Al Gores Betrachtungen zu Problemen der Zukunft

(hpd) Der ehemalige US-Vizepräsident und spätere Friedensnobelpreisträger Al Gore behandelt in seinem neuen Buch “Die Zukunft. Sechs Kräfte, die unsere Welt verändern” neuere globale Entwicklungen im Sinne einer Gefährdung. Dabei ist er aber weniger Analytiker und mehr Beschreiber und setzt außerdem trotz Kritik an den politischen Gegebenheiten in den USA auf die internationale Führungsmacht seines Landes.

Eigentlich gewonnen und doch verloren – dieser Gedanke kam längere Zeit bei der Nennung des Namen von Al Gore auf. Der ehemalige Vizepräsident der USA in der Regierungszeit von Bill Clinton kandidierte 2000 selbst um das Amt des Präsidenten, erhielt auch die meisten Stimmen, aber weniger Wahlmänner-Stimmen als sein Konkurrent George W. Bush. Danach zog sich Gore zwar aus der Parteipolitik, aber nicht aus der Politik selbst zurück. Er nutzte vielmehr seine öffentliche Bekanntheit, um vor den dramatischen Gefahren des weltweiten Klimawandels u.a. auch mit seinem Dokumentarfilm “Eine unbequeme Wahrheit” zu warnen. Dieses Engagement brachte ihm sowohl den Friedensnobelpreis wie einen Oscar ein. Gores neuestes Buch “Die Zukunft. Sechs Kräfte, die unsere Welt verändern” steht in der Kontinuität dieses öffentlichen Wirkens. Er will darin die wichtigsten Triebkräfte des globalen Wandels und deren Interagieren und Konvergieren aufzeigen, aber hierbei gleichzeitig die Einflussnahme menschlichen Handelns darauf erörtern.

Es geht demnach auch, aber nicht nur um die Gefahren der globalen Erwärmung. Gore spricht von folgenden Entwicklungen: erstens, “der Herausbildung einer stark vernetzten globalen Wirtschaft, die … als vollständig integriertes ganzheitliches Gebilde agiert”, zweitens, “der Entstehung eines globalen elektronischen Kommunikationsnetzes, das Milliarden von Menschen … miteinander verbindet”, drittens, “der Entstehung einer völlig neuen Balance politischer, wirtschaftlicher und militärischer Macht in der Welt, die sich radikal von der Situation in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unterscheidet”, viertens, von “einem schnellen, nicht nachhaltigen Wachstum der Bevölkerung, der Städte, des Verbrauchs von Ressourcen …, der Umweltverschmutzung sowie der wirtschaftlichen Produktionsleistung”, fünftens, “der Entwicklung revolutionärer Techniken in der Biologie, der Biochemie, der Genetik und der Materialwissenschaft” und sechstens, “der Herausbildung einer radikal neuen Beziehung zwischen der menschlichen Zivilisation und den Ökosystemen der Erde” (S. 12f.).

Dabei präsentiert Gore weder naiven Optimismus noch übertriebene Panikmache. Mit Hinweisen auf unterschiedliche Berichte und Studien zeigt er Gefahren, aber auch Möglichkeiten der Entwicklung in Richtung der Zukunft auf. Die behandelten Themen reichen dabei von dem Anstieg sozialer Ungleichheit und dem Bedeutungsverlust der Nationalstaaten, der Dominanz der Unternehmermacht und den Erkenntnissen der Biowissenschaften, der Fettleibigkeit von Kindern und der Leistungsfähigkeit von Robotern bis zur Verdrängung von Pflanzenarten und zum Verlust der Führungsmacht der USA. Insofern hat man es mit einem informativen und kenntnisreichen Problemaufriss zur globalen Entwicklung zu tun. Gore betont dabei offen Defizite und Verantwortlichkeiten, die in seinem Land zu sehen sind. So spricht er etwa vom “Vordringen des großen Geldes in den demokratischen Entscheidungsprozess”, womit “das Schrumpfen der demokratischen Sphäre und die Erweiterung der Sphäre des Marktes” (S. 166) verbunden gewesen sei.

Derartige Auffassungen findet man an nicht wenigen Stellen seines Buches, wobei sie im offenkundigen Widerspruch zu einer anderen Position stehen. Gore fordert immer wieder für die Welt die “intelligente, klare, wertorientierte Führung durch die USA” (S. 24) ein. Doch wie soll dies dort angesichts der so dominierenden “Rolle des Geldes in der Politik” (S. 495) möglich sein? Offenkundig dominiert mitunter allzu sehr nicht der Analytiker, sondern der Patriot. Dies muss kein zwingender Gegensatz sein, könnten die entsprechenden Potentiale in Gesellschaft und Staat der USA aufgezeigt werden. Mit dem Präsidenten Obama verbanden sich einst solche Ansätze, die er aber auch als “mächtigster Mann der Welt” aufgrund seiner Abhängigkeiten und Einschränkungen in einem ganz anders ausgerichteten System allenfalls in leichten Ansätzen realisieren konnte. Gore hätte in seinem Buch, das auch ansonsten weniger eine Analyse und mehr eine Beschreibung ist, gerade als ehemaliger Politiker dem eine größere und kritischere Aufmerksamkeit schenken können.

 


Al Gore, Die Zukunft. Sechs Kräfte, die unsere Welt verändern, München 2014 (Siedler-Verlag), 624 S., 26,99 Euro