Die Kunst des "Cold Reading"

Einleitung

James "The Amazing" Randi ist ein ehemaliger Zauberkünstler, der sich nun ganz der Aufklärung scheinbar paranormaler Phänomene widmet.

Die James Randi Educational Foundation bietet jedem eine Million US-Dollar an, der unter kontrollierten Bedingungen übernatürliche Fähigkeiten nachzuweist. Bislang gelang dies keinem Bewerber. James Randi ist Teilnehmer an der internationalen Brights-Bewegung.

 

 

 

Die Kunst des Cold Reading

von James Randi

Die momentan populären "Medien" wie Sylvia Browne, James Van Praagh und John Edward, denen man so viel Sendezeit bei Montel Williams, Larry King und anderen Shows einräumt, verwenden eine Technik, die als "Cold Reading" bekannt ist. Sie erzählen den Versuchspersonen nichts, raten jedoch, machen Andeutungen und stellen Fragen. Es handelt sich um eine sehr irreführende Kunst und der unachtsame Beobachter könnte zur Schlussfolgerung kommen, dass unbekannte Informationen durch irgendwelche wundersamen Mittel hervorgebracht wurden. Das ist jedoch nicht der Fall.

Beispiele: "Ich bekomme hier einen älteren Mann" ist eine Frage, ein Hinweis und eine Vermutung des "Lesers", der von der Versuchsperson irgendeine Reaktion erwartet und sie normalerweise auch erhält. Diese Reaktion kann nur ein Nicken sein, der richtige Name einer Person, oder eine Identifikation (Bruder, Ehemann, Großvater), die allerdings VON DER VERSUCHSPERSON geliefert wird, nicht vom Leser. "Sie sagen 'Bob' oder 'Robert.' Erkennen Sie diese Person?" ist eine andere Frage, ein Hinweis und eine Vermutung. Falls es einen Bob oder Robert gibt, wird die Versuchsperson näher auf die Identifikation eingehen. Sollte jedoch nicht sofort ein Bob oder Robert erkannt werden, wird der Leser sofort weitermachen, nachdem er vorgibt, Bob sei zwar schon hier, er werde nur momentan nicht erkannt. Falls sich später doch jemand an einen Bob erinnert, wird dies ins Spiel aufgenommen. Sie sollten sich einmal ein Video von einem Reading genau ansehen und anhören. In einem solchen von Van Praagh, das von der "48 Hours"-Fernsehsendung vorbereitet wurde und 60 Minuten dauerte, wurden nur ZWEI echte Aussagen gemacht und 260 Fragen gestellt. Beide der echten Aussagen -- Vermutungen -- waren falsch. Van Praagh suchte nach dem Namen des verstorbenen Mannes einer Frau und er erwähnte ihn, indem er fragte: "Kennen Sie jemanden, der Jack heißt?". Die Frau antwortete: "Ja! Jack, das ist mein Mann!" Van Praagh hatte "Jack" allerdings gar nicht identifiziert. Er fragte sie, ob SIE ihn identifizieren würde. Zu diesem Zeitpunkt hatte Van Praagh bereits 26 andere Männernamen an ihr ausprobiert -- alle falsch. Die Frau jedoch -- die Versuchsperson -- vergaß alle diese Fehlversuche, weil sie ihr nicht wichtig waren. "Jack" war ihr wichtig.

Die Leser kennen einen Weg, die Versuchsperson dazu zu bringen, dass sie glaubt, sie wüssten etwas, das sie nicht wissen.
Beispiel:

Leser: "Verweilte Ihr Mann noch länger im Krankenhaus, oder starb er schnell?"

Versuchsperson: "Oh, er starb beinahe sofort!"

"Leser: "Ja, weil er nämlich zu mir sagt: 'Ich musste nicht leiden. Mir wurde der Schmerz erspart.'"

Es ist seltsam, dass der Leser (in diesem Fall Van Praagh) überhaupt diese Frage stellen musste...

Bedenken Sie auch, dass diese Leser oft hinausgehen und mit dem Publikum reden, wenn sie in der Reihe warten, um ins Studio oder in den Zuschauerraum zu gelangen. Diese Technik wurde von der sehr erfolgreichen Leserin Doris Strokes eingeführt. Sie würde ihre gesammelten Informationen wiedergeben, als ob sie ihre Erinnerung von dem, was man ihr gerade gesagt hatte, auffrischen wollte. "Sind Sie die Dame, deren Schwester ihr irdisches Dasein hinter sich gelassen hat, Schätzchen?" würde natürlich Zustimmung des Opfers und Ahhhhs vom Publikum zur Folge haben. Auch eine Person, die den Leser vor der TV-Show oder beim Zuschauertreffen anspricht und ihm sagt, dass sie eine Frage über ihre verstorbene Großmutter hat, kann später, wenn die Kamera eingeschalten ist oder während der Live-Begegnung, aus dem Publikum ausgewählt und dann gefragt werden, "Betrifft Ihre Frage Ihre Großmutter?", und das erscheint -- allen anderen -- wie ein Volltreffer. Oder, und das ist gewiss sehr subtil, Leute im Studio oder im Zuschauerbereich -- für gewöhnlich nach vorne gesetzt, damit man sie am besten sehen kann -- sind manchmal diejenigen, die bereits bei dem "Medium" eine private Lesung hatten, wo man sie dann darum bat, reservierte Sitze beim persönlichen, öffentlichen Treffen einzunehmen, um "mehr Informationen zu gewinnen", indem man die "kollektive Macht des versammelten Publikums" nutzt. Der Leser wiederholt dann die zuvor gesammelten Daten, was sowohl den Zuschauern im Studio, denen im Zuschauerbereich, wie auch den Zuschauern zu Hause, wundersam erscheint.

Wir haben Sylvia Browne 1989 live im Fernsehen einem Test unterzogen, und sie scheiterte kläglich. Bei dieser Gelegenheit wurde ihr nicht erlaubt, im Voraus mit jemandem zu sprechen, oder im Voraus Fragen zu stellen, oder etwas zu erzählen. Die Zuschauer wurden darum gebeten, nur mit "Ja" oder "Nein" zu antworten, wenn ihnen eine DIREKTE Frage gestellt wird, und Sylvia versagte auf der ganzen Linie. Sie schob alles auf schlechte Schwingungen... Van Praagh und Edward antworteten nicht auf unser Angebot, sie zu testen -- nicht einmal für den Millionen-Dollar-Preis.

Sie sehen also, dass es Ihre Wahrnehmung dessen ist, was tatsächlich geschieht, nicht der wirkliche Vorgang, sowie Ihre Nichtbeachtung anderer subtiler Hinweise und Methoden, die Sie bei der Beobachtung dieser "Medien" auf die falsche Fährte führen.

Ich nenne Ihnen etwas als Beispiel, das ich tat, als ich in der Rolle eines Gedankenlesers in meiner Heimatstadt Toronto im Alter von 18 Jahren auftrat. (Ich füge schnell hinzu, dass ich IMMER vollkommen jedwede echten Kräfte abstreiten würde, sowohl vor als auch nach der Show.) Sie hatten einen großen Zuschauerraum, der mit reservierten Sitzen gefüllt war, jeder von diesen mit erwartungsvollen Versuchspersonen besetzt. Es handelte sich um eine Art von Wohltätigkeitsangelegenheit und die Sitze waren teuer. Als ich mich mit diversen bewegenden Objekten und der Kopie von Handschriften mit verbunden Augen warmgelaufen hatte (Löffelbiegen war noch kein beliebtes Wunder!), hielt ich augenblicklich inne und deutete auf eine Dame in der dritten Reihe des Seitenschiffs. "Man bringt mich dazu, Ihnen zu sagen, dass ich den zweiten Vornamen 'Rose' für sie erhalte, Fräulein!" Ich schrie. Ihr Keuchen verriet mir, dass ich Recht hatte. "Und dieser Name ist mehr als bedeutsam für Sie." Sie lehnte sich nach vorne. "Ich sehe eine Uhr, eine sehr alte Uhr, und auf dem Ziffernblatt drei rosafarbene Rosen." Sie begann zu sprechen und ich hielt sie davon ab, indem ich meine Hand hob. "Dies ist jedoch eine seltsame Uhr. Sie kann die Zeit nicht anzeigen!" Nun stand die arme Frau kurz davor, vor Aufregung in Ohnmacht zu fallen. "Warum ist sie unnütz? Ich sehe zwei Pfeile, oder Wurfpfeile... Sie sind aus Metall und sie sind zerbrochen... Ah! Ich sehe es! Das sind die Zeiger dieser Uhr und sie sind von der Vorderseite abgefallen und liegen nun zusammen hinter der gläsernen Decke des Ziffernblatts. Ist das richtig?" Die Frau stand nun da mit offenem Mund und sie nickte fest. Sie war völlig entgeistert und der Applaus war in der Tat kräftig. Wie habe ich das gemacht? Eine glückliche Mutmaßung? Nein. Planung.

Mein Kumpel T.K. Lawson hatte schon seit längerem mit diesem Wohltätigkeitsverein zusammengearbeitet. Er war derjenige, der mir den Auftritt (ein Vertragsauftritt) besorgt hatte. Er war außerdem durch mehrere Nachbarschaften gelaufen, um dort Eintrittskarten an wahrscheinliche Spender zu verkaufen. Jener Dame hatte er Eintrittskarten mit den Nummern CC-20 und CC-22 besorgt und sie lud ihn in ihr Wohnzimmer ein, während sie einen Scheck ausfüllte, um die Eintrittskarten zu bezahlen. Es fiel ihm auf, dass das Thema "Rose" überall präsent war und dass ein geschmückter Probierer mit dem vollen Namen der Frau von der Tür eingerahmt wurde. Jene Uhr befand sich in der Nähe des offenen Kamins. T.K. notierte sich diese Fakten und berichtete sie mir. Ich muss Ihnen sagen, dass wir die Dame nach der Show abfingen und ihr erklärten, wie ich ein "Medium" sein konnte. Die Erklärung amüsierte sie sehr und sie war dankbar, dass wir daran dachten, ihr davon zu erzählen.

Ich glaube irgendwie kaum, dass Browne, Edward und Van Praagh sich bequemen würden, so etwas zu tun. Schließlich behaupten sie, dass sie WIRKLICH "mit den Toten sprechen".

Ich bin erstaunt darüber, wie sehr der Tod Menschen beeinflusst, die von ihm betroffen sind. Das macht sie wirklich dumm und vergesslich. Wann immer ich ein "Medium" -- oder Spiritualisten -- darum gebeten habe, meine Großmutter väterlicherseits zu kontaktieren, konnte sie sich offenbar nicht einmal an den Namen ihres Ehemanns erinnern, oder an den Namen ihrer Kirche -- beides wichtige Bestandteile in ihrem Leben, als sie "hier" war. Nun, da sie "dort" ist, hat sie ihr wahrlich bemerkenswerter Intellekt praktisch völlig verlassen.

Übersetzung: Andreas Müller
Original: www.randi.org

 

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