Ein Fall für sich: 
Die Limburger Bistumsbilanz

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BERLIN. (hpd) Durch Buchhaltungstricks hat das Bistum Limburg in seinem Jahresabschluss 2013 beim operativen Ergebnis statt eines Überschusses von 13 Millionen Euro ein Defizit von 59 Millionen ausgewiesen. Dazu wurden die laufenden Aufwendungen durch eine einmalige Umbuchung bei den Pensionsrückstellungen um 60 Millionen erhöht, zudem wurden die laufenden Erträge um 11 Millionen verringert, indem Kirchensteuer in das neutrale Ergebnis verschoben wurde.

Nachdem in Teil 1 das Eigenkapital und in Teil 2 die Ertragslage deutscher Bistümer analysiert wurden, nimmt Matthias Krause in Teil 3 seiner Analyse den Jahresabschluss des Bistums Limburg genauer unter die Lupe.

Aus Sicht der Limburger Bistumsverantwortlichen muss die Veröffentlichung der Bistumsbilanzen ein voller Erfolg gewesen sein. So meldete der “seriöse” Deutschlandfunk: “Das Bistum hat den Angaben zufolge im vergangenen Jahr 191 Millionen Euro Kirchensteuern eingenommen. Die Ausgaben übertrafen demnach die Einnahmen um fast 59 Millionen Euro. Dies wurde durch Rücklagen und Erträge der Finanzanlagen ausgeglichen. ‘Die Kirche muss lernen, umfassend Rechenschaft über das Geld abzulegen, das ihr von den Mitgliedern anvertraut wird’, sagte der stellvertretende Übergangsverwalter der Diözese, Wolfgang Rösch. ‘Das wichtigste Kapital der Kirche ist das Vertrauen der Menschen.’”

Beim Deutschlandfunk ist das Vertrauen in die Kirche offenbar immer noch völlig ungetrübt. Sonst hätte sich dort vielleicht mal jemand gefragt, wie plausibel es ist, dass ausgerechnet im deutschen Bistum mit dem höchsten Pro-Kopf-Kirchensteueraufkommen die Ausgaben die Einnahmen um knapp 60 Millionen Euro übersteigen sollen. Das entspricht immerhin den Kosten für zwei 30-Millionen-Residenzen.

Man fragt sich, was noch passieren muss, bis Journalisten kirchliche Informationen nicht mehr völlig unkritisch übernehmen. Das 59-Millionen-Defizit in der Limburger Ergebnisrechnung kommt nicht daher, dass die Ausgaben höher waren als die Einnahmen, sondern daher, dass man ein Defizit präsentieren wollte. Es ist ein Ergebnis der speziellen Limburger Rechnungslegung. Jedes andere deutsche Bistum, das Jahresabschlüsse veröffentlicht, hätte beim gleichen Sachverhalt einen Überschuss ausgewiesen.

Fehlender Ausweis des Eigenkapitals

Wie in Teil 1 erwähnt, war das Bistum Limburg Vorreiter unter den deutschen Bistümern, als es 2003 den Umstieg von der Kameralistik auf die Doppik wagte. Zuvor musste es ein Konzept erarbeiten, um die kaufmännische doppelte Buchführung an die Belange der Kirche anzupassen. Denn bei einem Bistum wird nicht gewinnorientiert gearbeitet, sondern ein Haushalt bewirtschaftet. In Teil 2 wurde erklärt, dass dies zu zwei Sichten auf die wirtschaftliche Situation des Bistums führt: Zum Einen die “doppische” Sicht, die “ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage” vermitteln soll, und zum Anderen die “haushälterische” Sicht, bei der es darum geht, das Aufkommen an Finanzmitteln unterschiedlichen Zwecken zuzuweisen. Finanzmittel, die für Folgejahre vorgesehen sind, gelten im Haushalt bereits als verbraucht, obwohl sie noch gar nicht ausgegeben wurden.

Offenbar ist man bei den Bistümern Limburg und Speyer der Auffassung, es sei sachgerecht, die im Haushalt bereits verplanten (oder zumindest bestimmten Zwecken zugewiesenen) Beträge nicht mehr im Eigenkapital, sondern getrennt davon auszuweisen, um den tatsächlichen finanziellen Spielraum des Bistums besser darzustellen. Die folgende Darstellung zeigt links die vom Bistum Limburg veröffentlichte Gliederung, rechts eine HGB-konforme Gliederung.

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Dass die HGB-konforme Gliederung allerdings für kirchliche Zwecke ebenfalls geeignet ist, ergibt sich bereits daraus, dass die Bistümer Hildesheim, Essen, Trier, und wahrscheinlich auch Hamburg (das keine Bilanzen veröffentlicht, sondern nur “Gewinn- und Verlustrechnungen”) für ihre Jahresabschlüsse einen HGB-konformen Ausweis gewählt haben. Man sieht auch sofort, dass das HGB-Schema exakt dieselben Informationen liefert: Das “Kapital” ist rechts genau so gut erkennbar wie links. Es gibt nur einen Unterschied: Im HGB-Schema wird der Gesamtwert des Eigenkapitals – der auch zum Vergleich mit den anderen Bistümern benötigt wird – direkt als Summe ausgewiesen.

Die Limburger Bilanz tut dies nicht. Außerdem ist an der Limburger Darstellung zu bemängeln, dass der dort gewählte Begriff “Kapital” allzu leicht mit dem (doppelt so hohen) “Eigenkapital” verwechselt werden kann, insbesondere von Unkundigen. Zu den Anforderungen an Jahresabschlüsse zählt nicht nur, dass sie “wahr” sein müssen (“Bilanzwahrheit”), sondern sie müssen auch “klar” sein (“Bilanzklarheit”). Die Limburger Darstellung wird der Anforderung nach Bilanzklarheit nur eingeschränkt gerecht.

Niedrigeres Eigenkapital durch höhere Pensionsrückstellungen

Aus den Erläuterungen zur Limburger Bistumsbilanz (S. 20) geht hervor, dass bei der Bewertung der Pensionsrückstellungen von der HGB-konformen Bewertung abgewichen wurde. Als Grund wird angeführt, dass bei den derzeitigen Niedrigzinsen die Pensionsrückstellungen nach HGB nicht für die späteren Ansprüche ausreichen: “Bei der Bemessung der Rückstellungen des Versorgungsfonds (Altersversorgungs- und Beihilfeverpflichtungen) geht das Bistum über die handelsrechtlichen Vorschriften … hinaus.”

Was in den Erläuterungen so gewissenhaft klingt (dann man nämlich “über die handelsrechtlichen Vorschriften hinaus” geht) bedeutet nichts anderes, als dass die Pensionsrückstellungen um 60 Mio. höher bewertet wurden als nach dem Handelsrecht zulässig. Dadurch verringert sich das ausgewiesene Eigenkapital sich im Gegenzug ebenfalls um 60 Mio. Euro. Dies erschwert den Vergleich mit anderen Bistümern. Kein anderes Bistum weicht bei seiner Bilanzierung in dieser Weise vom HGB ab.

Was allerdings nicht heißt, dass der Problematik andernorts nicht Rechnung getragen würde. Dass es auch HGB-konform geht, zeigt das Bistum Hildesheim: Dort wurde zusätzlich zu den (HGB-konform bewerteten) Pensionsrückstellungen eine Versorgungsrücklage gebildet, die (wie gemäß HGB alle Rücklagen) Bestandteil des Eigenkapitals ist und dessen Höhe dadurch nicht beeinflusst. Um die Bilanz des Bistums Limburg HGB-konform und somit vergleichbar zu machen, sind daher die Pensionsrückstellungen um 60 Mio. Euro zu vermindern und die Rücklagen um denselben Betrag zu erhöhen:

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Außer den überhöhten Pensionsrückstellungen verfügt das Bistum übrigens zusätzlich noch über eine Versorgungsrücklage von 7,6 Mio. (“Satzungsgemäße Rücklage”, S. 28). Die Pensionen im Bistum Limburg wären also selbst bei noch niedrigeren Zinsen sicher.

60 Millionen zu hohe Aufwendungen

Bis 2012 verfuhr das Bistum Limburg wie das Bistum Hildesheim HGB-konform und wies das Extra-Kapital zur Absicherung der Pensionsansprüche komplett als Versorgungsrücklage aus. Irgendwann vor der Erstellung des Jahresabschlusses 2013 kam man dann offenbar auf den Gedanken (warum nur?), stattdessen die Pensionsrückstellungen nach oben anzupassen (s. o.). Obwohl es sich dabei laut Finanzbericht (S. 35) “um eine reine Umschichtung von Mitteln innerhalb des Versorgungsfonds von den Rücklagen zu den Rückstellungen” handelte, entschied man sich, diese reine Umschichtung “aus Gründen der Transparenz” in der Ergebnisrechnung als Einmalaufwand innerhalb der laufenden Aufwendungen auszuweisen. Die Gegenposition versteckt sich in der Ergebnisrechnung dort, wo eigentlich “Veränderungen der Rücklagen aus Budgetresten” ausgewiesen werden sollen. Bei genauer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass in dem Saldo für Budgetreste nicht nur die Veränderungen der Budgetreste enthalten sind, sondern auch “u.a.”. Mit “u.a.” ist offenbar die Entnahme aus der Versorgungsrücklage in Höhe von 60 Mio. gemeint. Die tatsächlichen Entnahmen aus Budgetresten machen nur 15 Mio. aus, ein Fünftel des dafür ausgewiesenen Betrages.

Der Bilanzklarheit dient das nicht gerade.

Durch die vom HGB, den anderen Bistümern und selbst der bisherigen Limburger Praxis abweichende Erhöhung der Pensionsrückstellungen und die Verbuchung dieses einmaligen Effekts bei den laufenden Aufwendungen kommt in der Ergebnisrechnung des Bistums Limburg (S. 32–33) das negative operative Ergebnis (I) von minus 59 Mio. zustande. Ohne diesen Effekt hätte das operative Ergebnis (I) stattdessen bei plus 1,5 Mio. gelegen.

11 Millionen zu wenig Kirchensteuer in der Ergebnisrechnung

Obwohl der Finanzbericht des Bistums Limburg bei der Darstellung zur Verwendung der Kirchensteuer (S. 38–39) korrekt den dem Bistum zustehenden Betrag von 191 Mio. ausweist, werden in der Ergebnisrechnung bei den laufenden Erträgen unter „Kirchensteuer“ nur 180 Mio. – also 11 Mo. weniger – ausgewiesen.

Die 191 Mio. ergeben sich aus dem Brutto-Kirchensteueraufkommen von 204 Mio. €, von dem “Clearing-Vorauszahlungen” in Höhe von 13 Mio. Euro an andere Bistümer abgeführt werden müssen. Der Rest steht dem Bistum zu.

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Bei diesen Zahlungen handelt es sich aber, wie der Name schon sagt, lediglich um Vorauszahlungen –vergleichbar monatlichen Abschlagzahlungen an den Stromversorger, bevor die Endabrechnung durchgeführt wird. Bei der endgültigen Clearing-Abrechnung (die nicht jährlich stattfindet, sondern erst einige Jahre später) kann es dann zu Erstattungen oder Nachzahlungen kommen. Um dem Risiko von Nachzahlungen vorzubeugen, hat das Bistum Limburg eine “Clearing-Schwankungsreserve” in Höhe von 54 Mio. Euro gebildet (vgl. Bilanz und S. 29 im Finanzbericht). Zusätzlich zu dem Betrag für die Clearing-Vorauszahlung zieht das Bistum Limburg vom Kirchensteueraufkommen – zumindest hat es das beim Jahresabschluss 2013 getan – noch eine “Sicherheitsreserve” (S. 34) von 11 Mio. Euro ab, die der Clearing-Schwankungsreserve zugeführt werden sollen, für den Fall, dass das Bistum bei der endgültigen Clearingabrechnung nachzahlen muss.

Nun heißt es: Aufgepasst! Das Bistum Limburg bucht diesen Sachverhalt so, dass zunächst die Summe (24 Mio.) aus Clearingvorauszahlung und Sicherheitsreserve von der Kirchensteuer abgezogen wird. Dadurch verwandelt sich das Brutto-Kirchensteueraufkommen von 204 Mio. Euro in “laufende” Kirchensteuererträge von 180 Mio. Euro.

Beim Jahresabschluss für 2013 hat man beim Bistum Limburg dann allerdings festgestellt, dass die Clearing-Schwankungsreserve mit 54 Mio. Euro bereits “ausreichend dotiert” war (S. 34). Was also tun mit der Sicherheitsreserve? Das Bistum hat zunächst den kompletten Betrag von 24 Mio. “rechnerisch” (S. 34) der bereits ausreichend dotierten Clearing-Schwankungsreserve zugeführt und diesen Betrag dann sogleich “zugunsten des Neutralen Ergebnisses” wieder aufgelöst (neutrale Erträge). Die Clearing-Vorauszahlung von 13 Mio. Euro wurde dann zu Lasten des Neutralen Ergebnisses gebucht (neutraler Aufwand).

Dies führt dazu, dass von der dem Bistum Limburg zustehenden Kirchensteuer in Höhe von 191 Mio. Euro nur 180 Mio. in der Ergebnisrechnung als “Kirchensteuer” ausgewiesen werden. Die Differenz von 11 Mio. geht in den “neutralen Erträgen” unter.

Darüber hinaus vermittelt die Darstellung zur Verwendung der Kirchensteuer (S. 38–39) nun einen falschen Eindruck:

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Statt (wie weiter oben) die Bruttokirchensteuer abzüglich der Clearing-Vorauszahlung auszuweisen, vermittelt das Bistum Limburg mit seiner Darstellung den Eindruck, zu den laufenden Kirchensteuern aus 2013 seien zusätzlich noch nicht mehr benötigte Kirchensteuermittel aus Vorjahren hinzugekommen. Tatsächlich stammen aber sämtliche hier ausgewiesenen Erträge aus 2013.

Es stellt sich die Frage, was die Verantwortlichen beim Bistum Limburg bewogen hat, sich für dieses umständliche und intransparente Verfahren zu entscheiden. Fakt ist jedenfalls: Wäre unter den laufenden Erträgen das tatsächlich dem Bistum zustehende Kirchensteueraufkommen von 191 Mio. Euro ausgewiesen worden, wäre das operative Ergebnis (I) selbst nach der Belastung durch die 60-Millionen-Umbuchung bei den Pensionsrückstellungen immer noch positiv gewesen. Hier eine Darstellung der Effekte:

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Diese Darstellung lässt erkennen, welche Effekte die Erhöhung der Pensionsrückstellungen und die umständliche Clearing-Verbuchung haben: Sie drehen das tatsächlich positive operative Ergebnis (I) (vor der Entnahme von Budgetresten) weit ins Minus. HGB-konform ist diese Gliederung allerdings immer noch nicht.