Ehsan Fattahian wurde hingerichtet

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Ehsan Fattahian. Foto: zinarala.wordpress.com

SANANDADJ, Iran. (hpd) Heute früh, am 11. November 2009, wurde Ehsan Fattahian im Gefängnis von Sanandadj, im iranischen Teil Kurdistans, hingerichtet. Das iranische Regime hat den 28jährigen, kurdischen Ex-Muslim aus politischen Gründen ermorden lassen, obwohl sich in den letzten Tagen weltweiter Protest gegen diese Menschenrechtsverletzung formiert hat.

In Sanandadj selbst herrschte gestern der Ausnahmezustand, Gegendemonstrationen wurden von der Staatsmacht brutal niedergeschlagen.

Hafturteil aufgehoben – in Todesurteil umgewandelt

Ehsan Fattahian, geboren in Kermanschah, war im Juli 2008 verhaftet und zunächst vom Geheimdienst gefangen gehalten worden. In erster Instanz verurteilte ihn die Erste Abteilung des Revolutions-Gerichts der Stadt Sanandadj wegen „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“ zu zehn Jahren Haft, die er in der Verbannung in einem abgelegenen Gefängnis in Ramhormoz in Khouzestan, im südlichen Iran und weit entfernt von seinen Angehörigen verbüßen sollte. Das Urteil wurde jedoch von der Vierten Abteilung des Berufungsgerichts der Provinz Kurdistan revidiert und in ein Todesurteil umgewandelt. Grund dafür sollen „Kampf gegen Gott“, „Abfall vom Islam“ und angeblicher „bewaffneter Kampf“ sein. In der Haft wurde der junge Mann mehrfach schwer gefoltert.

Die Europäische Gemeinschaft, Amnesty international, humanistische und säkulare Organisationen und auch viele Privatpersonen haben energisch gegen das Todesurteil protestiert. Der hpd hat zu den tragischen Ereignissen der letzten Tage eine Chronologie zusammengestellt.

Hoffen und Bangen um Ehsan Fattahian – Eine Chronologie

Sonntagabend, 8.11.09: Mina Ahadi, Vorsitzende des „Zentralrats der Ex-Muslime“ und des „Internationalen Komitees gegen die Todesstrafe“, erfährt aus dem Iran, dass der Hinrichtungstermin von Ehsan kurzfristig auf Mittwochmorgen zwischen 3.00 und 4.00 Uhr festgesetzt wurde. Darüber setzt Ahadi ein Netzwerk von Menschenrechtsaktivisten in Kenntnis und bittet um Unterstützung. Reza Hiwa richtet in der Zwischenzeit eine „Petition zur Rettung Ehsan Fattahians“ ein, die bis zum Mittwochmorgen von über elftausend Menschen unterzeichnet wird.

Montagmorgen, 9.11.09: Die Organisatoren der „Kritischen Islamkonferenz“ rufen die deutsche Bundesregierung zum Protest gegen die geplante Hinrichtung auf. Die Pressemeldung erscheint zuerst auf dem Portal des Humanistischen Pressedienstes, wird zusätzlich aber auch über die kommerzielle dpa-Tochter „newsaktuell“ an die deutschen Redaktionen verteilt. Zeitgleich organisiert sich der internationale Widerstand. Da sich die offiziellen Medien am Schicksal Fattahians nicht sonderlich interessiert zeigen, wird das Internet (u.a. über Facebook und Twitter) zum zentralen Kommunikationskanal des Protests.

In der Nacht zum Dienstag, 10.11.09, 2.00 Uhr: Informiert von Michael Schmidt-Salomon (Giordano Bruno Stiftung), setzt die „International Humanist and Ethical Union“ den Aufruf zur Rettung Ehsans Fattahians auf ihre Startseite. Da die IHEU als NGO offiziellen Beraterstatus bei der UN und der EU hat, wächst die Hoffnung, dass das iranische Regime nun auch von politischer Seite unter Druck gesetzt werden kann.

Dienstagmorgen, 10.00 Uhr: Die „Internationale Gesellschaft für Menschenrechte“ appelliert an Bundesaußenminister Westerwelle, dieser möge das „Verbrechen beim Namen nennen“ und informiert ihn über das Schicksal von Ehsan Fattahian wie auch das Schicksal weiterer 16 Leidensgenossen, die unter anderem wegen Apostasie – der Abkehr vom Islam – hingerichtet werden sollen.

Dienstagmittag, 14.45 Uhr: Mina Ahadi leitet eine erschütternde Nachricht aus dem Iran weiter: „Ich habe gerade erfahren, dass die Islamisten nicht aufgeben. Ehsan wurde in eine Einzelzelle gebracht. Die Hinrichtung wird offenbar vorbereitet. Ich habe mit dem Außenministerium und der EU gesprochen. Alle setzen sich ein, aber die Leute vor Ort meinen, bis jetzt gibt es keine Chance.“

Dienstagnachmittag, 16.00 Uhr: Nun kommen endlich auch gute Nachrichten. Mina Ahadi schreibt: „Gerade hat mich das EU-Parlament angerufen. Die EU und der Parlamentsvorsitzende haben die Hinrichtung verurteilt. Das Präsidentenbüro hat mit der Botschaft der islamischen Regierung in Brüssel telefoniert und verlangt, die Hinrichtung nicht zu vollstrecken. Frau Sommer von der CDU hat ebenfalls mit der islamischen Regierung Kontakt aufgenommen und gegen die Hinrichtung protestiert. Außerdem fand heute in Brüssel ein Treffen mit Vertretern Irans statt, wo auch über Ehsan gesprochen wurde. Wie ich gehört habe, hat auch das deutsche Außenministerium etwas unternommen. Ich werde euch informieren. Vor dem Gefängnis gibt es jetzt übrigens Demonstrationen“.

Dienstagabend, 18.00 Uhr: Ist Ehsan vorerst gerettet? Mina Ahadi informiert ihre Mitstreiter über ein Gerücht, das gerade die Runde macht: „Gerade habe ich gehört, dass Ehsan 18 Tage Zeit bekommen hat. Das Gericht soll das Urteil noch einmal überprüfen. Derzeit habe ich leider keinen direkten Kontakt zu den Leuten vor Ort, um das zu überprüfen. Aber 'Voice auf America' hat in einer persischen Sendung angeblich mit Ehsans Anwalt gesprochen. Wenn das wirklich so ist, dann haben wir gewonnen! Ich werde euch informieren. Hurra!“

Früher Mittwochmorgen, 11.11.09: Die Hoffnung auf eine Verschiebung der Hinrichtung ist zerschlagen: Trotz aller internationalen Proteste wird Ehsan Fattahian am frühen Mittwochmorgen in Sanandadj hingerichtet. Seneh News berichtet: „Der 27jährige kurdische Aktivist Ehsan Fattahian wurde heute Morgen im Gefängnis von Sanandadj gehenkt. Gegen seine Hinrichtung protestierten Menschenrechtsaktivisten im Iran und weltweit. Er trat am Sonntag in den Hungerstreik. Demonstranten versammelten sich um 2.30 Uhr heute Morgen, um die ungerechte Strafe zu verhindern.“

Mittwochmorgen, 7:48 Uhr: Bittere Erkenntnis: Nach vielen erfolgreichen Kampagnen hat Mina Ahadi wieder einen Kampf um ein Menschenleben verloren. Sie schreibt in einer Mail: „Es ist schrecklich, so etwas zu erleben! Ich konnte die ganze Nacht über nicht schlafen! Einen jungen Menschen einfach umzubringen, ist grausam, eine schlimme Verletzung der Menschenrechte! Offiziell wurde mitgeteilt, dass Ehsan wegen seines ‚Kampfes gegen Gott und dem Austritt aus dem Islam’, wegen Häresie (Ertedad) und des bewaffneten Kampfes gegen den islamischen Staat (Moharebe) hingerichtet wurde. Ich werde Ehsans Familie unser Mitgefühl aussprechen und ihnen sagen, dass wir weiter gegen dieses Regime kämpfen werden. Die Todesstrafe ist staatlicher Mord und muss überall verboten werden!“

FL