Ein Fall für sich: 
Die Limburger Bistumsbilanz

7 Mio. zu niedriges Gesamtergebnis

Seinem Finanzbericht zufolge (S. 18) “orientiert” sich das Bistum Limburg bei der Gliederung seiner Ergebnisrechnung am Schema des § 275 HGB (Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung) – allerdings “unter Berücksichtigung von Anpassungen, die im Hinblick auf die Eigenheiten einer kirchlichen Körperschaft vorgenommen wurden.”

Eine solche “Anpassung” ist der Umstand, dass das Bistum Limburg in seiner Ergebnisrechnung Veränderungen bei den Rücklagen (Budgetresten) vor dem Jahresergebnis ausweist (“Saldo Veränderung der Rücklagen aus Budgetresten”). Dabei schreibt § 275 (4) HGB vor, dass Veränderungen bei den Rücklagen erst nach dem Posten “Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag” ausgewiesen werden dürfen. (Gemeint ist hier das Gesamtergebnis.)

Diese Technik verwendet außer dem Bistum Limburg auch das Bistum Speyer. Sie dient dazu, dass das Gesamtergebnis statt des “doppischen” Jahresergebnisses das Haushaltsergebnis darstellt. Denn die Entnahmen aus den Budgetresten bilden ab, in welchem Umfang Maßnahmen des laufenden Jahres durch Haushaltsmittel aus Vorjahren finanziert werden. Und die Zuführungen zu den Budgetresten spiegeln wider, wie viele Mittel aus dem laufenden Haushaltsjahr für Folgejahre verplant (oder zweckgebunden) wurden.

Diese Technik ist allerdings ebenso unsachgerecht wie unnötig. Das zeigt sich wieder an dem Umstand, dass die Bistümer Hamburg, Hildesheim, Essen und Trier ihre Ergebnisrechnungen HGB-konform gliedern. Für das Bistum Limburg sähe eine HGB-konforme Darstellung so aus:

Beispielbild

Hieran lässt sich nun zeigen, weshalb die Gliederung von Limburg und Speyer unsachgerecht und unnötig ist: Aufgabe des Jahresabschlusses ist es, wie gesagt, “ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage” des Bistums zu vermitteln. Die Ertragskraft des Bistums wird durch das Jahresergebnis repräsentiert, das ist der Überschuss vor den Budgetveränderungen. Denn ein Bistum, das – wie hier – am Ende des Jahres noch netto 6,5 Mio. Euro zusätzlich für zukünftige Haushaltsjahre zur Verfügung stellen kann, ist eben um 6,5 Mio. Euro ertragsstärker als ein Bistum, das das nicht kann.

Der Jahresüberschuss nach den Veränderungen bei den Budgetresten – also nach dem Abruf von Haushaltsmitteln aus Vorjahren und Verplanung für zukünftige Jahre – stellt den Teil des Überschusses dar, der die “freie Rücklage” des Bistums erhöht – die Position, die das Bistum Limburg mit “Kapital” bezeichnet. Wie man sieht, lassen sich die “doppische” Sicht und die Haushaltssicht völlig problemlos in der Ergebnisrechnung kombinieren. Es besteht also auch für die Kirche kein Grund, von der Gliederung nach HGB abzuweichen.

Die von den Bistümern Limburg und Trier gewählte Darstellung führt dazu, dass der tatsächliche Jahresüberschuss nicht mehr erkennbar ist: Statt zunächst das “objektive” doppische Jahresergebnis auszuweisen, teilen Limburg und Speyer dieses gleich in zwei Posten auf, die beide vom Ermessen des Bistums abhängen: nämlich wie viele Mittel man vom Jahresüberschuss (so es einen gibt) für zukünftige Haushaltsjahre verplanen will (Saldo bei den Budgetresten) und welchen Teil man der freien Rücklage zuführen will (“Gesamtergebnis”). Damit sind diese Zahlen für sich genommen wenig aussagekräftig. Und es ist auch kein sachgemäßer Vergleich mit anderen Bistümern mehr möglich, weil jedes Bistum sein “Gesamtergebnis” mehr oder weniger so ausweisen kann, wie es will.

Wie in Teil 2 gezeigt wurde, erwirtschaften die deutschen Bistümer aufgrund ihrer vorsichtigen Haushaltsplanung systematisch Überschüsse. Ein Bistum, dass die Höhe seiner Überschüsse verschleiern will, kann dies in der vom HGB abweichenden Gliederung tun, indem es entsprechend viele Mittel in die Budgetrücklagen packt.

Zwischenfazit

Es wurde gezeigt, dass die “Anpassungen” gegenüber dem HGB, die das Bistum Limburg in seinem Jahresabschluss sowohl bei der Darstellung als auch bei der Bewertung (seiner Pensionsrückstellungen) vorgenommen hat, ebenso unsachgemäß wie unnötig sind. Die HGB-konformen Jahresabschlüsse, die die Bistümer Hamburg, Hildesheim, Essen und Trier gewählt haben, liefern nicht nur dieselben Informationen – sie liefern bessere Informationen.

Die Änderungen, die das Bistum Limburg bei der Gliederung seiner Bilanz vorgenommen hat, führen dazu, dass das Eigenkapital nicht mehr in Summe ausgewiesen wird. Die Höherbewertung der Pensionsrückstellungen führt dazu, dass das Eigenkapital im Vergleich zu anderen Bistümern selbst dann noch zu niedrig ausgewiesen wird (und die Rückstellungen zu hoch), wenn man sich die Mühe macht, das Eigenkapital aus den einzelnen Positionen der Limburger Bilanz zu berechnen. Die Wahl des Begriffs “Kapital” lädt zu Verwechslungen mit dem Eigenkapital ein.

Der Ausweis eines Teils der Kirchensteuer im neutralen Ergebnis erscheint unsachgemäß. Ebenso unsachgemäß ist die Entscheidung, die ohnehin schon unangebrachte Erhöhung der Pensionsrückstellungen als Einmaleffekt in den laufenden Aufwendungen auszuweisen statt im neutralen Ergebnis. Die Vermengung von Budgetresten mit anderen (nicht näher bezeichneten) Rücklagen in der Position “Saldo Veränderungen der Rücklagen aus Budgetresten” ist unsachgemäß. Dies um so mehr, als die in dieser Position enthaltene Entnahme aus der Versorgungsrücklage betragsmäßig vier mal so hoch ist wie die hier eigentlich auszuweisenden Entnahmen aus Budgetresten. Eine entsprechende Kennzeichnung oder Unterteilung fand nicht statt. Das Bistum Limburg scheint einerseits (insbesondere durch den Aufbau einer Clearing-Schwankungsreserve) zu versuchen, das operative Ergebnis von störenden Einflüssen frei zu halten. Dies verträgt sich nicht damit, dass andererseits das selbe operative Ergebnis durch den Einmaleffekt bei den Pensionsrückstellungen von einem Plus (13 Mio.) in ein überproportionales Minus (–59 Mio.) verwandelt wird.

Wie das Eigenkapital aus der Limburger Bilanz verschwand auch der Jahresüberschuss aus der Limburger Ergebnisrechnung. Stattdessen weist das Bistum Limburg in beiden Füllen mehrere separate Posten aus, die nicht mehr objektiv sind, sondern der Einflussnahme des Bistums unterliegen. Das Bistum macht damit einen Vergleich mit anderen Bistümern zwar nicht völlig unmöglich. Es erschwert ihn aber immens und beschwört geradezu Missverständnisse und Fehlinterpretationen herauf. Diese “Anpassungen” können auch nicht mit dem Hinweis auf “kirchliche Eigenheiten” begründet werden.

Die Abweichungen, die das Bistum Limburg in seinem Jahresabschluss nicht nur gegenüber dem HGB, sondern auch gegenüber den anderen Bistümern vorgenommen hat, sind also weder mit “kirchlichen Eigenheiten” noch mit dem Willen zu Transparenz erklärbar. Allerdings ergibt sich ein stimmiges Bild, wenn man unterstellt, dass die Limburger Verantwortlichen “die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage” ihres Bistums verschleiern und damit den Zweck des Jahresabschlusses gerade hintertreiben wollten.

Die Idee, ausgerechnet 2013 60 Mio. von der Versorgungsrücklage in die Pensionsrückstellungen umzubuchen, diesen Einmaleffekt im laufenden Ergebnis auszuweisen und einen Teil der Kirchensteuer in das neutrale Ergebnis zu verschieben, lassen sich dann mit dem Wunsch erklären, “auf Teufel komm raus” ein negatives operatives Ergebnis produzieren zu wollen.

Im Lichte dieser Überlegungen sind auch die folgenden beiden Kritikpunkte zu sehen:

Fehlende Vorjahreswerte

§ 265 Absatz 2 HGB (Allgemeine Grundsätze für die Gliederung des Jahresabschlusses) schreibt vor, dass in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (hier: Ergebnisrechnung) zu jedem Posten der entsprechende Betrag des Vorjahres anzugeben ist. Die Bistümer Hamburg, Hildesheim und Speyer weisen in ihren Geschäftsberichten Vorjahreszahlen aus. Demgegenüber verwundert das Fehlen von Vorjahreswerten im Limburger Jahresabschluss umso mehr, als das Bistum Limburg bereits seit 2003 doppische Jahresabschlüsse aufstellt. Am Fehlen der Vorjahreswerte kann es demzufolge nicht liegen.

In Anbetracht der Professionalität, die das Bistum Limburg ansonsten in diesen Angelegenheiten an den Tag legt, und angesichts seiner Transparenzbeteuerungen lässt sich dies wohl nur so erklären, dass das Bistum Limburg bewusst keine Vorjahreszahlen veröffentlichen will. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich aus den Veränderungen der einzelnen Posten Dinge erkennen lassen, die ansonsten verborgen blieben. (So hat z. B. das Bistum Hamburg 2010 10,66 Mio. Euro “erfolgsneutral” – d. h. außerhalb der Ergebnisrechnung – von den Rückstellungen ins Eigenkapital umgebucht. Erkennbar war dies (ohne die zugehörige Erläuterung im Geschäftsbericht) nur durch einen Vergleich des Eigenkapitals mit dem des Vorjahrs.)

Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch den Umstand, dass das Bistum Limburg zwar bereits im März dieses Jahres angekündigt hat, sein Vermögen und seine finanziellen Verpflichtungen offenzulegen, dann aber mit der Veröffentlichung bis zur Fertigstellung des Jahresabschlusses für 2013 gewartet hat.

Wenn es seine finanziellen Verhältnisse offenlegen wollte, wieso hat es dann nicht gleich die Jahresabschlüsse für 2012 veröffentlicht? Das Bistum Speyer hatte dies bereits zwei Monate vorher getan. Die Speyerer Abschlüsse waren (ausweislich der Prüfungsbescheinigungen mit Datum von März, April und Juni 2013) bereits vor dem Höhepunkt des Limburger Bau- und Finanzskandals fertiggestellt. Sie sind damit frei von dem Verdacht, dass im Hinblick auf die bevorstehende erstmalige Veröffentlichung noch gezieltes “Window Dressing” betrieben wurde. Von den Limburger Berichten lässt sich das nicht sagen.

Fehlende Prüfungsbescheinigung

In seinem Finanzbericht (S. 14) erklärt das Bistum Limburg, der “hohe Standard” seiner Rechnungslegung werde “durch jährliche externe Jahresabschlussprüfungen, in denen das Bistum Limburg seit Umstellung der Rechnungslegung im Jahr 2003 uneingeschränkte Bescheinigungen erhielt, bestätigt.” Allerdings veröffentlicht das Bistum Limburg den Wortlaut dieser Bescheinigungen nicht und hat auch auf Nachfrage die Prüfungsbescheinigung für den hier untersuchten den Bistumsabschluss 2013 nicht zur Verfügung gestellt.

“Uneingeschränkte Bescheinigung” klingt so ähnlich wie “uneingeschränkter Bestätigungsvermerk”: Damit bestätigen Wirtschaftsprüfer, dass ein Jahresabschluss tatsächlich “unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage” vermittelt. Wie mir das Bistum Limburg versicherte, entsprechen die “Bescheinigungen”, die das Bistum für seine Jahresabschlüsse erhalten hat, “inhaltlich Bestätigungsvermerken”.

Es stellt sich dann allerdings die Frage, weshalb ein Bistum, das so sehr an einer Wiederherstellung von Vertrauen interessiert sein muss wie Limburg, den Wortlaut dieser Bescheinigungen nicht veröffentlicht – anders als das Bistum Hildesheim (eingeschränkter Bestätigungsvermerk) und das Bistum Speyer (Prüfungsbescheinigung). Denkbar ist, dass die Prüfungsbescheinigungen Anmerkungen der Wirtschaftsprüfer enthalten, die das Vertrauen in die Jahresabschlüsse – oder die Bistumsführung – wieder sinken lassen würden.

Zum Wert solcher “Prüfungsbescheinigungen” ein kleiner Exkurs: Die Wirtschaftsprüfer des Bistums Hildesheim machen in ihrem eingeschränkten Bestätigungsvermerk deutlich: “Das Bistum Hildesheim bilanziert derzeit keine Grundstücke und Gebäude. Käufe und Verkäufe von Objekten wurden im vorliegenden Jahresabschluss als Aufwand bzw. Ertrag berücksichtigt.”

Das wird zwar im Geschäftsbericht 2013 des Bistums Hildesheim (S. 40) auch unter den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden erwähnt, allerdings nicht so deutlich. Man muss sich klar machen, was das bedeutet:

  • Grundstücke und Gebäude erscheinen nicht in der Bilanz. (Die Position „Grundstücke und Bauten“ in der Hildesheimer Bilanz 2013 weist sage und schreibe einen Wert von 9.000 (neuntausend) Euro aus. Die Daten aus anderen Bistümern deuten darauf hin, dass die fehlenden Grundstücke und Gebäude einen Wert von mindestens 70 Mio. Euro ausmachen.
  • Um diesen Wert zu niedrig wird demzufolge auch das Eigenkapital des Bistums Hildesheim ausgewiesen. Es dürfte daher tatsächlich mindestens doppelt so viel wert sein wie die derzeit ausgewiesenen 66 Mio.
  • Aufgrund der fehlenden Bilanzierung der Gebäude fehlen dann auch die Abschreibungen dafür in der Ergebnisrechnung. Die Daten aus anderen Bistümern deuten darauf hin, dass die fehlenden Abschreibungen mindestens 2 Mio. Euro pro Jahr ausmachen dürften. Das heißt, das Jahresergebnis des Bistums Hildesheim wird hierdurch um diesen Betrag zu hoch ausgewiesen, denn tatsächlich verlieren die Gebäude des Bistums ja an Wert.
  • Gleichzeitig vermindern Immobilienkäufe oder -bauten (falls sie stattfinden) das Jahresergebnis, obwohl sie nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung eigentlich ergebnisneutral gebucht werden müssten (Geld wird gegen eine Immobilie vom selben Wert getauscht). Umgekehrt erhöhen Grundstücksverkäufe das Ergebnis stärker als wenn ordnungsmäßig gebucht würde. Das ausgewiesene Jahresergebnis verliert damit an Aussagekraft.

Hinzu kommt, dass überhaupt kein sachgerechter Grund erkennbar ist, weshalb so verfahren wird, und das Bistum Hildesheim begründet dies auch nicht weiter.

Aber jetzt kommt es: Trotz dieser einzigartigen Praxis, die dazu führt, dass von einer “den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden” Darstellung der Vermögens- Finanz- und Ertragslage “unter Berücksichtigung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung” kaum noch die Rede sein kann, erhielt das Bistum Hildesheim hierfür 2009 immer noch eine “uneingeschränkte Prüfungsbescheinigung” der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche: “Unsere Prüfung hat zu keinen Einwendungen geführt. Nach unserer Beurteilung aufgrund der bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse entspricht der Jahresabschluss des Bistums Hildesheim – Öffentliches Vermögen – den vom Bistum Hildesheim festgelegten Grundsätzen ordnungsmäßiger Rechnungslegung.” (Geschäftsbericht 2009 des Bistums Hildesheim S. 51)

Geprüft wurde nämlich nicht, ob Buchführung und Jahresabschluss dem HGB entsprechen oder den allgemein anerkannten Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, sondern ob sie den vom Bistum selbst festgelegten Grundsätzen entsprechen. Eine solche Bescheinigung mag für die bistumsinterne Kontrolle sinnvoll sein – für die Öffentlichkeit ist sie im Wesentlichen wertlos. Ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk hingegen lässt sich für die Hildesheimer Jahresabschlüsse nicht erteilen: Seit 2010 gibt es für die selbe Praxis statt einer “uneingeschränkten Prüfungsbescheinigung” einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk, in dem die Einschränkungen auch klar und deutlich benannt werden (s. o.).

Wenn das Bistum Limburg daher lediglich erklärt, es habe für seine Jahresabschlüsse “uneingeschränkte Bescheinigungen” erhalten, sich aber weigert, diese Bescheinigungen zu veröffentlichen, ist das eher ein Warnsignal als Grund zu Vertrauen. In Anbetracht der gravierenden Verstöße des Limburger Jahresabschlusses gegen die Anforderung der Bilanzklarheit ist kaum vorstellbar, dass die Prüfer ihre “uneingeschränkte Bescheinigung” ohne kritischen Kommentar abgegeben haben.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Geschäftsbericht des Bistums Limburg zeigt, wie “ernst” es der neuen Bistumsführung mit Transparenz ist.