Kommentar

Kirche besteht auf Präsenzgottesdiensten zu Ostern

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Die beiden christlichen Großkirchen in Deutschland zeigen sich überrascht von der Bitte der Politik, zwecks Eindämmung der Corona-Pandemie zu Ostern auf Präsenzgottesdienste zu verzichten. Die katholische Kirche erklärte bereits, dass man dieser Bitte nicht nachkommen werde. Ein Kommentar von Daniela Wakonigg.

Gestern wurde bekannt, dass während der jüngsten Corona-Beratungen von Regierung und Ministerpräsidenten unter anderem entschieden wurde, die Kirchen um den Verzicht auf Präsenzgottesdienste während des allgemeinen Oster-Lockdowns zu bitten. Die beiden großen Kirchen in Deutschland zeigten sich laut übereinstimmenden Medienberichten "überrascht" und "befremdet", als sie davon erfuhren.

An dieser Angelegenheit sind zwei Dinge bemerkenswert. Zum einen ist es erstaunlich, dass die Politik die Kirchen um Aussetzung von Präsenzgottesdiensten über Ostern BITTET. What the fuck!? Gastronomiebetriebe, Kultureinrichtungen, Einzelhandelsunternehmen und alle anderen wurden auch nicht GEBETEN, aus Infektionsschutzgründen auf eine Öffnung zu verzichten. Es wurde ihnen VERORDNET. Eine Regierung, die als Bittsteller um die Einhaltung sinnvoller Maßnahmen durch Religionsgemeinschaften winselt, sollte in einem säkularen Staat ganz dringend das eigene Verhältnis zu diesen Religionsgemeinschaften überdenken und nachjustieren.

Umso mehr, als die Kirchen zu politischen Entscheidungsprozessen nach wie vor eine selbstverständliche Nähe zu haben scheinen. Genau das verrät nämlich die zweite bemerkenswerte Sache in dieser Angelegenheit: Die Kirchen reagierten "überrascht" und "befremdet" auf die Bitte der Regierung. Während es vollkommen üblich ist, dass das Ergebnis der Corona-Beratungen zwischen Regierung und Ministerpräsidenten für Gastronomiebetriebe, Kultureinrichtungen, Einzelhandelsunternehmen und jeden normalen Bürger stets Überraschungen birgt, scheinen Kirchen ganz selbstverständlich davon auszugehen, dass die Politik bereits im Vorfeld von Beratungen mit ihnen über geplante Regelungen spricht. Entweder ist dies der Grund für das kirchliche Befremden oder es liegt darin begründet, dass man als Kirche in Deutschland üblicherweise sicher sein darf, dass die eigenen Privilegien von der Politik nicht angetastet werden. Beides wäre ein Armutszeugnis für Deutschland.

Für die Kirchen ist die Sache mit den Ostergottesdiensten nun eine kniffelige Zwickmühle, nachdem die Politik ihre Bitte ausgesprochen hat. Einerseits ist Ostern neben Weihnachten das größte Show-Event, das man fürs eigene Klientel zu bieten hat. Und während der verschnarchte Durchschnittsgottesdienst miserable Besucherzahlen aufweist, kommen Weihnachten und Ostern eben auch jene Beitragszahler vorbei, die sonst eher wenig Interesse an weihrauchgeschwängerter Kirchenluft zeigen. Ein prächtiger Ostergottesdienst ist deshalb aus marketingtechnischer Sicht wichtig für die Mitgliederbindung.

Andererseits besteht die Gefahr, dass man sich den eigenen Ruf in der Gesellschaft endgültig versaut. All jene, die auf Corona-Kosten anderer ihr eigenes Ding partout durchdrücken wollen, die Mallorca-Urlauber, Schnee-Touristen und Privatparty-Feierer, sind derzeit in der Öffentlichkeit nicht gut gelitten. "Warum sollen Kirchen Präsenzgottesdienste feiern, aber ich trotz gleichartigem Hygienekonzept mein Theater nicht öffnen dürfen?", mag sich so manch ein Kulturschaffender fragen. Das Beharren auf Öffnungsprivilegien, während ringsum alle schließen müssen, kommt bei den Menschen halt ähnlich gut an wie der Schrei nach einer Extrawurst während einer Hungersnot.

Die katholische Kirche tappte ins Fettnäpfchen und verkündete umgehend, dass man Ostern nicht auf Präsenzgottesdienste verzichten werde. Nach der Causa Woelki und der endgültigen Ablehnung der Segnung homosexueller Paare bereits das dritte zielsicher getroffene Fettnäpfchen in kurzer Folge, das Sympathiewerte und Mitgliederzahlen purzeln lässt.

Die evangelische Kirche war hingegen wohl schlau genug, die Zwickmühlen-Problematik zu erkennen. Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe erklärte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, dass man in den eigenen Gremien erst über die Bitte der Politik beraten werde, nachdem ein angekündigtes Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel stattgefunden habe. Übersetzt bedeutet das, dass man Angela Merkel noch einmal kräftig ins Gebet nehmen wird.

Ein Kompromiss zwischen präsentem Betbedürfnis und Schutz der Allgemeinheit vor Verbreitung des Coronavirus wäre übrigens durchaus zu finden. Einfach jeden Präsenzgottesdienstbesucher anschließend 14 Tage in Quarantäne schicken. Zusammen mit den Mallorca-Rückkehrern, deren Reiseziel anscheinend ebenfalls quasisakralen Status genießt. Anders lässt sich die gemeingefährliche Reisefreiheit für seuchensüchtige Ballermann-Freunde wohl kaum erklären.

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