Erich-Kästner-Museum

DRESDEN. Auch in diesem Jahr feierte der Förderverein für das Erich Kästner-Museum/Dresdner Literaturbüro e.V. das Museumsfestival. Seit einigen Jahren bildet es jeweils um Kästners Geburtstag Ende Februar/Anfang März (dieses Jahr 23.2. - 2.3.2007) den Höhepunkt des Veranstaltungsjahres. Aber das Kästner-Museum ist auch zu allen anderen Zeiten des Jahres einen Besuch wert.

Der Architekt und Künstler Ruairí O'Brien erschuf vor nunmehr 8 Jahren eine dreidimensionale, begehbare, künstlerische Konstruktion als Ehrung für das vielschichtige Leben und Werk des weltbekannten Autors. Es verkörpert eine Architektur des Erinnerns und Verwandelns; zugleich ist es ein ungewöhnliches Podium - ausgefallen durch sein museologisch-architektonisches Konzept, aber auch durch die Programme. Literatur soll als Kunstform und Kommunikationsmittel die Verbindung zu anderen Künsten und Wissensbereichen herstellen. Durch diese Zielsetzung werden, ganz im Geiste Kästners, Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten von Kultur und Gesellschaft sichtbar und fühlbar gemacht.

Die Besucher können selbsttätig durch Untersuchen und Bedienen der einzelnen Museumskomponenten (bestehend aus handschriftlichen und gedruckte Quellen, Fotos, Dokumenten, Videofilmen, CDs, Büchern und Zeitschriften), Erich Kästners Werk erobern. Um einen Multimedia-Kern sind 13 mobile Säulen angeordnet, in deren nach Themen farblich verschieden gekennzeichneten Schubladen, Fächern und Magnetflächen man sich in die einzelnen Objekte vertiefen kann. Mit dem "Haus im Haus" wird eine neuartige, moderne Museumskonzeption erfolgreich erprobt. Sie ist im realen und virtuellen Raum ein differenzierter und zeitgemäßer Ort der Erinnerung.

Das Festival folgt jedes Jahr einem der 15 Piktogramme, mit denen O'Brien das Konzept seines micromuseum® bildhaft dargestellt hat (im Anhang). Mit dem Piktogramm dieses Jahres „Bauklötze" widmete sich das Festival dem Leitthema Konstruktion, auch in Anlehnung an das diesjährige Jahreshauptthema Dresdens "Stadt der Architektur".
Die engen Beziehungen und Wechselwirkungen von Sprache, Literatur und Architektur sind tief in der Kulturgeschichte verankert. Anliegen des Programms ist es, unter Bezug auf das Kästnersche Werk, Verbindungen und Parallelen zwischen Architektur und Literatur aufzuspüren, literarische Stadtimpressionen vorzustellen, sowie auch Texte zu analysieren und räumlich-sinnliche Wahrnehmungen und ihre sprachliche Realisierung zu betrachten.

Neben Fachvorträgen wurde durch die Einbindung anderer künstlerischer Umsetzungen und Workshops das Kästnersche Kunstverständnis vermittelt.

Erich Kästner selbst hat sich mit der Bedeutung von Architektur für die Entwicklung der Literatur auseinander gesetzt, was zahlreiche seiner Texte belegen ( „Kleinstädtisches Berlin" 1927). Viele architektonische Elemente kehren gerade in seinen autobiografisch gefärbten Texten „Als ich ein kleiner Junge war" (1957) wieder. „Emil und die Detektive" ebenso wie „Fabian" zeigen Strukturmerkmale eines Stadtromans auf, wobei der städtische Handlungsraum nicht nur positiv betrachtet wird.

Begonnen wurde die Festival-Woche mit Theo Richtsteigers literarischem Kabarett-Programm und der zeitgleich gestarteten öffentlichen Materialsammlung O'Briens für sein multimediales Gesellschaftskunstwerk „Turm zu Babel", welches im September 2007 eingeweiht wird.
In seinem Vortrag zeigte Remo Hug (Lektor und Redakteur aus Zürich) Erich Kästner als Konstrukteur von lyrischem Sprechen. Dies wurde mit dem Film „Fabian" (1980) illustriert und zeigt die Kästnersche Konstruktion eines Großstadtromans sowie dessen architektonisch-literarische Elemente.

Der künstlerische Konstruktions-Workshop Ruairí O'Briens „Literatur und Architektur" war einerseits für Kinder und andererseits für Architektur-Studenten angelegt. Er gab jeweils altersspezifisch die Wechselbeziehung zwischen Architektur und Literatur wieder und bot Möglichkeiten der praktischen Erprobung. Von und für Kinder war auch die Theateraufführung die "Die Schildbürger".

„Derrida" (2002) ist eine Dokumentation über und mit Jacques Derrida, der als „Vater der Dekonstruktion" zu Weltruhm gekommen war. Es ist nicht nur die Skizze einer Biografie, auch nicht nur eine Einführung in Widerriet Denken, sondern vielmehr ein dichter und unterhaltsamer Dialog, dessen Themen und Inszenierung die Theorien des Philosophen reflektieren und die Verbindungen zwischen dem Menschen und dem Philosophen herstellt. In der anschließenden offenen Gesprächsrunde wurde über Postmoderne und Dekonstruktion diskutiert.

Und noch etwas Ungewöhnliches: Das filmische Aufzeichnen eines Schreibprozesses, das Beobachten eines Autors beim Probieren und Korrigieren von Texten. Der Dokumentarfilm „Houwelandt - ein Roman entsteht" zeigt, was eigentlich zunächst undenkbar scheint: Jörg Adolph hat den Autor John von Düffel bei der Arbeit an seinem Roman „Houwelandt" (2004) begleitet und seine Kamera ganz dicht am Entstehungsprozess laufen lassen. John von Düffel las dazu Passagen aus seinem Roman.

Erich Kästner gehört zu den wenigen deutschen Schriftstellern mit umfangreicher Filmographie. Dazu zählen die Drehbücher nach eigenen Stoffen, Mitarbeit an anderen Drehbüchern, Synchronfassungen und die Verfilmungen nach Kästner-Stoffen. Mit der diesjährigen Kabinettausstellung „Produktionen im Dreh. Kästner-Filme für die ganze Familie" - in Zusammenarbeit mit Peter Zenk (von Lunaris) und Uschi Reich (von Bavaria) wird der Entstehungsprozess der Neuverfilmung von Kästner-Kinderbüchern gezeigt, angefangen von den Texten über den Dreh bis zum fertigen Film und seine Rezeption in den Medien. Er kommt dabei selbst als Rezensent und Kritiker in Textauszügen zu Wort.

Die Ausstellung zeigt Kästner gemäß dem Motto „Konstruktion" als Architekturdichter, Literaturkonstrukteur und Leser architektonischer Werke und schlägt damit die Brücke zwischen Literatur und Architektur.

Elke Schäfer

 

Erich Kästner Museum / Villa Augustin am Albertplatz

Antonstr. 1 - 01097 Dresden / Tel: (0351) 804 50 86

Öffnungszeiten: So, Mo, Die 10-18 Uhr / Mi 10-20 Uhr