TIROL. (hpd) Ein Tiroler Diakon tourt durch Supermärkte. Dort will er Menschen ansprechen und ihnen sagen, „wie sie ihr Leben aus dem Glauben heraus gestalten können“. Die Genehmigung der Supermarkt-Kette hat er. Kritiker sehen das als plumpe Missionierungsversuche.
Was tut man nicht alles, wenn einem die Kundschaft abhanden kommt. Derlei weltliche Probleme mögen die Tiroler Supermarkt-Kette M-Preis nicht quälen. Auf ihrer Homepage präsentiert sich das Unternehmen als erfolgreich und sozial. Derlei Sorgen hat eher eine Organisation, die immer wieder eng mit der Kette zusammenarbeitet. Tirol, das als Verkörperung eines kämpferischen, konservativen und selbstbewussten Katholizismus gilt, ist seit geraumer Zeit nicht mehr so heilig wie es sein Beiname erwarten ließe. Gerade etwas mehr als 65 Prozent all jener, die ihren Hauptwohnsitz im Bundesland haben, sind Mitglieder der katholischen Kirche. Im Vorjahr sind mehr als 5.800 Menschen aus der Kirche ausgetreten. Fast doppelt so viele wie 2009. Von der „Treue zu Gott“, die der Tiroler Landtag noch 1989 in die Präambel der Landesverfassung hob, haben sich die Tiroler Bürger offenbar seit längerem verabschiedet.
Geht es nach Wilhelm Holzhammer, soll sich das ändern. Der Diakon geht seit zwei Wochen samstags auf Seelen-Shopping in M-Preis-Filialen. Je nach Standpunkt im Auftrag des Herrn oder – etwas profaner und leichter belegbar – der Kirchenzeitung „Tiroler Sonntag“ der Diözese Innsbruck. Für die gibt der pensionierte Computertechniker gern den hemdsärmeligen Kumpel in allen Lebenslagen. „Frag den Willi“ heißt seine Ratgeber-Seite auf der Zeitungshomepage. Geht es nach der Darstellung der Kirchenzeitung, sind die Supermarkt-Auftritte quasi die mobile Analogvariante des bisherigen Service.
Als PR-Aktion erfolgreich
Laut Darstellung der Kirchenzeitung wartet Holzhammer bei seinen Stelldicheins „zwischen Obstregal und Fleischtheke“ auf Kundschaft mit eher jenseitigen Wünschen. Er wolle dorthin, wo die Menschen sind, lässt der Diakon ausrichten. „Vielleicht kann ich helfen, einen Schritt weiter zu gehen, wenn sich jemand Gedanken macht, wie er sein Leben aus dem Glauben gestalten will“, zitiert ihn die katholische Nachrichtenagentur kathpress in einer Aussendung.
Der Einsatz Holzhammers wandelt hart an der Grenze zwischen Missionierung im öffentlichen Raum und PR-Aktion. Mag sein, dass die Idee von ihm stammt. Organisiert hat die Seelen-Shopping-Tour die Kirchenzeitung, die via kathpress auch für die Verbreitung der Botschaft sorgte. Zahlreiche österreichische Medien übernahmen die Presseaussendung ohne größere Änderungen. Unterm Strich blieb die Botschaft: Unermüdlicher Diakon geht unkonventionelle Wege. Fallweise wurde auch der Lebenslauf Holzhammers zitiert – freilich nur der Teil seit seiner Erweckung am St.-Jakobs-Weg. Über sein Vorleben heißt es lapidar, er sei Computertechniker gewesen.
In Internet-Foren kommt die Aktion nicht gut an. „Demnächst sollen sie dann Drive-In-Taufen anbieten, damit die Mitgliederzahlen wieder steigen“, ätzte ein User auf derstandard.at. Replik: „Auf Beichtautomaten nicht vergessen.“
Kritiker: Aufdringliche Aktion
Etwas weniger lustig sehen das Kritiker. Sepp Rothwangl von der Plattform Opfer kirchlicher Gewalt etwa fühlt sich an ein Erlebnis erinnert, als ihm ein Pfarrer vor wenigen Jahren Schokolade aufdrängen wollte. „Der kannte meine kritische Einstellung“. Dass sich Menschen belästigt fühlen könnten, wenn sie in einem bisher kirchenfreien Raum auf Missionare stoßen, schließt niemand aus. Andererseits geben die vorab angekündigten Termine auch die Möglichkeit, dem Seelen-Shopping auszuweichen. „Man kann’s aber auch so sehen: Wenn der durch die Supermärkte geistert, schließt das an den jeweiligen Tagen Menschen vom Einkaufen aus, die damit nichts zu tun haben wollen“, kommentiert ein Freidenker.
Eine Problematik, die man bei M-Preis offenbar nicht gesehen hat. Pressesprecherin Ingrid Heinz sagte auf hpd-Nachfrage: „Die Reaktion der Konsumenten war sehr positiv, der Diakon ist mit dem ersten Gesprächstermin sehr zufrieden und freut sich schon auf die nächsten Samstage“. Unklar ist, ob es ein Naheverhältnis zwischen der Kette und der Kirche gibt. Auf der Homepage finden sich Berichte über zwei Spendenaktionen, die M-Preis unterstützt hat. Beide aus dem Umfeld des Kapuzinerordens. Heinz meint andererseits, man könne sich eine Zusammenarbeit mit nicht-kirchlichen Organisationen „gut vorstellen“.
Holzhammer selbst dürfte mit der Vorstellung, die Supermarkt-Initiative könnte auch Menschen vor den Kopf stoßen, wenig anfangen können. Auf einen Fragenkatalog des hpd kommt prompt ein automatisiertes Abwesenheitsmail: „Liebe Absenderin, lieber Absender, deine Anfrage ist bei mir eingelangt. Ich will mich bemühen, dir bald eine Antwort zukommen zu lassen. Je nach Anfall der Mails und Umfang und Art deines Anliegens bitte ich dich um Geduld, wenn es etwas dauert. Bis dahin wünsche ich dir Seinen Segen!“ Genauere Antworten, etwa ob es auch negative Reaktionen gegeben habe, blieb er bisher schuldig.
Christoph Baumgarten