Religionsfreie Zone in Köln

KÖLN. (hpd) Bereits zum siebten Mal wurde an einem Karfreitag im Kölner Filmhaus eine Religionsfreie Zone eingerichtet. Wer sich nicht der staatlich verordneten Trauerstimmung anschließen wollte, konnte sich zwei Spielfilme ansehen und mit Gleichgesinnten diskutieren.

 

Während in anderen Städten Veranstaltungen untersagt wurden – zum Beispiel im unterfränkischen Aschaffenburg eine satirische Lesung –, ging in Köln alles ohne behördliche Störungen über die Bühne.

Protest gegen Feiertagsgesetzgebung

Rechtliche Grundlage solcher Verbote sind die Feiertagsgesetze der Bundesländer. In diesen ist geregelt, was an sog. Stillen Tagen wie dem Karfreitag gestattet ist und was unterbleiben muss. Petra Daheim, Landessprecherin des nordrhein-westfälischen Landesverbands des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), erläuterte in ihrer Begrüßungsansprache, was das im einwohnerreichsten Bundesland bedeutet: Der Betrieb von Freizeitanlagen mit tänzerischen oder artistischen Darbietungen und unterhaltende Musikveranstaltungen sind ebenso verboten wie nicht öffentliche fröhliche Veranstaltungen außerhalb von Wohnungen (also etwa eine Geburtstagsfeier in einer Gaststätte). Während der Hauptzeit des Gottesdienstes müssen dann auch ernste Musik, Filme und Vorträge unterbleiben und selbst der Rundfunk hat auf den ernsten Charakter des Tages Rücksicht zu nehmen.

Petra Daheim kritisierte, dass die Landesregierung in NRW in dieser Sache „zuverlässig untätig“ bleibe und verwies auf andere Bundesländer, in denen erste vorsichtige Schritte unternommen würden, das Feiertagsgesetz zu lockern. Selbstkritisch räumte die IBKA-Landessprecherin ein, dass es in der Vergangenheit zwar zunehmend gelungen sei, öffentliche Zustimmung und auch Medienaufmerksamkeit zu erreichen, dass aber die Politik daraufhin nur selten tätig werde. Im Gegenteil sei festzustellen, dass trotz der fortschreitenden Säkularisierung der Gesetzgeber häufig zunächst an die Interessen der Kirchen denke (wie zuletzt bei der Einrichtung einer zentralen Datenbank, die es Banken und Versicherungen ermöglicht, die Konfessionszugehörigkeit ihrer Kunden abzufragen).

Aufhebung des Tanzverbots

Und dann, kurz vor 21 Uhr, wurde das Tanzverbot doch noch aufgehoben – allerdings nur in Bomont und nur auf der Leinwand. Denn als erster Streifen lief der us-amerikanische Musikfilm “Footloose”, der von einem Städtchen im Mittleren Westen erzählt, in dem nach einem Unfall mit Todesfolge alle öffentlichen Tanzveranstaltungen verboten sind. Als ein Jugendlicher aus Chicago zuzieht, beginnt die Auseinandersetzung zwischen christlichen Moralhütern und der Jugend, die der tödlichen Langeweile entkommen will. Am Ende lässt sich sogar der Pfarrer überzeugen und Kevin Bacon kann loslegen…

Auch der Film “Die Nonne” nach einem Roman von Denis Diderot hat gewissermaßen ein Happyend: Suzanne gelingt es, das Kloster zu verlassen. Zuvor wird in intensiven Bildern erzählt, wie die junge Frau als dritte Tochter, für die keine Mitgift mehr da ist, von ihrer Familie ins Kloster gedrängt wird, sich auflehnt und das Gelübde verweigert, schließlich doch nachgibt – aber kaum dass sie den Schleier genommen hat, dafür zu kämpfen beginnt, außerhalb der Klostermauern eine Perspektive zu haben. Regisseur Guillaume Nicloux gelingt es dabei, den über 200 Jahre alten Aufschrei gegen Kirche und Feudalgesellschaft als zeitloses Beispiel für den Kampf eines eigentlich chancenlosen Individuums für Selbstbestimmung zu inszenieren.

Ob es auch in Sachen Feiertagsgesetz ein Happyend geben wird, muss die Zukunft zeigen. Die Anwesenden jedenfalls zeigten sich entschlossen, auch weiterhin gegen religiöse Anmaßungen zu protestieren. Symbolischer Ausdruck dessen war die stets im Rahmen der karfreitäglichen Religionsfreien Zone angebotene “Enttaufung”. Bei dieser Zeremonie wird die Taufe symbolisch aufgehoben, denn nach Auffassung der Kirche stellt diese ein unauslöschliches Merkmal her – sprich: sie kann nicht zurückgenommen werden. In den Allmachtphantasien der Kirche jedenfalls. Im praktischen Leben gibt es dafür seit über 100 Jahren den Kirchenaustritt. Also, geht doch, dann kann es ja mit dem Tanzverbot vielleicht auch noch klappen.

Gunnar Schedel