(hpd) Der Politikwissenschaftler Florian Hartleb legt eine Gesamtdarstellung zum Thema des internationalen Populismus im Sinne einer Bilanz des Forschungsstandes mit vielen Fallbeispielen vor. Das überaus informative und gut strukturierte Werk dürfte die kommende Auseinandersetzung mit dem Thema bezogen auf Konzeptionalisierungen und Problemstellungen begleiten.
Die Bezeichnung “Populismus” findet in der politischen Debatte häufig Anwendung: All zu einfache Forderungen lösen mitunter von Repräsentanten der Regierungsparteien einschlägige Zuschreibungen aus. Betroffene deuten das genutzte Etikett dann gern im Sinne einer artikulieren Stimme des Volkes um. Aber auch in der wissenschaftlichen Publizistik nutzt man den Terminus: Da ist mal von einem “Links-” und “Rechtspopulismus”, einem “National-” und “Sozialpopulismus” oder einem “Populismus von oben” und “von unten” die Rede. Macht es bei diesem Durcheinander in Aussage und Bedeutung, Definition und Typologie überhaupt noch Sinn, von “Populismus” als analytischer und trennscharfer Kategorie zu sprechen? Was meint der Begriff darüber hinaus überhaupt? Dieser Frage geht der Politikwissenschaftler Florian Hartleb in seiner Studie “Internationaler Populismus als Konzept. Zwischen Kommunikationsstil und fester Ideologie” nach. Sie versteht sich dabei gleichzeitig als eine Bilanz des – indessen unterentwickelten – Forschungsstandes.
Nach Ausführungen zur Etymologie des Begriffs geht der Autor auf die Problematik der Konzeptionalisierung des Terminus ein, wobei es in der Forschung allgemein zwei Richtungen gebe: Die “Ideologieschule” sehe im Populismus eine politische Richtung, die “Strategieschule” spreche demgegenüber von einem politischen Stilmittel. Danach erörtert Hartleb die bisherigen Definitionsversuche und liefert selbst folgende Begriffsbestimmung: “Populismus ist eine antagonistische Erscheinung jenseits der gängigen Ideologien, die als Bewegung ‘von oben’ oder ‘unten’ bzw. ‘links’ oder ‘rechts’, oftmals von einem charismatischen Anführer vertreten, mit einem moralisierenden und simplifizierenden Gestus die ‘Stimme des homogen konstruierten Volkes’ den als feindlich begriffenen Eliten gegenüberstellt und dabei durch Abgrenzungsrituale auf das heartland rekurriert” (S. 53). Dieser Erläuterung schließt sich die Erörterung der diversen Dimensionen des Spannungsverhältnisses von einerseits Demokratie und andererseits Populismus an.
Erst danach finden die unterschiedlichen Erscheinungsformen des gemeinten politischen Phänomens in Beschreibung und Einschätzung konkrete Aufmerksamkeit: Es geht um den Links- und Rechtspopulismus in Europa anhand von Parteien wie “Die Linke” oder dem “Front National”, um den Populismus “von oben” mit dem Chavismus und Peronismus in Lateinamerika ebenso wie um den Populismus “von unten” mit der “Occupy”- und “Tea-Party-Bewegung”. Danach stehen die Resonanz bezogen auf Charisma und Digtialpopulismus, Euroskepsis und Islamfeindlichkeit als Agitationsthemen eine Fallstudie zu Österreich und die Antagonismen des Populismus im Zentrum des Interesses. Hartleb bilanziert: “Populismus ist weder ein bloßer Kommunikationsstil (…) noch eine feste Ideologie (…). Seine Natur ist mehrdimensional: technisch (als Politikstil im antielitären Gestus …), inhaltlich (mit der Fokussierung auf bestimmte Themen), medial (besondere Resonanz und Interaktion) und personell (Bedeutung des Charismas)” (S. 220).
Der Autor legt mit seinem Band, der eine neue Reihe mit dem Titel “International Studies on Populism” eröffnet, eine informative und systematische Forschungsbilanz zum Thema vor. Klar arbeitete er Deutungsansätze und Positionen heraus, welche durch die Präsentation in Form von Tabellen noch verdeutlicht und zugespitzt werden. Insofern dürfte der Band ein wichtiges Begleitbuch für zukünftige Forschungen werden. Mit seiner eigenen Begriffsbestimmung will Hartleb ein Art Bilanz zur bisherigen Debatte ziehen. Indessen kann diese Definition auch nicht ganz überzeugen, müssten hierbei doch stärker die Besonderheiten in Form und Inhalt in Kombination mit einer und über eine differenzierungsfähige Typologie entwickelt werden. Es entstehen auch Probleme im Detail: So unterscheidet der Autor extremistische und populistische Parteien (vgl. S. 91). Können aber extremistische Parteien nie populistische Parteien sein? Indessen muss man konstatieren, dass die Forschung hier noch in den “Kinderschuhen” steckt. Hartlebs Studie kann sie stärker ans “Laufen” bringen.
Armin Pfahl-Traughber
Florian Hartleb, Internationaler Populismus als Konzept. Zwischen Kommunikationsstil und fester Ideologie, Baden-Baden 2014 (Nomos-Verlag), 245 S., 44 Euro