Aus der Überzeugung, dass es keine Gottheiten gibt, lässt sich nur schwer eine Gemeinschaft bilden. 2011 empfing der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer eine kleine Delegation der Konfessionsfreien – damals noch mit dem Vorsitzenden Heinz Oberhummer – mit den Worten: "Ihr seid also der Verein der Nicht-Sportler".
Als bekennender Agnostiker bemühte er damit einen treffenden Vergleich, der trotzdem nicht ganz passt. Während "keinen Sport auszuüben" kein Sport ist, ist eine atheistische Weltanschauung keine "Nicht-Weltanschauung". Kategorisch steht der Atheismus in diesem Sinn auf einer Ebene mit den Religionen. Frei nach Watzlawick: Man kann nicht keine Einstellung zur Mechanik der Welt haben. Der Atheismus konzentriert sich in dieser Perspektive aber ausschließlich darauf, zur Welterklärung keine übernatürlichen Entitäten zu bemühen, also jede Form von Gottheit – egal ob personalisiert oder als feinstoffliches Prinzip.
Atheismus ist eine Überzeugung und keine Gewissheit. Der Atheismus ist agnostisch und das ist kein Widerspruch; im Gegensatz zu Religionen verkörpert er aber keine Ideologie. Trotzdem gibt es auch Organisationen (etwa säkulare, humanistische, laizistische) mit atheistischem Hintergrund, die ihre Überzeugung nach außen tragen. Diese verbreiten aber keine Lehren, sie klären auf und das oft im Verbund mit anderen Anliegen.
Religion hingegen drängt in die Öffentlichkeit, manchmal mit einer Ostermesse, manchmal mit einem Terroranschlag. Religiöse Weltanschauungen sind täglicher Bestandteil (massen)medialer Kommunikation. In personenbezogenen Statistiken werden in der Regel nur Religionsbekenntnisse erhoben und nicht-religiöse Weltanschauungen in einer Restkategorie zusammengefasst. Dieser tradierte Kategorienfehler hilft dabei, Religion aus der Gesamtheit einander ausschließender Weltanschauungen herauszuheben und damit nicht-religiöse Weltanschauungen auszuschließen.
Menschen, die davon überzeugt sind, dass es keine Gottheiten gibt und damit das weltanschauliche Spektrum im ungläubigen Bereich ergänzen, machen aber einen substanziellen Teil der Bevölkerung aus. Darunter finden sich Menschen, die sich zum Atheismus bekennen, aber auch solche, die einen funktionalen Atheismus leben und ihren Alltag ohne Glauben und Aberglauben ausrichten. Der Prozentsatz ist unbekannt, aber ich vermute, es handelt sich dabei in liberalen Demokratien um keine Minderheit mehr.
Es ist nur würdig und recht, ihnen und dem Atheismus auch einen Tag lang Aufmerksamkeit zu widmen.
10 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Als Atheist stosse ich oft auf Ablehnung, das geht soweit, dass selbst meine Verwandtschaft in den USA ( Boston) den Kontakt mit mir abgebrochen haben und ihre
Email Adresse änderten.
Das ist der Unterschied zwischen Religion und Atheismus.
Als Atheist bin ich emphatisch und Weltoffen, sowie ohne jegliche Aggression, dennoch
verteidige ich nachdrücklich meine Weltanschauung mit Worten und Überzeugung.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Es geht auch anders herum: Ich habe den Kontakt zu meiner amerikanischen Verwandtschaft abgebrochen, weil sie glühende Trump Verehrer sind.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Hallo Rene, als humanistischer Atheist muss ich Dir leider sagen, dass Du den gleichenFehler gemacht hast wie meine Verwanden in Boston, als überzeugter Atheist suche ich immer den Dialog mit Gläubigen und verweigere
kann sich etwas bewegen, Kontakte abbrechen ist ärmlich und zeugt für die Unsicherheit des
geglaubten.
Atheismus ist m.E. näher an Wissen und fernab von Glauben, dieser ist immer indoktriniert,
kein Kind kommt als gläubig zur Welt.
Roland Fakler am Permanenter Link
Atheismus ist für mich keine Weltanschauung, sondern Teil einer Weltanschauung. Ob zurecht oder nicht, wirft man Atheisten vor, dass ihnen die Werte fehlen.
A.S. am Permanenter Link
@Roland Fakler:
Gläubige plappern den Quatsch nach, den religiöse Führer ihnen vorplappern.
Für religiöse Führer ist "böse", wer ihnen nicht glaubt, nicht gehorcht und nicht dient.
Rainer Haselberger am Permanenter Link
Atheismus und Humanismus schließen einander nicht aus, sondern Humanismus bedingt Religionsferne, denn alle Religionen haben ein oder mehrere Probleme mit den universellen Menschenrechten!
Klarsicht(ig) am Permanenter Link
Wenn es stimmen würde, dass irgendwo in Raum und Zeit oder außerhalb davon, wenn es solche Wirklichkeit geben sollte, etwas „Übernatürliches“ - woraus auch immer beschaffen - existiert, das man mit dem Begriff „Gott“
Also, existiert irgendein „Gott“, dann sind wir alle nicht „gottlos“. Existiert er nicht, ist eine allgemeine „Gottlosigkeit“ gegeben. Das bedeutet: „Gottgläubige“ können sich durchaus im Zustand der „Gottlosigkeit“ befinden. Und Atheisten könnten dann auch in einem Zustand leben, der nicht „gottlos“ wäre. Da wir nicht wissen, in welchem der beiden Zustände wir tatsächlich leben, steht es den „Gottgläubigen“ nicht zu, Atheisten als „gottlos“ zu bezeichnen -:)
Immer wieder bilden es sich Theisten ein, Atheisten dadurch in eine Argumentationsverlegenheit für ihre glaubenskritische Position bringen zu können, indem sie sie darauf hinweisen, dass sie ja nicht in Lage wären zu beweisen, das der „Gott“, dem Theisten in ihrem religiösen Weltbild Glaubensrelevanz zusprechen, nicht existiert. Solchen Theisten scheint ihre Einbildung wohl den Blick auf die Tatsache zu verstellen, dass sie im Verhältnis zu den unzähligen Göttern, an die sie nicht glauben, sich ebenfalls in der Position von Atheisten befinden. Und Theisten sind hier auch nicht in der Lage zu beweisen, dass diese Götter nicht existieren.
Gruß von
Klarsicht(ig)
A.S. am Permanenter Link
@Klarsichtig: Erfundene Götter lassen sich nicht beweisen.
A.S. am Permanenter Link
Atheisten machen Gläubigen Angst.
Die Gläubigen befürchten, ein Kontakt oder gar ein Gedankenaustausch mit Atheisten würde sie das ewige Leben im Paradies kosten.
Es lässt sich nach meiner Erfahrung leichter Kontakt zu Gläubigen aufbauen und halten, indem man das irdische Verhalten der religiösen Führer kritisiert.
Beispiele:
"Die Kirche ist nicht arm." "Die Kirche ist nicht heilig, sie tut nur so." "Die Kirchen beuten Menschen <<ehrenamtlich>> aus." "Die größten Halunken machen die frömmsten Gesichter." "Religiöse Führer sind Wichtigtuer." "Eine fromme Fassade ist die beste Tarnung für krumme Machenschaften."
Man kann auch politische Aufklärung mit geschickter Wortwahl verbinden:
"Den Menschen kann man jeden Quatsch glauben machen. Man muss den Quatsch nut oft genug wiederholen."
"Jeder Betrug basiert darauf, dass die Täter ihre Opfer etwas angeblich Wahres glauben machen."
"Wer glaubt, lässt sich belügen."
A.S. am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Alm,
mir fehlt in Ihrem Text eine meiner Meinung nach wichtige Anschauung:
Es gibt Menschen, die halten Gott, Hölle und Paradies für Fantasieprodukte.
Diese Haltung schließt einerseits höhere Wesen nicht kategorisch aus, billigt andererseits den Religionen aber auch keinerlei gesellschaftsgestaltenden Anspruch zu.
Zudem kann sich diese Haltung auf die Erfahrung mit vergangenen Religionen stützen. Die "falschen" Götter waren eindeutig erfunden und die zugehörigen Religionen Menschenwerk.
Erfundene Götter lassen sich nicht beweisen, sind an keinem Unheil und an keinem "Wunder" schuld, aber man kann ihnen alles in die Schuhe schieben....und sie wehren sich nicht gegen ihre Abschaffung. Nur deren Priester wehren sich aus leicht nachvollziehbaren Gründen.