„Der Tod wird euch finden“

(hpd) Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gelten Osama bin Laden als Verkörperung des Bösen und al-Qaida als Ansammlung von

Superschurken. Doch handelt es sich hierbei um ein realistisches Bild oder um eine verzerrte Wahrnehmung? Eher letzteres, lautet die Antwort nach der Lektüre von Lawrence Wrights Buch „Der Tod wird Euch finden. Al-Qaida und der Weg zum 11. September“. Der mehrfach ausgezeichnete Autor arbeitet seit 1992 für das Magazin „The New Yorker“ und erhielt für die Originalausgabe des Buches u.a. den renommierten Pulitzer-Preis.

Wie der Untertitel andeutet, will Wright die Geschichte al-Qaidas auf dem Weg zum 11. September 2001 nachzeichnen. Dies geschieht allerdings nicht auf konventionellem Wege einer Aneinanderreihung von Entwicklungsphasen. Vielmehr stellen die einzelnen Kapitel meist Berichte über die Handlungen bestimmter Personen dar, welche dann in den Terroranschlägen kulminieren.

Im Zentrum stehen dabei Ajman al-Sawahiri, Leiter der Gruppe al-Dschihad und Ideologe der al-Qaida, und Osama bin Laden, Finanzier und Führungsfigur der al-Qaida, auf der einen Seite und Turk al-Faisal, zeitweiliger Geheimdienstchef Saudi-Arabiens, und John O'Neill, wichtiger Terroristenfahnder des FBI, auf der anderen Seite. Um diese und andere Personen herum zeichnet Wright die ideologische und organisatorische Entwicklung des islamistischen Terrorismus nach.

Dabei zeigt sich anhand von vielen Details, wie wenig al-Qaida auch vor den Anschlägen von 2001 eine gut funktionierende Terror-Gruppe war. Es gab interne Fehden und politische Konflikte. Anschläge erwiesen sich mehr als Ergebnis geglückter Improvisationen denn als Resultat systematischer Planungen. Aufgrund des damit zusammenhängenden bizarren Bildes habe man lange Zeit al-Qaida nicht besonders ernst genommen. Damit verbundenen Fehleinschätzungen von CIA- und FBI widmet Wright ebenfalls große Aufmerksamkeit.

Wrights Buch liest sich wie ein Krimi oder Thriller; offenbar hat er es auch bewusst so angelegt. Dies erhöht die Lesbarkeit und Spannung, stellt aber auch ein Problem für die Einschätzung der präsentierten Darstellungen und Deutungen dar. In den letzten Jahren habe er, so der Autor, mit mehr als 600 Personen Interviews geführt, zum großen Teil mit Dschihadisten und Geheimdienstmitarbeitern. Im kleingedruckten Anhang mit den Anmerkungen zu den Quellen bemerkt Wright aber auch, er berichte über Dinge, die er für wahr halte, aber nicht beweisen könne. Dies kann der Leser ebenso wenig nachvollziehen wie die Schilderungen aus den zahlreichen Interviews. So etwas mag in der Natur der Sache einer solchen Vorgehensweise liegen, lässt aber die Frage nach Richtigkeit und Wahrheitsgehalt des Geschilderten unbeantwortet.

Gleichwohl verdient das Buch Interesse, insbesondere aufgrund der Schilderungen über die Differenzen und Konflikte innerhalb der al-Qaida. Eine kluge Strategie zur Bekämpfung des Terrorismus sollte darauf ein besonderes Augenmerk richten. Ob dies aber schon für den Pulitzer-Preis reicht, hätte die Jury kritischer hinterfragen können. Kein schlechtes Buch zum Thema, aber es gibt sicherlich bessere Werke.

 

Armin Pfahl-Traughber

 

Lawrence Wright, Der Tod wird Euch finden. Al-Qaida und der Weg zum 11. September, Aus dem Englischen von Stefan Gebauer und Hans Freundl, München 2007 (Deutsche Verlags-Anstalt), 542 S., 24,95 € - ISBN-10: 3421043035, ISBN-13: 978-3421043030