Woche in Wiesbaden und München, nach den Wahlen dann in Trier und Osnabrück. Die genauen Daten finden sich auf der GerDiA-Webseite.

Ich selbst war am Samstag übrigens in Mannheim, zunächst am Stand der Säkularen Grünen, danach bei den Säkularen Humanisten Rhein-Neckar und habe – wie versprochen – Faltblätter verteilt. Denn damit für GerDiA der Kampf bis zum Jahresende weitergeht, brauchen wir noch 800 Euro. Und da ich meinen Teil der virtuellen Abmachung vertrauensvoll schon mal erfüllt habe, sehe ich dem weiteren Spendeneingang auf Helpedia (ebenso vertrauensvoll) entgegen.

Gunnar Schedel