Willensbildung in der Partei "Die Linke"

(hpd) Die beiden Politikwissenschaftler Torsten Oppelland und Hendrik Träger analysieren in ihrer Studie “Die Linke. Willensbildung in einer ideologisch zerstrittenen Partei” die internen Auseinandersetzung innerhalb der genannten Partei. Dabei arbeiten sie gut einschlägige Mechanismen heraus, betten aber die Untersuchung nicht stärker in eine besondere erkenntnisleitende Fragestellung ein.

Definiert sich eine Partei mehr über die Gesinnung und weniger über die Realität, so hat dies Folgen für ihre interne Entwicklung wie für ihre politische Resonanz. Diese Einsicht kann man – unabhängig von der jeweiligen Bewertung – gut anhand der Partei “Die Linke” verdeutlichen. Sie gilt den Politikwissenschaftlern Torsten Oppelland und Henrik Träger als Klassen-, Regional-, Sammlungs- und Weltanschauungspartei.

In ihrem Buch “Die Linke. Willensbildung in einer ideologisch zerstrittenen Partei” wollen sie die Frage in den Mittelpunkt stellen, “wie DIE LINKE mit diesem diffusen Charakter, mit der großen innerparteilichen Heterogenität und den verschiedenen historisch-kulturellen Traditionen umgeht und wie die innerparteiliche Willensbildung in einer solchen Partei funktioniert” (S. 16). Deren Besonderheit bestehe darin, dass sie von der Regierungsbildung auf nationaler Ebene und meist auch auf Länderebene ausgeschlossen sei. So habe sie sich im Sinne von Max Weber zu einer “Weltanschauungspartei” entwickelt.

Um die Bedeutung dieses Gesichtspunktes zu veranschaulichen, gehen die Autoren zunächst ausführlich auf die historische und programmatische Entwicklung ein. Hierbei ist ihre Darstellung im Sinne einer Beschreibung ausgerichtet, eine genauere Analyse der inhaltlichen Positionierung etwa im demokratietheoretischen Sinne findet man dort nicht. Erst danach steht der interne Willensbildungsprozess im Zentrum des Interesses, wobei es nacheinander um die innerparteilichen Akteure, die Konflikte in einer ideologisch gespaltenen Partei und die Integration in einer ideologisch gespaltenen Partei geht.

Oppelland und Träger machen drei Modi der Willensbildung aus: erstens, “eine von der Führung dominierte, mindestens aber stark beeinflusste Willensbildung”, zweitens, eine “Einigung auf ‘Formelkompromisse’ in indirekten Verhandlungen zwischen den Parteiflügeln” und drittens, “der offene Konflikt zwischen den Strömungen, der auf Parteitagen immer dann eintritt, wenn die Führung schwach und die Parteilager (sich) nicht vorab auf Kompromisse” (S. 180f.) einigen.

Danach behandeln die Autoren noch die Strategien und Wählerpotentiale der Partei: Dabei geht es zunächst um die Entwicklung der Wählerstruktur mit den Änderungen der sozialen Zusammensetzung. Dem folgend erörtern Oppelland und Träger die externen und internen Bedingungen für Wahlerfolge und –niederlagen. Und schließlich behandeln sie noch das Verhältnis zu SPD und Grünen als einziger Machtbeteiligungsoption. Bezogen auf ihren Status heißt es: “Integration ist insofern gegeben, als der damaligen PDS trotz ihrer Vergangenheit als SED-Nachfolgepartei nie die rechtliche Gleichberechtigung, etwa die Zulassung zu Wahlen und selbst die Position eines Bundestagsvizepräsidenten …. verwehrt worden ist. Negativ ist die Integration aber insofern, als sie damals von den meisten in der PDS nicht gewollt worden war, aber auch weil die Partei in den alten Ländern einschließlich der nationalen Politikebene bis heute als LINKE isoliert geblieben ist und nicht als politik- und koalitionsfähiger Akteur akzeptiert wird” (S. 229).

Oppelland und Träger legen eine überaus informative und kenntnisreiche Arbeit zum Thema vor. Sie gliedern ihren Stoff systematisch, wodurch der Band auch den Charakter eines Nachschlagewerks erhält. Indessen bleibt ihre Fragestellung etwas unklar bzw. wird nicht konsequent umgesetzt. Eigentlich sollte es ja um die Willensbildung in der Partei gehen, dazu findet man aber nur ein großes Kapitel während zwei weitere große Kapitel anderen Themen (Geschichte, Wählerpotentiale) ohne direkten Bezug zur Willensbildung gewidmet sind.

Reizvoll ist der einleitende Rekurs auf eine Auffassung von Max Weber, wonach die fehlende Teilnahme von Parteien an der Macht im Kaiserreich zur Herausbildung von Weltanschauungsparteien ohne politische Verantwortung geführt habe. Kann man diese Auffassung tatsächlich allzu einfach auf die Partei “Die Linke” übertragen? Hierdurch erhalten ideologische Differenzen in der Tat mehr Raum. Indessen bleibt ein wenig unklar, welchen Erkenntnisgewinn bezogen auf Konsequenzen diese Einsicht bringt.

 


Torsten Oppelland/Henrik Träger, Die Linke. Willensbildung in einer ideologisch zerstrittenen Partei, Baden-Baden 2014 (Nomos-Verlag), 263 S., 19,90 Euro