Ende Oktober sprach der Chef der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalens, Nathanael Liminski, auf der 40-Jahr-Feier des Moscheeverbands DITIB. Dieser ist über die Religionsbehörde Diyanet dem türkischen Staat angegliedert und muss sich Islamismus- und Antisemitismus-Vorwürfe gefallen lassen. Liminski erntete Kritik für seinen Auftritt, bei dem er mit dem Verband aber teilweise auch hart ins Gericht gegangen war. Der hpd hat sich seine Rede genauer angesehen.
Seit 40 Jahren gibt es die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) in Deutschland. Sie ist für viele Landesregierungen ein Partner, wenn es um islamische Angelegenheiten wie den Religionsunterricht geht, bildet Imame aus und ist Mitglied der Deutschen Islam-Konferenz. Sie gilt allerdings auch als verlängerter Arm der autokratischen Erdoğan-Regierung in der Türkei. Man kann kritisieren, dass Liminski überhaupt der Einladung der DITIB gefolgt ist. Auch gab es natürlich viel, zum Teil naives Lob, wie etwa, als sich der Gast aus der Spitzenpolitik des Landes darüber freute, dass die DITIB anpassungsfähig sei, und dass sie sich nicht absondern wolle, sondern dass sie bereit sei, sich breit in unserer Gesellschaft zu verankern.
Was man aber auch hervorheben muss, ist, dass der Staatskanzlei-Chef den Moscheeverband ungewöhnlich deutlich tadelte: "In höchstem Maße irritierend und nicht zu tolerieren sind Fälle von Antisemitismus und politischer Einflussnahme, Hetze gegen Minderheiten und Denunziation. Dies alles ist auch in Moscheegemeinden der DITIB geschehen." Und später in der Rede in Bezug auf Antisemitismus: "Ich erwarte von der DITIB und allen Islamverbänden, dass sie diese Vorfälle konsequent verurteilen."
Dann fiel ein Satz, mit dem man aus seinem Mund nicht gerechnet hätte: "Der säkulare Staat ist für diese Republik konstitutiv – eine nicht verhandelbare Säule unseres Rechtsstaats." So erfreulich dieses Bekenntnis zum weltanschaulich-neutralen Staat ist, so sehr verwundert es auch in diesem Zusammenhang. Liminski selbst ist politischer Christ (weiterführende Informationen finden sich in diesem Artikel). Auch in seiner Laudatio sprach er von seiner persönlichen Weltanschauung. Er scheint seine Aussage jedoch nicht auf sich selbst anwenden zu können, da er dem Christentum vermutlich aufgrund seines eigenen Glaubens und kultureller Tradition eine Sonderrolle einräumt.
Kurz vor dem zuletzt zitierten Satz sagte der Politiker: "Ich bin nicht nur Christ, sondern auch Politiker. Meine Partei trägt das Christliche im Namen. Die christliche Religion ist eine wichtige Quelle für die Programmatik dieser Partei. Gleichzeitig bin ich ein entschlossener Verfechter der strikten Trennung zwischen Staat und Religion." Dieses Zitat ist widersprüchlich. Denn eine Trennung von Staat und Religion bedeutet, dass man seinen persönlichen Glauben nicht in die Politik trägt, denn das "gilt auch für andere Religionsgemeinschaften", wie er selbst – allerdings an DITIB adressiert und in anderem Kontext – feststellte.
Säkulare Verbände prangern mitunter genau das an, was er ganz nebenbei konstatiert, dass nämlich eine Religion sogar im Namen einer Partei steht und deren Programmatik bestimmt. Dies führt zu weltanschaulich beeinflussten Gesetzen, etwa beim Friedhofszwang, dem Schwangerschaftsabbruch oder der Kirchensteuer. Für den säkularen Staat kann man nur eintreten, wenn man ihn selbst respektiert. Ansonsten ist die zwar begrüßenswerte Kritik inkonsistent und unglaubwürdig.
Weiter sprach der Chef der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei in lobenswerter Deutlichkeit an, dass er sich bewusst sei, "dass DITIB als Auslandsorganisation der Religionsbehörde Diyanet starke Verbindungen in die Türkei" habe. Solange sich diese auf den religiösen Bereich beschränkten, sei dies auch völlig legitim, findet Liminski. Hier wäre allerdings hinzuzufügen gewesen, dass es dennoch auf die Inhalte ankommt, die vermittelt werden, denn bei aller Religionsfreiheit, die hier nicht in Frage gestellt werden soll, müssen diese vereinbar mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sein.
"Problematisch ist es aber, wenn diese Verbindungen politischer Natur sind oder damit gar eine parteipolitische Einflussnahme verbunden ist", fuhr der eingeladene Landespolitiker fort. "Hier erwarte ich, dass DITIB weiter den Weg beschreitet, sich auf ihre religiösen und sozialen Tätigkeiten hier in unserem Land zu konzentrieren" – eine Forderung, die unterstützenswert ist, die er so allerdings wohl nie an die großen christlichen Kirchen hierzulande stellen würde.
8 Kommentare
Kommentare
G.B. am Permanenter Link
Ein zweigespaltener Mensch der garnicht merkt, daß er das ist, man kann nicht das eine gutheißen und das andere verdammen, wenn beides nicht vereinbar ist.
Angela H am Permanenter Link
Hierzu passt doch eine Aussage aus einem islamkritischen Artikel einer gewissen Büşra Delikaya in einer der letzten Ausgaben der Zeitschrift "Missy Magazin" wie die Faust aufs Auge: Demzufolge habe damals di
Dieser eher so ganz nebenbei erwähnten Behauptung, die sowohl angesichts der Kohl'schen "Ausländerpolitik" der gewollten Desintegration als auch der religionsfördernden Agenda der "geistig-moralischen Wende" absolut plausibel erscheint, einmal auf den Grund zu gehen wäre m. E. dringend geboten.
Frank von der Heyde am Permanenter Link
Und wieder ein Beispiel dafür, das hochrangige Vertreter von Landesregierungen der christlich-sozialen Parteienfamilie (CDU/CSU) mit gespaltener Zunge reden.
Roland Fakler am Permanenter Link
Letztlich sind es nur die säkularen Humanisten, die mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, während religiöse Politiker immer mit mindestens einem Bein im Sumpf ihrer modrigen, heiligen Texte stecken
G.B. am Permanenter Link
Dieser Herr Liminski merkt garnicht, daß er genau das selbe tut wie die Islamisten im Lande,
tut, gleichkommt.
Wahre Demokratie gibt es NUR ohne jeglichen Gottesbezug!!
Tim Mangold am Permanenter Link
Der HPD wieder kritisch, auch wenn jemand manche Dinge vorträgt, die richtig sind, so heißt es nicht, dass alle Dinge die er vorträgt richtig sind - Kritikpunkte werden klar ausgesprochen, und das finde ich super!
Helmut Lambert am Permanenter Link
Die einzige Basis für den Staat ist die über den Parteien und Religionen stehende Aufklärung.
Roland Fakler am Permanenter Link
In ihren Fundamenten, Bibel und Koran, sind Christentum und Islam keine demokratischen Weltanschauungen. Jesus war der absolute Boss, die Jünger waren ihm hörig.