Diskriminierungsverbot gilt auch für die Evangelische Kirche!

Die Humanistische Union e. V. kritisiert das Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 12. Januar 2022 zur Nicht-Einstellung eines Juristen aufgrund fehlender Kirchenmitgliedschaft.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachen wies als Berufungsinstanz die Klage eines Juristen ab, der mangels Kirchenmitgliedschaft im August 2018 nicht zum Auswahlverfahren für eine Leitungsstelle im Kirchenamt der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) eingeladen worden war. Deshalb hatte er vor dem Arbeitsgericht Hannover Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wegen Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit beantragt. Das Gericht wies seine Klage jedoch in erster Instanz ab.

Der Jurist hatte sich auf die ausgeschriebene Stelle eines Volljuristen als Elternzeitvertretung "für die Leitung des Referates Grund- und Menschenrechte, Europarecht in der Rechtsabteilung des Kirchenamts der Evangelischen Kirche Deutschland sowie im Referat Recht im Amtsbereich der Union Evangelischer Kirchen, UEK" beworben. Laut Stellenanzeige wurde von Bewerber:innen auch die Zugehörigkeit zu einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland gefordert. Der Jurist ist jedoch nicht Mitglied in einer evangelischen Gliedkirche. Nach Erhalt der Bewerbungsunterlagen des Juristen, der die weiteren Profilanforderungen erfüllte, forderte die Evangelische Kirche Deutschland ihn zum Nachweis über seine Kirchenmitgliedschaft auf. Nachdem er der EKD mitgeteilt hatte, dass er kein Kirchenmitglied sei, teilte sie ihm wiederum mit, dass er bei der Stellenbesetzung nicht berücksichtigt werden könne.

In diesem Rechtsstreit geht es im Wesentlichen darum, ob die Leitungsstelle im Kirchenamt eine Stelle ist, für die die EKD noch Kirchenzugehörigkeit verlangen darf. Der Europäische Gerichtshof und ihm folgend das Bundesarbeitsgericht entschieden nämlich 2018 im Fall Egenberger, dass die Religionsgemeinschaften nur dann eine Religionszugehörigkeit der Mitarbeitenden verlangen dürfen, wenn diese für die Tätigkeit "wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist". Diese Anforderungen können erfüllt sein – so EuGH und BAG – wenn es sich um eine Position in leitender Stelle handelt, die die kirchliche Organisation nach außen vertritt.

"Warum die Leitung des Referates Grund- und Menschenrechte, Europarecht in der Rechtsabteilung des Kirchenamtes der EKD die Mitgliedschaft in der Evangelischen Kirche erfordern soll, ist nicht zu verstehen", sagt Dr. Kirsten Wiese für den Bundesvorstand der Humanistischen Union.

Die Humanistische Union setzt sich seit Jahrzehnten für die Abschaffung des kirchlichen Sonderarbeitsrechts in Deutschland ein. Die zweifellos gebotene religiöse Bindung von Leitungspositionen und Stellen im verkündungsnahen Bereich kann – wie bei allen anderen Tendenzbetrieben (etwa Parteien und Nichtregierungsorganisationen) – durch das allgemeine für alle geltende Arbeitsrecht gewährleistet werden. Dr. Kirsten Wiese, Beauftragte für Religionspolitik des Bundesvorstandes, weist auf den Wortlaut von Art. 137 Absatz 3 der Weimarer Reichsverfassung hin, der im Grundgesetz übernommen wurde. Danach gilt: "Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes." Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz muss auch deshalb in kirchlichen Arbeitsverhältnissen im vollen Umfang gelten, weil der Staat die Kosten fast aller kirchlichen Einrichtungen trägt.

Hinweis: Eine (schriftliche) Begründung des Urteils des Landesarbeitsgerichts Hannover liegt noch nicht vor.

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