Menschenwürde und die PID

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Zwei und vier Zellen / Foto: Minami Himemiya (wikimedia commons)

KÖLN. (hpd) Die Diskussion um die PID nimmt leider in unserem Land immer stärker irrationale Züge an. Insbesondere religiös motivierte Menschen sehen in der PID einen Eingriff in das Werk Gottes, denn es findet dabei eine künstliche Selektion statt. Aber auch nichtreligiöse Menschen sehen hier zum Teil die Menschenwürde verletzt und befürchten damit den Einstieg in eine ausufernde Genmanipulation am menschlichen Erbgut.

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist eine Methode, künstlich befruchtete Eizellen vor ihrer Einpflanzung auf Gendefekte hin zu untersuchen. Bei Paaren, denen eine natürliche Schwangerschaft versagt ist, werden außerhalb des Mutterleibes mehrere Eizellen im Reagenzglas befruchtet. Durch Abtrennen und Untersuchung einer einzelnen Stammzelle, etwa 3 Tage nach der Befruchtung, können Gendefekte entdeckt werden, die zu einer schweren Krankheit oder Behinderung führen könnten. Solche befruchteten Eizellen können aussortiert werden. Ein Embryo ohne Befund wird dann in den Mutterleib eingesetzt und ausgetragen.

In den meisten Ländern ist die PID ohne Einschränkung erlaubt. In der BRD wird zurzeit eine Gesetzesvorlage diskutiert, mit der die PID nur noch in Ausnahmefällen gestattet ist. Solche Ausnahmen lägen dann vor, wenn einer der Elternteile durch Erbkrankheiten vorbelastet wäre. Das Absurde an der deutschen Gesetzeslage ist aber, dass Defekte, die nach der Implantation des Fötus z.B. im Ultraschallbild entdeckt werden, eine Abtreibung erlauben würden. Während es also bei der PID grundsätzlich nicht zu zusätzlichen Tötungen von befruchteten Eizellen kommt, wird bei der Abtreibung konkret ein beginnendes Leben getötet.

Der Begriff der Menschenwürde

Aber gehen wir zunächst zurück zu den ethischen Grundlagen. Was ist Menschenwürde und wie manifestiert sie sich? In unserem Grundgesetz steht, dass sie unantastbar sei. Der Begriff der Menschenwürde ist aber schwer zu fassen. Es gibt dazu verschiedene Herleitungen. Bei der religiösen Definition geht man von der Bibelweisheit aus, dass der Mensch das Ebenbild Gottes ist. Alle Menschen sind gleich. Viele Theologen sehen völlig richtig, dass ohne einen solchen transzendenten Bezug die Menschenwürde nicht so recht definiert werden kann. Der Beginn der Menschenwürde eines Individuums ist nach der Ansicht der meisten Theologen identisch mit dem Beginn der Menschwerdung d.h. mit der Befruchtung der Eizelle und dahinter muss der Wunsch und ein mögliches Recht der Eltern auf ein gesundes Kind zurücktreten.

In einem säkularen Staat sind solche religiösen Begründungen aber problematisch. Von daher stellt sich die Frage, ob es nicht auch andere Möglichkeiten gibt, die Menschenwürde zu definieren, denn immerhin bekennen sich auch viele säkulare Humanisten zu diesem Begriff. Immanuel Kant hat in seiner „Kritik der Urteilskraft“ und auch in seinen anderen Werken die Menschenwürde auf der Existenz des freien Willens aufgebaut. Im Gegensatz zu den Tieren kann der Mensch über seine Handlungen frei entscheiden. Seine Willensentscheidungen berücksichtigen seine sittlich-moralischen Werte. Die gesamte Moralphilosophie Kants stellt sich aber, insbesondere durch die Ergebnisse der modernen Hirnforschung, immer mehr als Fehlkonstruktion heraus. Aber auch unabhängig davon, war sie in ihrer strikten Formulierung schon vom Ansatz her sehr fragwürdig. Schopenhauer hat dies schon früh erkannt und entsprechend kritisiert. In Bezug auf die PID ist jedenfalls klar, dass die Würde mit dieser Begründung nur einem Wesen mit einem freien Willen zugeordnet werden kann. Dazu braucht dieses Wesen zumindest ein funktionierendes Gehirn. Der Zellhaufen (4 bis 8 Zellen), der zur PID herangezogen wird, besitzt aber keine einzige Nervenzelle. Im Gegensatz dazu verfügen höher entwickelte Lebewesen, wie z.B. Menschenaffen über ein Gehirn, das dem des Menschen nur eher gering und etwa bis zum 2.Lebensjahr fast überhaupt nicht unterlegen ist. Solchen Lebewesen sprechen wir aber zumindest in unserer Gesetzgebung keinerlei Würde zu. Unabhängig davon ist die Existenz eines freien Willens äußerst zweifelhaft (siehe dazu auch den Beitrag: Ist der Wille frei?).

Unabhängig von diesen verfehlten Herleitungen haben wir aber in unserer Alltagswelt dennoch eine relativ klare Vorstellung von dem, was wir unter Würde verstehen. Wir verbinden damit ein Verhalten, das bei anderen Ehrfurcht hervorruft. Dies ist besonders dann der Fall, wenn jemand unter Zurücksetzung seiner eigenen Interessen anderen hilft, oder wenn jemand an sich selbst besonders hohe moralische Ansprüche stellt. Daneben fördern besondere berufliche oder künstlerische Leistungen, sowie das Innehaben eines besonderen Amtes das Ansehen einer Person und damit auch seine Würde. Dieses hier beschriebene Verständnis von Würde ist dann etwas, was man sich erarbeiten und verdienen muss. Aber dennoch sind all diese Beurteilungen weder absolut definierbar noch zeitlich konstant, da sie als Wertvorstellung einem ständigen Wandel unterliegen. Aber auch hier es ja so, dass zu all diesen Eigenschaften ein funktionierendes Gehirn zwingend notwendig ist, also etwas, was eine befruchtete Eizelle nicht hat. Wenn man aber mit Menschenwürde eine Würde verstehen soll, die jedem Menschen, unabhängig von seinem Verhalten und seinen geistigen Fähigkeiten, alleine dadurch dass er Mensch ist, zukommt, wird es wieder problematisch, denn was genau unterscheidet den Menschen von den höher entwickelten Tieren?

Für den Psychologen Steven Pinker (siehe Artikel: Die Menschenwürde ist antastbar) gibt es drei Merkmale, die die Würde als Fundament der Bioethik ausschließen:

1. Die Würde ist relativ
Die Zuschreibung von Würde unterscheidet sich je nach Zeitalter, Ort und Betrachter.

2. Die Würde ist ersetzbar
Jeder entledigt sich seiner Würde freiwillig und immer wieder, wenn es um einen alltäglichen Nutzen geht. Die moderne Medizin hat viele unwürdige Prozeduren, etwa eine Darmspiegelung. Für Leben, Gesundheit und Sicherheit lassen wir gerne die Würde beiseite.

3. Die Würde kann Schaden anrichten
Politische oder religiöse Repressionen werden oft als Verteidigung der Würde eines Staates, eines Führers oder Glaubens gerechtfertigt. Der Preis der Freiheit besteht darin, das Verhalten anderer zu tolerieren, auch wenn es uns unwürdig erscheint.