BERLIN. (hpd) Der Kalender „Wegbereiterinnen“ ist jetzt erschienen, für das Kalenderjahr 2012. Die Herausgeberin Gisela Notz, langjährige Bundesvorsitzende von pro familia und aktiv für die Frauenbewegung, erläutert die Entstehung und Philosophie des Kalenders.
Die Entstehungsgeschichte des Kalenders
Der Kalender Wegbreiterinnen erschien zum Jahre 2003 zum ersten Mal. Die Idee entstand während meiner Forschungsarbeit im Historischen Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn. Bereits im Jahresbericht „Frauen – Politik – Gesellschaft 2000“ hatte ich einige Wegbereiterinnen der sozialistischen Frauenbewegung dargestellt. Daraufhin fragte mich Christel Nickel-Meyer, damals Mitglied der Geschäftsführung, ob ich nicht Lust hätte, einen Kalender zu machen, in dem bekannte und weniger bekannte Frauen aus der „linken Geschichte“ versammelt sind. Da ich schon etliche Biografien von Sozialistinnen erstellt hatte, und mich die Arbeit an diesen politischen Biografien, von denen es viele von der Näherin oder vom Dienstmädchen bis in die höchsten politischen Ränge geschafft hatten und dort die Interessen der „Kleinen“ und „Zu-kurz-gekomenen“ auch wirklich vertraten, interessierte, stimmte ich zu.
(Dazu zählen unter anderem: Gisela Notz, Frauen in der Mannschaft, Sozialdemokratinnen im Parlamentarischen Rat und im Deutschen Bundestag 1948/49 – 1957, Bonn, Dietz-Verlag 2003; Hanna Behrend / Gisela Notz (Hg.), Über „Hexen“ und andere auszumerzende Frauen, Berlin, trafo-Verlag 2003; Gisela Notz, Mehr als bunte tupfen im Bonner Männerclub, Sozialdemokratinnen im Deutschen Bundestag 1957 – 1969, Bonn, Dietz-Verlag 2007.)
Mir war daran gelegen, diese Frauen „auszugraben“ und einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Dafür schien mir ein Kalender geeignet; selbst dann, wenn er von etlichen HistorikerInnen nicht wirklich als „ernsthafte“ wissenschaftliche Arbeit anerkannt werden sollte. Die Frauenbeauftragte der Friedrich-Ebert-Stiftung übernahm mit Begeisterung Organisation und Vertrieb für den Kalender, KollegInnen aus meiner Forschungsgruppe, aus dem Archiv und der Bibliothek unterstützten mich mit viel Begeisterung und Anita Pellens gestaltete mit künstlerischem Geschick die zwölf Kalenderblätter im Großformat DIN A 3. Es entstand ein Kalender, der jeden Monat an eine andere starke und unabhängige Frau mit einer eigenen Geschichte erinnerte.
Die im Kalender 2003 dargestellten Frauen waren Julie Bebel (1843 – 1910), Lily Braun (1865 – 1916), Emma Ihrer (1857 – 1911), Johanna Kirchner (1889 – 1944), Rosa Luxemburg (1871 – 1919), Toni Pfülf (1877 – 1933), Toni Sender (1888 – 1964), Anna Siemsen (1882 – 1951), Mathilde Wurm (1874 – 1935), Clara Zetkin (1857 – 1933) und Luise Zietz (1865 – 1922). (Leider ist der Kalender 2003 schon lange vergriffen.)
Der Kalender war von Anfang an als Fortsetzungskalender konzipiert; er sollte auch in den darauf folgenden Jahren erscheinen. Wegbereiterinnen der sozialistischen Frauenbewegung gab und gibt es schließlich viele. Obwohl der Kalender Ende des Jahres 2002 ausverkauft war, nachgedruckt wurde und das Projekt sich selbst trug, also ein „Erfolgsprojekt“ geworden war, wäre es beinahe dem allgemeinen „Sparzwang“, der auch vor den politischen Stiftungen nicht halt machte, zum Opfer gefallen.
Bevor der Rotstift dem gerade begonnen Projekt ein Ende setzen konnte, überzeugte mich Anita Pellens von der Notwendigkeit der Weiterführung. Sie hatte den Plan bereits in der Tasche und übernahm nicht mehr nur die Herstellung, sondern trug auch das Risiko für den Vertrieb. Hatte ich den ersten Kalender noch alleine geschrieben, so kamen nun von Jahr zu Jahr immer mehr WissenschaftlerInnen hinzu, denen der Kalender so gut gefiel, dass sie mitmachen und den durch sie beforschten Frauen ein Denkmal setzen wollten. Aus dem Projekt war von einem Tag auf den anderen ein „autonomes Frauenprojekt“ geworden; freilich unterstützt durch einige Männer. Und die Freundinnen des Archivs der Deutschen Frauenbewegung in Kassel halfen uns zunächst bei der Bildersuche und schreiben nun auch mit.
Alle AutorInnen und die Herausgeberin arbeiten ehrenamtlich. Die folgenden neun Kalender erschienen in der gleichen Aufmachung wie Wegbereiterinnen I, wurden aber bunter und international. In der Zwischenzeit hat der Kalender Sammlerwert. Außer Politikerinnen sind auch Tänzerinnen, Malerinnen, Bildhauerinnen, Pazifistinnen, Freidenkerinnen, Schriftstellerinnen darin versammelt, die sich der sozialistischen Idee und der proletarischen Frauenbewegung verschrieben oder sie unterstützt haben.
Die Philosophie des Kalenders
Die Geschichten der Frauen sind neben dem Photo abgedruckt, jeden Monat eine neue. Sie sind so knapp gehalten, dass sie auf ein Kalenderblatt passen, aber so ausführlich, dass man sich – auch ohne viel von der Geschichte der sozialistischen/proletarischen Frauenbewegung zu wissen – ein Bild von der jeweiligen Wegbereiterin machen kann. Ich habe den Kalender bewusst „Der Kalender“ genannt – nicht Frauenkalender. Ich ging davon aus, dass einige der abgebildeten Frauen gar nicht in einen Frauenkalender gesperrt sein wollten, weil sie als Sozialistinnen schließlich immer Seite an Seite mit den Männern für eine bessere Welt gekämpft haben und niemals gegen ihre eigenen Genossen. Clara Zetkin zum Beispiel war die „Absonderung der Frauen von den Männern“ zu jeder Zeit verhasst. Frauenrechtlerinnen das waren die „Bürgerlichen“, denen der Kampf für mehr Rechte und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für Arbeiterinnen und Dienstmädchen oft fremd war.
Ohne diese Vorkämpferinnen wären wir heute nicht da, wo wir sind
Allen dargestellten Frauen, die stets in alphabetischer Reihenfolge erscheinen, weil eine andere Hierarchisierung nicht sinnvoll erschien, ist gemeinsam, dass sie Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts oder zu Beginn des 20. Jahrhunderts geboren sind, jedenfalls zu einer Zeit, in der Frauen noch wenig Rechte hatten, sich nicht organisieren durften, weder wählen noch gewählt werden konnten und sich Universitäten nur von außen ansehen durften; selbst wenn sie „Bürgerliche“ waren. Fast alle diese Frauen haben das Kaiserreich und viele zwei Weltkriege erlebt und sie haben, so lange sie gelebt haben, nicht aufgehört, für eine friedliche und ebenbürtige Gesellschaft, frei von Ausbeutung und Unterdrückung, zu kämpfen. Dass sie es damit nicht leicht hatten, verstehe sich von selbst. Ohne diese Vorkämpferinnen wären wir heute nicht da, wo wir sind. Entstanden sind Lebensbilder, die – so hoffe ich jedenfalls – zum Nachdenken und zum eigenen politischen Engagement anregen. Aus den meisten spricht die Sehnsucht nach einer Welt, in der es niemandem an dem fehlt, was für ein „gutes Leben“ notwendig ist. Dass der Kalender fortgesetzt wird, ist nun keine Frage mehr. Und zuletzt noch die Antwort auf eine oft gestellte Frage: Nein, die starken und unabhängigen Frauen aus der Geschichte gehen uns bestimmt nicht aus, wir haben sogar Wartelisten in verschiedenen Archiven.
Gisela Notz
Die Frauen in Wegbereiterinnen X sind: Martha Arendsee (1885 – 1953), Marie Baum (1874 – 1964), Hanna Berger (1910 – 1962), Hedwig Dohm (1831 – 1919), Käte Frankental (1889 – 1976), Berta Lask (1878 – 1967), Maria Leitner (1892 – 1942), Frieda Nadig (1897 – 1970), Olive Schreiner (1855 – 1920), Anna Stiegler (1891 – 1963), Bertha von Suttner (1843 – 1914), Paula Thiede (1870 – 1919).
Kalender 2012 - Wegbereiterinnen X - DIN A3, 29,7 x 42,0 cm, 14 Seiten mit Spiralbindung. Bonn: Pellens Verlag, ISSN 1610 – 3394, 13,50 Euro.
Bestellungen zum Preis von 13,50 € je Kalender zuzüglich Porto gegen Rechnung. Den Vertrieb für die Schweiz übernimmt Therese Wüthrich (Therese.wuethrich@comedia.ch) Außer dem total vergriffenen Kalender 2003 gibt es noch einzelne Kalender aus den Vorjahren.
Bestellungen per Post: Pellens Verlag, Meckenheimer Allee 158, 53115 Bonn, per Fax: 0228/659766 oder per E-Mail: anita@pellens.de
Im Anhang: Kalender-Bestellformular