Die Ufologie kommt in die Jahre

Der „Fliegende Untertassen"-Mythos wird 60 Jahre alt - aber Roswell ist nur eine Medienlegende

MANNHEIM. War heute vor genau 60 Jahren in der Wüste von Neu Mexiko eines der größten Menschheitsereignisse geschehen – die vor der Welt verheimlichte Begegnung mit Außerirdischen aufgrund einer Crash-Landung? Begann damit die UFO-Legende? "Sicher, der moderne Raumfahrt-Zeitalter-Mythos von den außerirdischen Raumschiffen in Gestalt von ´Fliegenden Untertassen´ begann im Sommer 1947 - aber keineswegs mit dem in aller Welt völlig falsch seit 30 Jahren vorgestellten ´UFO-Absturz von Roswell´", so Amateurastronom und UFO-Phänomen-Historiker Werner Walter vom Mannheimer ´UFO-Telefon´.

Sicher: Am 14. Juni 1947 ritt der Rancher William ´Mac´ Brazel auf der von ihm verwalteten Forster-Ranch weit hinter Roswell hinaus, um nach einer Schafherde zu schauen. Dabei fand er ein großes ´Trümmerfeld´ mit für ihn seltsamen Teilen vor, doch kein apparatives Objekt oder gar eine zerteilte ´Fliegende Untertasse´ mit heraushängenden Aliens daran! Was Brazel fand, war nichts weiter als das was er selbst original damals beschrieb: "Eine große Quanität folienartiges Material, zusammengeklebt mit Scotchband, stabilisiert mit Balsaholzstöckchen. Inmitten des ´Trümmerfeldes´ befand sich ein großes sternartiges, gänzendes Objekt aus Alu-Folie."

Von einer Maschine war ursprünglich nie ein Wort gefallen, von Aliens sowieso nicht. Für den Rancher lag da einfach irgendwelcher ´Garbage´ großflächig verteilt in der Wüste. Seltsam war das Ganze schon, aber ihm war´s egal. Als Brazel zum 4. Juli-Feiertag nach Roswell fuhr, hörte er im Radio vom Angebot einer Firma $ 5000,-- für den Finder einer ´Fliegenden Untertasse´ zu zahlen und da kam ihm die Erinnerung an das vor Wochen bereits in der Wüste gefundene Material auf.

Ausbruch nationaler Hysterie

Das ´flying saucer´-Phantom war aufgrund der Beobachtung des Privatpiloten Kenneth Arnold vom Nachmittag des 24. Juni 1947 über dem Washingtoner Mt. Rainier-Gebirgsmassiv ausgebrochen und zur nationalen Hysterie ausgeartet. Damit hatte die ganze Geschichte begonnen. Zwischen der Meldung von Arnold bis hin zur ´Roswell´-Geschichte war inzwischen viel geschehen: Etliche Untertassen-Sichtungen wurden bekannt und auch da und dort waren bereits "UFOs" gefunden worden, denen sich die US-Bundespolizei FBI annahm. Roswell war in Wirklichkeit nur irgendein beliebiger Vorfall in dieser Ereigniskette öffentlicher UFO-Panik! Damals wurde alles merkwürdige anmutendes Geschehen am Himmel oder vom Himmel als "flying disc" benannt, auch wenn es ganz und gar anders ausschaute.

Vor allen Dingen: In dieser Ära war damit auch gar nicht vom öffentlichen Verständnis her damit ein "außerirdisches Raumschiff" gemeint! In diesen Tagen gab es noch gar keine Deutung, sondern man sah im amerikanischen Volk diese neue Geschichte einfach nur als großer Spaß an. Dazu muss man auch wissen, dass die US-Nation nach der Arnold-Sichtung und in Anbetracht der Independence Day-Feierlichkeiten wie in einer rauschartigen Hysterie lag und bald 850 Zeitungsberichte zu ´Fliegenden Untertassen´-Geschichten aus dem ganzen Land vorlagen. Roswell war da nur eine Story unter sehr vielen - und wurde auch in Amerika schnell vergessen.

Die zweite UFO-Welle

Kurzum: Ein Wetteroffizier an der nächstgelegenen Kommando-Basis Forth Worth betrachtete sich das eingelieferte Material und bewertete es als Überreste eines geplatzten riesigen Wetterballons. Und damit war binnen 24 Stunden diese Story im Jahr 1947 gestorben - für die Medien, für die Öffentlichkeit und auch für die späteren UFO-Fans! Allein schon wegen dem aufgefundenen Aluminiumbedeckten Sternkörper, der nichts weiter als einen bis heute eingesetzten Radarreflektor darstellte. Dies ist die originale Geschichte, der historische Fakt.

Erst 30 Jahre später erfanden gelangweilte Roswellianer im Ruhestand die "neue Version der Roswell-Story" unmittelbar nachdem Spielbergs UFO-Spielfilm "Unheimliche Begegnung der Dritten Art" die "zweite UFO-Welle" in der modernen Geschichte zündete und das bis dahin eingeschlafene UFO-Thema neu zu vitalisieren.

Und damit begann im neuen Medien-Zeitalter der Veränderungen auch ein irrer "UFO-Mutant" aus der Wüste von Neu Mexiko zu entsteigen und entfernte sich superschnell von den originalen Ereignissen, um den Startschuss für die Ära "Akte X" und Verschwörungsparanoia zu eröffnen. Nun entstanden Images von abgestürzten ´Fliegenden Untertassen´ und aufgefundenen Aliens. Und dies hatte alles überhaupt nichts mehr mit dem Original zu tun und war auch nicht mehr einzudämmen. Ein von den US-Medien gezeugter (und geliebter) Mythos entstand - und alles verdrehte sich hin zu einer UFO-Phantastik, „UFOtainment" eben. Und dieses UFOtainment eroberte die Welt.

Die neue Version von Roswell, laut Walter, entwickelte sich innerhalb einer "verrückten Ära in den USA" in den 1980er Jahren. "Da gab es total durchgedrehte komische Kauze, die anscheinend ihre Traumata bewältigten. Da behauptete einer in Vietnam einst gegen Aliens wie im ´Predator´-Film gekämpft zu haben oder ein anderer kam daher und berichtete von Kampfeinsätzen amerikanischer Sondertruppen in Tulce, Neu Mexiko, gegen Alien-Stützpunkte unter der Erde. Und, und, und.

„Starwars" - Aera

Da war alles irgendwie gedopt und die berühmte ´Are 51´-Story entwickelte sich genau aus diesen albtraumhaften Tagträumereien", so Walter, der damals diese unheimliche Entwicklung direkt mitverfolgte und nur ungläubig den Kopf schüttelte, "da sich pure Paranoia" ausbreitete, was aber in Präsident Ronald Reagans "Starwars"-Ära nur zu verständlich war. Spinner und Irre hatten hier ihre Glanzzeiten. Und genau dies hatte Auswirkungen bis hin zur Möglichkeit, "Akte X" zu einem Welthit werden zu lassen.

In diesem Dünger erwuchs die uns allen bekannte Roswell-Story, die mit der Wirklichkeit aber auch gar nichts zu tun hat. Auch wenn diese Geschichte eine große Bindungswirkung für die wenigen verbliebenen UFO-Fans, UFOlogen, entwickelte - "und zwar als letzte Ausflucht, in der man einfach auch die Wahrheiten nicht mehr verträgt sowie vor dieser panikartig flüchtet". Dies gehört eben auch zum UFO-Aberglauben.

Roswell - ein UFO-Mythos stürzt ab. Erschreckend ist dabei, welche eigene Dynamiken der falsche Roswell-Medien-Mythos annimmt. Bis hin zur angeblichen "Alien-Autopsie", die 1995 über fast alle Fernsehsender lief und den Niedergang des UFO-Themas einläutete. 60 Jahre UFOs mit Roswell aufzuziehen ist total verkehrt - auch wenn durch die Medien (sic!) das Thema dorthin in einer unendlichen Runde geführt wird.

CENAP