Salafismus in Deutschland

(hpd) Der Journalist Ulrich Kraetzer legt mit seinem Buch “Salafisten. Bedrohung für Deutschland?” eine Gesamtdarstellung zum Thema vor. Darin betont er insbesondere den Kontext von Ideologie und Taten, was in Beschreibung und Einschätzung abgewogen und differenziert geschieht.

 

“Gewalt und Terrorismus”, “Islamisten und Salafisten” – solchen Kombinationen von Begriffen begegnet man in der Medienberichterstattung über geplante Anschläge ebenso wie über öffentliche Koranverteilungen. Dies geschieht meist ebenso mit erhöhter Emotionalität und moralischer Verdammung wie mit geringem Differenzierungsvermögen und unterentwickelter Sachkenntnis. Ein Musterbeispiel dafür sind einschlägige Talkshows im Fernsehen, wobei nicht kritisches Denken, sondern lautes Gerede dominiert.

Nicht zufällig leitet daher auch der Journalist Ulrich Kraetzer sein Buch “Salafisten. Bedrohung für Deutschland?” mit der Schilderung einer Maischberger-Sendung zum Thema ein. Der Autor und Redakteur des Rundfunks Berlin-Brandenburg legt darin seine Recherche-Ergebnisse zum Thema vor, welches sich sowohl auf Gespräche mit Fachwissenschaftlern und Salafisten wie auf Medienberichte über Gewalthandlungen und Propagandaaktionen wie auf das Wissen der Forschung und der Sicherheitsbehörden stützen.

Bereits einleitend formuliert Kraetzer sein erkenntnisleitendes Interesse: “Wie gefährlich ist der Salafismus tatsächlich, und von welcher Gefahr reden wir hier eigentlich? Wie ist es zu erklären, dass fast alle islamistischen Terroristen Anhänger des Salafismus sind – obwohl viele Prediger der Bewegung Gewalt ablehnen? Lügen sie tatsächlich, oder wird die Frage nach Wahrheit und Lüge der Komplexität des Problems nach nicht gerecht?” (S. 12).

Nach der Schilderung von persönlichen Eindrücken von einer salafistischen Benefizveranstaltung fragt der Autor nach der Bedeutung des Salafismus als totalitäre Ideologie ebenso wie als Wegbereiter des Terrorismus. Indessen hebt er dabei hervor, dass die gemeinte Bewegung keineswegs homogen und konfliktfrei ist. Eine Differenzierung aus der wissenschaftlichen Forschung aufgreifend, unterscheidet Kraetzer einen puristischen, einen politischen und einen dschihadistischen Salafismus. Davon gilt nur die letztgenannte Form als gewalttätig, sie hat gleichwohl mit den anderen Varianten ideologische Gemeinsamkeiten.

Dazu heißt es: “Die salafistische Ideologie … führt … nicht zwingend zum gewalttätigen Dschihad. Sie lässt diesen Weg aber durchaus zu. Mehr noch: Ihr absoluter Wahrheitsanspruch, das umfassende tauhid-Verständnis und vor allem das auch von Puristen zwar weniger radikal, im Grundsatz aber anerkannte Konzept von al-wala wa-l-bara (‘Loyalität und Distanzierung für Allah’ bzw. ‘Lieben und Hassen für Allah’) lassen diesen Weg zudem als wenig mühsam, sondern eher als sehr leicht zu beschreiten erscheinen” (S. 98).

Das damit einhergehende Gefahrenpotential macht Kraetzer auch anhand der Agitation von Predigern in Deutschland deutlich, wobei vor allem dem Konvertiten Pierre Vogel große Aufmerksamkeit gewidmet wird. So urteilt er etwa: “Wichtige Scharniere für den Weg von einer ‘pazifistischen’ zu einer dschiahadaffinen Salafisten-Gruppierung sind Prediger wie Pierre Vogel” (S. 215). An diesen wie an anderen Stellen verweist der Autor ohne pauschale Schuldzuschreibungen immer wieder auf den Kontext von Ideologie und Taten.

Gerade darin besteht aus seiner Sicht die besondere Gefahr des Salafismus, was anhand einer Fülle von Beispielen anschaulich aufgezeigt wird. Kraetzer hat ein journalistisches, kein wissenschaftliches Buch vorlegt. Gleichwohl präsentiert er eine anschauliche und problemorientierte Gesamtdarstellung zum Thema. Da wechseln sich der Blick auf konkrete Fallbeispiele und Personen mit der Perspektive allgemeiner Beschreibungen und Kommentierungen jeweils ab. Darüber hinaus geht der Autor auch auf Fragen nach der Attraktivität des Salafismus für seine Zielgruppe ein. Hier findet man zwar eher allgemeine Aussagen wie etwa zu Gruppenintegration oder Identitätsstiftung aneinander gereiht. Indessen kann die Forschung in Deutschland mangels einschlägiger Lücken dazu bislang noch nicht mehr sagen. Berücksichtigt man diese Gegebenheiten der Informationslage und die Perspektive des Journalismus, so hat man es in der Gesamtschau mit einer gelungenen Beschreibung und differenzierten Einschätzung zum Thema zu tun.

 

Armin Pfahl-Traughber

 

Ulrich Kraetzer, Salafisten. Bedrohung für Deutschland?, Gütersloh 2014 (Gütersloher Verlagshaus), 288 S., 19,99 Euro.