Am Anfang standen nur Visionen

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Matthias Grünewald, Isenheimer Altar "Auferstehung" um 1513/1515 (Bild: Wikipedia Commons)

GÖTTINGEN. (hpd) Ostern steht im Zentrum der christlichen Kirchen. Es ist die Feier der vorgeblichen Auferstehung des Sohn Gottes, Jesus Christus, der nach den Berichten im Neuen Testament den Tod überwunden hat und dies damit auch den Menschen verheißt. Wenn es so gewesen sein sollte.


Eine Richtigstellung von
Gerd Lüdemann

Die Auferstehung Jesu von den Toten ist bis heute zentraler Inhalt des Christentums. Die von ihr handelnden Texte des Neuen Testaments lassen sich in drei Klassen einteilen: a) Ostererzählungen, die den auferstandenen Jesus unter seiner Anhängerschaft zeigen und ihn Speise zu sich nehmen lassen; b) Geschichten vom leeren Grab; c) Bekenntnisse, denen zufolge Jesus von Jüngern und Jüngerinnen gesehen wurde.

Zu a) Gemäß einem großen wissenschaftlichen Konsens haben die Ostererzählungen der vier Evangelien über den auferstandenen Jesus keinen historischen Wert; als fromme Legenden beschreiben sie märchenhaft einen wiedererweckten Toten, der vor den Jüngern isst und sich von ihnen berühren lässt.

Zu b) Auch die Geschichten vom leeren Grab sind geschichtlich unbrauchbar.
Sie beantworten durch eine himmlische Botschaft, „Jesus wurde auferweckt, er ist nicht hier“, apologetisch die Frage nach dem Verbleib seines Leichnams und haben ebenso wie die Ostererzählungen der Evangelien in den ältesten Texten – nämlich den Briefen des Paulus – keine Spuren hinterlassen.

Zu c) Den Kern des ursprünglichen Osterglaubens belegen Bekenntnisse in den Briefen des Paulus; sie sprechen von einem Gesehen-Werden Jesu zunächst von Petrus, dann von anderen Zeugen. Demnach hat Petrus als Erster Jesus in einer Vision gesehen. Eine Vision ist ein Vorgang im menschlichen Geist und Produkt der eigenen Vorstellungskraft, obwohl Visionäre es regelmäßig anders einschätzen. Sie empfangen von außen Bilder, die Vision wirkt auf sie mit der vollen Kraft einer objektiven Tatsache.

Die leibliche Auferstehung Jesu ist frommer Betrug

Der Tod Jesu war ein Schock für die Jünger und Jüngerinnen. In sehnsüchtiger Hoffnung auf das Reich Gottes hatten sie sich gemeinsam mit Jesus nach Jerusalem begeben. Dessen Kreuzigung schien ihre Hoffnungen zu zerstören, die Ostervisionen übertrafen sie aber noch. Petrus hatte Jesus lebendig gesehen. Damit war der Inhalt der Vision den anderen vorgegeben.
Die Erstvision des Petrus wirkte förmlich ansteckend, ihr folgten unmittelbar weitere, bis schließlich auch Paulus eine Vision empfing.

Die historische Rekonstruktion der Entstehung des Glaubens an die leibliche Auferstehung Jesu führt unweigerlich zur Kritik an diesem Glauben. Denn am Anfang standen nur Visionen. Erst sekundär füllten die Erzählungen vom leeren Grab und vom leiblichen Zusammensein Jesu mit den Jüngern die historische Lücke. Aus der Vision eines Gestorbenen folgerten Christen irrtümlich, dass diese Person leiblich auferweckt worden war.

Die Kirchen beten einen Toten an

Aber Jesus wurde gar nicht von den Toten auferweckt, sein Leichnam verweste. Die Auferstehung Jesu ist frommer Betrug, so dass der Schluss unausweichlich wird: Die Kirchen beten seit 2000 Jahren einen Toten an.

 

Gerd Lüdemann ist Professor für Neues Testament. Von 1983 bis 1999 lehrte er dieses Fach an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Göttingen. Nach seinem Austritt aus der Evangelisch-lutherischen Kirche wurde ihm die Prüfungsberechtigung für das kirchliche Lehramt entzogen und seit 1999 lehrt er an der Universität Göttingen mit einem Sonderstatus an der Theologischen Fakultät „Geschichte und Literatur des frühen Christentums“.