Urteile im Namen des Kreuzes?

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Münchner Justizpalast
Münchner Justizpalast

MÜNCHEN. (hpd) Einem Prozessbeobachter im Landgericht München fällt auf, dass der einzige Schmuck im Verhandlungsraum ein Holzkreuz ist, das hinter dem Richtertisch hängt. In einem Brief fragt er daraufhin den bayerischen Ministerpräsidenten, in wessen Namen dort Recht gesprochen wird.

“Im ganzen Saal kein weiterer Schmuck, nirgends ein Emblem unseres Staates, weder von Deutschland noch von Bayern, auch kein Bild. Nur dieses Kreuzsymbol an der Stirnwand. So war es in allen Verhandlungsräumen, in die ich hineingeschaut habe.” Das verwunderte den Mediziner Dr. Klussmann, ist doch das Kreuz nicht das Symbol des Staates, in dessen Namen hier Recht gesprochen wird, sondern das der katholischen Kirchen.

So fragt er den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und den bayerischen Justizminister Prof. Dr. W. Bausback in einem Brief: “In wessen Namen wird hier also Recht gesprochen? Im Namen der Bibel? Des Alten Testaments: ‘Auge um Auge, Zahn um Zahn?’ Oder des Neuen Testaments: ‘Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein?’ Was soll so ein Kreuz in einem deutschen Gerichtssaal?”

Vor Gericht, so Dr. Klussmann, geht es eben nicht darum, ob wer und was glaubt, sondern “um harte Fakten: Wer hat wo was wie getan, womit und warum?” Und die Antworten darauf kann ein Blick in die “Heiligen Bücher” wohl eher nicht bringen. Gesetze sind da die bessere Wahl.

Schon allein der Gedanke an das, was die Kirchen unter “Rechtskultur” verstehen könnten, ist für den Absender des Briefes eine Horrorversion; er nennt sie “Willkür-Tradition.” “Die Rechts-Geschichte der Kirche ist ein einziger Horror: Doppelmoral, Habgier, Betrug, Erpressung und Mord bis zum Völkermord. Siehe z. B. sog. ‘Konstantinische Schenkung’, den Mord an Jan Hus trotz Zusage des freien Geleits, Inquisition und Hexenprozesse.”

Kreuze haben schon deshalb nichts in Gerichtssälen zu suchen, weil die “katholische Kirche unsere Gesetze nicht respektiert. Die Gleichberechtigung der Frauen, das Recht auf Scheidung” und auch der Umgang mit Homosexualität werden als Beispiele genannt. “Ein deutsches Gericht muss aber diese Gesetze bedingungslos vertreten. Wieso dann diese irreführenden Kreuze im Gerichtssaal? Verstoßen die nicht sogar gegen unser Grundgesetz, Artikel 3,3? ‘Niemand darf wegen seiner religiösen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden’ heißt es da.”

Er fasst zusammen: “Deutschland ist eine Demokratie. Die katholische Kirche dagegen eine totalitäre, absolutistische Organisation” und stellt infrage, dass es der Demokratie angemessen sei, unter dem Symbol einer solchen absolutistischen Organisation Recht zu sprechen. Zudem haben die führenden Kirchenfürsten nicht der Demokratie gegenüber, sondern “dem Papst, dem Chef eines totalitären Staates, Gehorsam geschworen. Wie verträgt sich das” fragt Dr. Kussmann, “mit ihrem Eid auf unsere demokratische Verfassung”, den die Richter ablegen müssen?

Zu guter Letzt stellt Dr. Kussmann die Frage: “Ganz entscheidend ist aber die Frage, was ein muslimischer Mitbürger empfindet, der vor so einem Richter mit christlichem Kreuz im Nacken steht? Oder wird das Kreuz dann abgehängt? Auch bei Juden und Atheisten? Haben Sie einmal darüber nachgedacht, Herr Ministerpräsident, wie Sie z. B. Muslimen klarmachen wollen, dass das Grundgesetz über dem Koran steht, dass unsere Gesetze Vorrang haben vor ihren Traditionen, wenn andererseits so ein religiöses, christliches Symbol in unseren Gerichtssälen hängt?”

Eine Antwort auf den Brief steht bisher aus - allerdings hat Herr Seehofer bereits mitgeteilt, dass sich der Innenminister darum kümmern soll.
Wir sind gespannt.