BERLIN. (hpd) Der Humanistische Pressedienst hat bereits eine erste Rezension zum aktuellen Buch Michael Schmidt-Salomons veröffentlicht. Da das Buch zu den wichtigsten Neuerscheinungen des Jahres gehört, hat sich die Redaktion entschlossen, hier zwei weitere Rezensionen zu veröffentlichen.
Der freischaffende Philosoph Michael Schmidt-Salomon wirft in seinem Buch “Hoffnung Mensch. Eine bessere Welt ist möglich” einen Blick auf die positiven Seiten der Entwicklung des Menschen, woraus er Hoffnung für eine Überwindung einschlägiger gesellschaftlicher Probleme ableitet. Das Buch liefert eine Fülle von einschlägigen Informationen, neigt auch nicht zu einer “Schönschreibung” des Menschen, aber gegen Ende dann doch zu einer all zu pathetischen Heilserwartung.
Ist der Mensch von Natur aus gut oder von Natur aus böse? Diese Frage nach dem positiven oder negativen Menschenbild durchzieht die Geschichte der Philosophie. Mittlerweile lautet eine differenzierte Antwort: “Beides!” – und: es kommt ganz auf die jeweilige Situation an. Diese Auffassung durchzieht auch das Buch “Hoffnung Mensch. Eine bessere Welt ist möglich”, das der freischaffende Philosoph Michael Schmidt-Salomon vorgelegt hat.
Der Vorstand der “Giordano Bruno-Stiftung”, die für einen atheistisch geprägten evolutionären Humanismus eintritt, neigt darin entgegen des Titels keineswegs zu einer naiven Schönschreibung des Menschen. Vielmehr wendet sich der Autor gegen einen Zynismus, der mit Blick auf kulturelle Dekadenzerscheinungen ebenso wie auf schreckliche Menschheitsverbrechen ein pauschales Negativ-Bild zeichnet: “Zyniker zu sein bedeutet, vorauseilend vor der Irrationalität der Welt zu kapitulieren, um sich den eigentlichen Herausforderungen des Menschseins gar nicht erst stellen zu müssen” (S. 8).
Schmidt-Salomons Buch “Hoffnung Mensch” durchzieht demgegenüber die Auffassung, dass der Mensch von seiner Veranlagung her “das mitfühlendste, klügste, phantasiebegabteste, humorvollste Tier auf dem gesamten Planeten” (S. 8) sei. Bevor dafür Belege präsentiert werden sollen, geht der Autor zunächst auf die “Erfahrung des Absurden” (S. 14ff.), die “Ungerechtigkeit der Welt” (S. 29ff.) und die “Widrigkeiten des Lebens” (S. 22ff.) ein. Die Religion sei dafür häufig genug ein Auffangbecken gewesen, wodurch sich auch deren Attraktivität erkläre. Dann skizziert Schmidt-Salamon sein Bild vom Menschen, das ihn aufgrund seiner biologischen Prägung als “der nackte Affe” (S. 55) sieht, daraus aber auch das Plädoyer für einen evolutionären Humanismus im Sinne von Julien Huxley ableitet. Dessen Unterschied zu den metaphysisch-spekulativen Deutungsangeboten der Religionen bestehe darin, dass es sich um die wohl “erste Weltanschauung” handele, “die Hoffnung vermittelt, ohne den Blick auf die Realität zu trüben”(S. 89).
Erst nach diesen Ausführungen geht der Autor auf die Errungenschaften der Menschen ein, die jeweils als “kluges”, “erfinderisches”, “sinnliches” und “ethisches Tier” bezeichnet werden. Hier findet man Ausführungen zu dem Erkenntnisgewinn aus der naturwissenschaftlichen Forschung zur Evolution von Bewusstsein und Sein, den Errungenschaften von Erfindungen vom Faustkeil bis zum Smartphone, zur Kunst im Klang des Lebens der Musik von Klassik bis Rock und zu den Prozessen in Richtung Emanzipation und Fortschritt vom Kampf für Frauengleichstellung bis zur Überwindung der Sklaverei. Die letzten Ausführungen behandeln Problemfelder in der Entwicklung der Menschheit von Armut und Ungerechtigkeit über Demokratiedefizite und Kriminalität bis zu Umwelt- und Wirtschaftsproblemen. Schmidt-Salomon schließt gleichwohl mit der “säkularisierten Fassung eines religiösen Textes” mit einem persönlichen Credo: “Ich glaube an den Menschen Der die Hoffnung der Erde ist Nicht in alle Ewigkeit doch für Jahrmillionen (Amen)” (S. 329f.).
Der Autor leugnet bei aller Wertschätzung des Menschen nicht die Ambivalenzen, heißt es doch bei seinen Ausführungen zur Empathie: “Je empathischer … Gruppen nach innen hin strukturiert sind, desto … grausamer treten sie in der Regel nach außen auf” (S. 228). Insofern handelt es sich tatsächlich um kein idealisiertes oder romantisiertes Menschenbild. In vielen Bereichen kann der Autor in der Tat die erstaunlichen Besserungen durch menschliches Handeln dokumentieren. Verwunderlich ist indessen, dass er der ansteigenden Akzeptanz von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit nicht eine gebührend hohe Aufmerksamkeit widmet. Seine Darstellungen und Interpretationen sind nicht neu und den Kennern der Materie wohl bekannt. Gleichwohl findet man hier eine gute Bilanzierung. Indessen geht sie vor allem gegen Ende mit einer allzu großen Heilsrhetorik und einem stark überhöhten Sendungsbewusstsein einher, wobei gelegentlich auch die Grenze zum Kitsch überschritten wird. Eine derartige Rhetorik sollte den Religiösen überlassen bleiben.
Armin Pfahl-Traughber