BERLIN. (hpd) Zu Gast beim Humanistentag 2014 in Regensburg war auch Sonja Eggerickx, die Präsidentin der International Humanist and Ethical Union (IHEU). Am Vormittag des zweiten Tages hielt sie eine Rede, die der hpd hier komplett dokumentiert.
Liebe FreundInnen,
Es freut mich sehr, dass ich heute hier bei Euch sein kann, wenn auch nur kurz – zu kurz, wie ich finde. Leider kann ich allerdings nicht länger bleiben, da ich als Vorsitzende der IHEU am Sonntag nach Philadelphia fliege, wo sich der Vorstand der IHEU trifft, unter anderem, um die letzten Vorbereitungen zu treffen für unseren Kongress in Oxford.
Wir sind dort in Amerika auch zu Gast auf der großen Konferenz der American Humanist Association (AHA), einer Organisation, die es bemerkenswert findet, was wir hier in Europa bisher erreicht haben für HumanistInnen, FreidenkerInnen und andere ‚freie Geister‘, und die findet, dass sie hiervon noch einiges lernen kann.
Deshalb fällt mein Besuch hier bei Euch also leider arg kurz aus. Aber ich komme bestimmt noch einmal wieder, ins schöne Regensburg. Wer übrigens dachte, dass HumanistInnen keine Vorurteile haben, hat sich getäuscht: bis vor ein paar Jahren war ich davon überzeugt, dass Bayern und freies Denken eine ‘contradictio in terminis’ waren. Zum Glück weiß ich es mittlerweile besser, wenngleich Ihr mir anderseits deutlich gemacht habt, dass es auf dieser Ebene noch einiges zu tun gibt für Euch hier in Bayern …
Als Vorsitzende der IHEU bin ich Euch sehr dankbar für Eure Einladung, um hier auf den Humanistentagen zu sprechen. Ich finde es nämlich sehr wichtig, dass Menschen, die hart daran arbeiten, den Säkularismus und den Humanismus sichtbar zu machen in ihrer Stadt, ihrer Region oder ihrem Land, deutlich zu machen, dass es überall auf der Welt Menschen gibt mit den gleichen Idealen, die es damit zum Teil noch viel schwerer haben in ihrer jeweiligen Umgebung …
“Die IHEU ist die einzige weltweite Dachorganisation von humanistischen, atheistischen, rationalistischen, säkularen, skeptischen, laizistischen, ethisch-kulturellen, freidenkerischen und ähnlichen Organisationen weltweit. 1952 in Amsterdam gegründet, ist unsere Vision eine humanistische Welt, in der die Menschenrechte respektiert werden und jeder ein würdiges Leben führen kann. Wir arbeiten daran, eine weltweite humanistische Bewegung aufzubauen, die Menschenrechte verteidigt und humanistische Werte weltweit friedlich verbreitet.
Die Zentrale sitzt heute in London, und die IHEU ist eine internationale Nichtregierungsorganisation (NRO) mit Vertretung bei zahlreichen Gremien der Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen. Wir versuchen, die internationale Politik durch Repräsentation und Information zu beeinflussen, ein humanistisches Netzwerk aufzubauen und der Welt die humanistische Weltanschauung nahe zu bringen.”
Auf den Menschen kommt es an, der Mensch ist der einzige Sinngeber seiner Existenz, nicht in einem ‘luftleeren Raum’, sondern innerhalb des sozialen Rahmens, in dem er/sie sich bewegt. Als Mensch haben wir schließlich einen Auftrag gegenüber unseren Mitmenschen: wir sind nicht nur uns selbst gegenüber verantwortlich, sondern auch gegenüber den Menschen um uns herum, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht und ihren Überzeugungen. Wir müssen danach streben, für alle Menschen in gleichem Masse Autonomie und Menschenrechte zu verwirklichen. Das Problem ist natürlich, dass wir nicht einfach in einem naiven Sinn tolerant sein sollten: wir müssen fortwährend abwägen, wie weit die Toleranz gehen kann und soll. Und da kommt die Vernunft ins Spiel.
FreidenkerInnen, HumanistInnen und andere ‘freie Geister’ berufen sich nicht auf außer- oder übernatürliche Kräfte, um ihrem Leben Sinn, Richtung, Form und Inhalt zu geben. Aber zusammenleben mit anderen erfordert einige Anstrengungen, und einiges an Engagement. Als frei denkende Menschen und HumanistInnen haben wir keine heiligen Bücher, sondern stützen wir uns auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Von dort aus müssen wir an einer besseren Gesellschaft arbeiten, in fortwährendem Dialog miteinander und Rücksichtnahme aufeinander, auf der Basis der Universellen Erklärung der Menschenrechte und im Bewusstsein, dass neue Einsichten auf technologischer und wissenschaftlicher Ebene auch unser Weltbild verändern und weiter entwickeln. Ein Weltbild mit Respekt für die jeweiligen Besonderheiten, Traditionen und dergleichen, wo auch immer auf dieser Welt. In den kommenden Tagen werdet Ihr noch viel mehr darüber hören und erfahren, wie es in dieser Welt zugeht, in der wir Humanistinnen und Humanisten noch stets in der Minderheit sind.
HumanistInnen und andere frei denkende Menschen arbeiten auf der ganzen Welt daran, anderen zu zeigen, dass wir uns basieren auf einem Rahmen positiver Werte, dass wir hoch entwickelte ethische Maßstäbe hantieren und keine Sonderrechte einfordern, sondern nur dafür eintreten, “normal” leben zu dürfen, gemäß unseren eigenen Auffassungen. Darum setzen wir uns auch ein für ein Recht auf Abtreibung, ein Recht auf ein Lebensende in Würde, ein Recht auf Lebensbeendigung, wobei wir dabei stets davon ausgehen, dass niemand hierzu verpflichtet werden kann …
Menschen bestehen jedoch aus mehr als nur ihrem Verstand allein. Darum dürfen wir als HumanistInnen auch unsere emotionale Seite nicht vernachlässigen. Hierbei kann auch Kunst uns helfen, in ihren verschiedenen Formen. Ich finde es dann auch großartig, dass während der Humanistentage auch Zeit und Raum ist für verschiedene Arten von Musik. Denn als soziale Wesen sind wir nicht anders als andere: wir feiern miteinander, trauern miteinander, mit oder ohne Rituale, auch darin sind wir frei.
Schon seit Jahren beklage ich mich darüber, dass HumanistInnen und andere freie Geister mitunter die Neigung haben, todernst durchs Leben zu gehen. Ernste Lesungen, tiefschürfende Diskussionen, schwere philosophische Gedankengänge … Darf vielleicht auch einmal gelacht werden? Humor kann uns helfen, bestimmte Situationen besser zu verstehen, Spannung zu entladen, und einfach einmal zu lachen, und sich gut zu fühlen. So erinnere ich mich an den Film über Darwin und die Evolutionstheorie von der Giordano Bruno-Stiftung: in jedem Falle eine sehr gelungene Art und Weise, Kindern nahezubringen, dass Wissenschaft schön sein kann und Spaß machen kann.
Lasst Menschen, die sich gut fühlen in ihrem Glauben an eine höhere Kraft, die Trost finden in einer solchen Kraft, das Recht, so zu denken. Lasst uns uns jedoch dann wehren, wenn sie uns oder anderen ihre Ideen aufdrängen wollen. Freie Meinungsäußerung ist eine Notwendigkeit, die Möglichkeit, bestimmte Auffassungen zu kritisieren, ebenso. Und wie es sich dem Freedom of Thought Report zu entnehmen ist, der kürzlich veröffentlicht wurde, gibt es momentan 14 Länder auf dieser Welt, in der man die Todesstrafe riskiert, lauter weil man Atheist ist.