(hpd) Patrick Bahners, Feuilletonchef der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, kritisiert die Auffassungen und Schriften von angeblichen „Islamkritikern“ wie Henryk M. Broder, Necla Kelek oder Thilo Sarrazin. Dabei setzt er deren Dramatisierung, Einseitigkeit und Polemik leider eine eigene Dramatisierung, Einseitigkeit und Polemik entgegen, ohne den Unterschied zwischen dieser „Islamkritik“ und einer aufklärerischen Islamkritik zu berücksichtigen.
„Das Thema meines Buches“, so FAZ-Feuilleton-Chef Patrick Bahners in einem Interview mit der „Zeit“ (Nr. 8 vom 17. Februar 2011, S. 50) „ist jene Islamkritik, die meint, dass die Hilfstruppen von Ahmadinedschad und al-Qaida einen verdeckten Krieg in unserem Alltag führen.“ Und weiter bemerkt er: „Ralph Giordano oder Necla Kelek behaupten, dass derjenige, der ein frommes muslimisches Leben führen will und die Heilsbotschaft des Koran akzeptiert, früher oder später zum heiligen Krieger werden muss, weil es innerhalb der islamischen Tradition keine Möglichkeit gibt, den Islam zu entschärfen. Wahnhaft erscheint mir, dass man nun vor jedem türkischen Gemüsehändler und vor jeder Kopftuchträgerin Angst haben muss.“ Gegen diesen hysterischen Alarmismus, der mit der bürgerlichen Begeisterung für Thilo Sarrazins Auffassungen auch in die Mitte von Gesellschaft und Politik eingedrungen sei, will Bahners in seinem Buch „Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam. Eine Streitschrift“ anargumentieren.
Ohne Einleitung beginnt es mit den Überreaktionen auf die Worte des Bundespräsidenten Wulf, wonach der Islam auch ein Teil Deutschlands sei. Dem folgen in den sieben Kapiteln Auseinandersetzungen mit den unterschiedlichsten Phänomen einer „Islamkritik“. Dabei geht es um das Bild von den Muslimen bei Thilo Sarrazin, den Moschee-Bau in der Provinz, die Bücher von Necla Kelek, den Muslim-Test in Baden-Württemberg, die Polemiken von Alice Schwarzer oder die Fehldeutungen einer Studie über Gewalt bei jungen Muslimen. Bei seiner Kritik an Polemik, Übertreibungen und Verallgemeinerungen der Islamkritiker spart Bahners selbst nicht mit Polemik, Übertreibungen und Verallgemeinerungen. Sie münden nicht selten in Sätzen wie: „Aber in der Islamkritik ist die Kuriosität von gestern, die diskussionswürdige Wahrheit von heute und die unbequeme Wahrheit von morgen“ (S. 70) oder „Die Islamkritiker sehen sich als schreibende Eingreiftruppe in der großen westlichen Tradition der Intellektuellen, der militanten Freunde der Menschheit“ (S. 154).
Manchmal gelingen Bahners dabei treffende Formulierungen wie: „Broders Welt ist übersichtlich: Es gibt nur einen Krieg, nur einen Feind, nur eine Front. Diese radikale Vereinfachung der Weltverhältnisse macht die Attraktion der Islamkritik aus“ (S. 262). Manchmal vergreift der Autor sich aber auch und wird persönlich und unsachlich, etwa wenn er der jetzigen Familienministerin Kristina Schröder vorwirft, sie sei „das erste Beispiel für eine Karriere auf dem Ticket der Islamkritik“ (S. 269). Ob man unsachlicher Polemik mit unsachlicher Polemik begegnen soll, mag eine strittige Frage sein. Bei der Lektüre merkt man dem Autor an, dass ihm Empörung und Zorn in die Feder bzw. Tastatur geflossen sind. Doch wenn man Protagonisten entgegen treten will, welche im Namen von Aufklärung und Vernunft auftreten, dann sollte man ihnen auf diesem Feld begegnen. Necla Keleks Bücher können mit ihrer Aneinanderreihung von persönlichen Eindrücken kaum Wissenschaftlichkeit beanspruchen. Warum kann man dies nicht klar und kühl aufzeigen?
Eine solche argumentative Auseinandersetzung bietet sich auch gegenüber Autoren wie Thilo Sarrazin oder Udo Ulfkotte mit ihren kaum haltbaren angeblichen Sachaussagen an. Es fehlt in Bahners Buch aber noch an anderen Perspektiven. Er schreibt am Ende: „Nicht wie aus einem Munde, aber immer lauter ertönt es heute. Der Islam ist das Problem. Was wollen diejenigen, die diese Parole lancieren?“ (S. 308). Genau diese Frage nach dem politischen Standpunkt und Willen der genannten „Islamkritiker“ hätte ausführlicher erläutert werden müssen. Gleiches gilt für die gesellschaftliche Wirkung etwa im Kontext des Bestsellers von Sarrazin. Da dies alles fehlt steht Polemik gegen Polemik. Man mag der von Bahners inhaltlich mehr zuneigen, inhaltlich argumentationsfest ist sie aber eigentlich nicht. Als Ärgernis kommt folgender Gesichtspunkt hinzu: Er spricht von den „Islamkritikern“. Sind die erwähnten Autoren aber wirklich Kritiker des Islam? Und: Nicht jeder gegenwärtiger Kritiker des Islam vertritt in Inhalt und Niveau das Gleiche wie die Broders und Sarrazins.
Armin Pfahl-Traughber
Patrick Bahners, Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam. Eine Streitschrift, München 2011 (C. H. Beck-Verlag), 320 S., 19,95 €