MORITZBURG. (hpd) Unter diesem Thema lud die SPD (der AK Christinnen und Christen) am 4. Mai 2011 zu einer Diskussionsveranstaltung ein, um die positive Trennung zwischen Staat und Kirche zu erläutern und zu demonstrieren.
Ein vielversprechendes Thema! Jedoch bei der Wahl des Veranstaltungsortes konnte man bereits stutzig werden: Die „Fachhochschule für Religionspädagogik” Moritzburg (neuerdings Evangelische Hochschule Moritzburg). Neben den angekündigten Rednern Wolfgang Thierse (Vizepräsident des Bundestages) und Martin Dulig (Fraktionsvorsitzender der SPD Sachsen) waren dann die weiteren Diskussionsgäste: der Oberlandeskirchenrat Klaus Schurig, (seit 2005 Dezernent für juristische Grundsatzangelegenheiten im Landeskirchenamt Dresden) und Prof. Dr. Harald Wagner (Prof. der Theologie und Studiendekan an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit Dresden). Die Moderation lag in den Händen des Journalisten Andreas Roth (Der Sonntag).
Das Auditorium der Hochschule war gut gefüllt, allerdings, wo waren die 83 Studenten, die dort im Hause studieren? Waren die eher beim gleichzeitig stattfindenden Studentenball im Bach-Haus? Es tauchten jedenfalls nur wenige junge Leute auf.
Aber die Richtung der Diskussion war klar vorgegeben. In der Begrüßung wurde unmissverständlich erklärt, dass die Gesellschaft die Kirchen brauche. Die Demokratie könne nur mit der Kirche funktionieren.
Nur, das man hier bei der SPD war, deren große Vorfahren August Bebel, Wilhelm Liebknecht und Ferdinand Lassalle sich für eine strikte Trennung von Staat und Kirche einsetzten, war nicht mehr zu spüren. Es ist immerhin 100 Jahre her, dass die SPD hier in Sachsen 60 % Zuspruch aus der Bevölkerung bekam, die größtenteils aus Arbeitern bestand. Bei der letzten Landtagswahl erreichte sie nur noch mickrige 10 %.
In der Eingangsrede sagte Martin Dulig, dass man in der SPD die Stellung zwischen Staat und Kirche, die Zeitmäßigkeit von Kirchen-Staats-Verträgen, das Verbleiben von Kreuzen in öffentlichen Räumen, das Ladenöffnungsgesetz und die Anliegen der Laizisten diskutiere. Er sprach sich für eine gesamtgesellschaftliche Debatte aus. Die Bündniskräfte sollten in der Gesellschaft gestärkt werden und dazu sei ein Miteinander von Staat und Kirche notwendig. Er wünsche sich mehr christliches Handeln von Politikern und kein Verstecken hinter dem Kreuz. Ihm gehe es nicht um die christliche Symbolik, sondern er wolle das „Christ sein” an menschlichen und humanistischen Taten festmachen. In der Diskussion meinte er, dass sich Kirchen stärker und deutlicher zu Wort melden müssten und Themen der Politik besetzen sollten. Die Kirchen sollten das Sprachrohr der „kleinen Leute”, der Armen und Unterdrückten sein und deren Interessen der Politik zu Gehör bringen.
Wolfgang Thierse ging in seinem Beitrag auch sofort auf die Aufregung innerhalb der SPD ein, die die Gründung des AK Laizisten ausgelöst hätte, die gleichzeitig Vertretung und Sprachrohr der wachsenden Zahl von Konfessionsfreien und Atheisten sein will. Das Ziel einer klaren Trennung von Staat und Kirche, könne so von der SPD-Führung nicht mitgetragen werden. Grundlage einer gemeinsamen Orientierung an Grundwerten wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität wäre die religiös-weltanschauliche Pluralität. Dies wäre Prinzip und auch das Markenzeichen der SPD und damit wäre sie eine echte Volkspartei. Es wäre ein schwieriger Weg zwischen Sozialdemokratie und Kirchen gewesen. Die Verbindung von Thron und Altar bedeutete für die frühere SPD ein Herrschaftsinstrument, welches abzuschaffen wäre, danach wurde Religion als Privatsache eingestuft und jetzt sei man auf Gemeinsamkeit aus. Die positive Bestimmung zu Kirchen und Religionsgemeinschaften sei seit über 50 Jahren bestimmend für die SPD. Als linke Volkspartei bekenne sie sich damit zu den Wurzeln in jüdisch-christlicher Tradition, Humanismus und Aufklärung, Marxismus und Erfahrungen aus der Arbeiterbewegung.
Kirchen seien ein Partner, weil sie Tugenden und Werte vermittelten. Welche Tugenden, frage ich mich da, etwa die noch nicht allzu lange zurückliegenden Skandale zu Kindesmissbrauch, freundlicher Wiederaufnahme von Holocaustleugnern oder z. B. Missionierungsversuche von Juden. Wenn man weiter zurückdenkt, fallen einem auch nicht gerade viele Tugenden der Kirchen ein.
Immerhin seien nach neuesten Studien 73 % der SPD-Mitglieder Angehörige einer Religionsgemeinschaft - mehr als es im Durchschnitt der Bevölkerung sei.
Die SPD spricht sich ausdrücklich gegen solch eine komplette Trennung von Staat und Kirche aus, die nicht nur von einzelnen SPD-Mitgliedern, sondern parteiübergreifend aus verschiedenen Reihen, flankiert von einem Koordinierungsrat (Korso) gefordert wird. Aktionen wie „Jetzt reichts! Staatsleistungen an die Kirchen ablösen.” und Ausführungen, wie sie im „Violettbuch” von Dr. Carsten Frerk (hpd) dargestellt werden, wären fehl am Platz. Der umfangreiche Forderungskatalog der Säkularen, die die Vorrechte der Kirchen abschaffen wollen, müsse einer Prüfung unterzogen werden. Richtig sei, die Anzahl der Religionslosen nehme zu. Trotz des nachweislich mangelnden Zugangs zu religiösen Inhalten auch bei den religiös Gebundenen würde dies nicht automatisch die Unterstützung einer laizistischen Bewegung bedeuten. Kirchenaustritt und Kirchenferne bedeuten nicht, dass sich mehr und mehr den Forderungen der strikten Trennung von Staat und Kirche anschließen würden. - Was bedeutet es aber dann?
Ein vollkommen von der Religion getrennter Staat würde der Religionsfreiheit widersprechen. Religionsfrei würde ein säkularistisches Bekenntnis bedeuten und damit dem Grundgesetz widersprechen. Der Staat nehme dann Partei für die Partei des Säkularen Humanismus. Dies würde der weltanschaulichen Neutralität widersprechen. - Was für ein absurdes Konstrukt!
In der Diskussion wiederholte er, dass die Werte unserer Gesellschaft aus der Religion kommen, dass die Verbannung von Religion ins Private nichts mit Religionsfreiheit zu tun hätte und dass zum Beispiel die Diskussion um die Sonntagsruhe nicht nur etwas mit Religion zu tun hätte, sondern auch den Menschen etwas Ruhe gönnen würde, damit sie nicht ständig Arbeitskräfte und Konsumenten sein müssten. Die Trennung von Staat und Kirche dürfe sich nur darauf beschränken, dass sich der Staat nicht in die Angelegenheiten der Kirche mische. Politik solle sich um das Wohl der Menschen und die Lösung von Problemen kümmern, Religion um das Heil und die Erlösung. Die Menschen bräuchten beides und deshalb sei auch in einer demokratischen Regierung beides notwendig.
Die Thesen einzeln stimmen ja, aber Religion darf nicht Politik bestimmen. Dazu gehört auch die Abschaffung des Gottesbezuges im Grundgesetz und in der Eidesformel. Das hat dort einfach nichts zu suchen.
Und dann wurden von Seiten des OLKR Schurig auch wieder die alten Legenden bemüht, dass aus der Geschichte heraus durch die Enteignung des Kirchlichen Besitzes Staatsleistungen notwendig und richtig seien. Die Kirchen wären sehr wohl bereit einem Ablösungsgebot entgegenzukommen. Aber die Staatsleistungen beruhten nun mal auf Rechtstiteln. Großzügig wie die Kirchen seien, hätten sie in den Zwanziger Jahren sowieso nur auf 60 % des Eigentlichen bestanden (weil es nicht mehr zu holen gab). Er brachte den Vergleich mit einem zur Miete Wohnenden an, der auch nach 30 Jahren Mietzahlung nicht Eigentümer wird. Mit dem Vergleich irrt wohl Herr Schurig, er ließ geflissentlich ganz unter den Tisch fallen, dass im Falle der Staatsleistungen bereits über 90 Jahre vergangen sind, seitdem es einen Ablösebefehl zu einer bestimmten Summe gibt. Auf die Frage, wie viel denn die evangelische Kirche ersetzt bekommen müsste, antwortete er nur ausweichend, dass dies sehr schwer zu ermitteln sei.
Man stelle sich nur irgendeinen anderen Antragsteller vor, der finanzielle Forderungen an den Staat hat, wie genau er seinen Antrag und seine Ansprüche begründen muss und nicht auf nebulöse, nicht nachvollziehbare, aus grauen Vorzeiten stammende Herkünfte verweisen darf.
Prof. Wagner äußerte sich zu der aufkommenden Debatte zur Trennung von Staat und Kirche. Er ist der Meinung, dass die Menschen weiter auf der Suche nach Transzendenz seien. Die Religiosität wäre nicht geringer, sondern nur vielfältiger. Es sei nur eine Frage, wie es die Kirchen "herüberbringen", die Menschen wieder am Glauben zu orientieren. Kirchen sind gefragt, sich einzubringen. Die Menschen würden nicht weniger gläubig sein, wären nur durch ökonomische Zwänge abgelenkt. Wirtschaftliche, soziale, moralische, politische Beantwortung von Fragen würden die Menschen wieder zur Kirche bringen, wenn Kirchen dazu die richtigen Antworten fänden. Er sprach sich dafür aus, dass Politik und Glaube nicht getrennt seien. Es solle aber die Vielfältigkeit sein, aus der die Menschen Kraft schöpfen können sollen.
Vielfältigkeit oder Beliebigkeit? Wo ist der Unterschied zur CDU?
Die Schlussfragen „In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Wie soll die Gesellschaft gestaltet werden und wie kann eine lebenswerte Gesellschaft erreicht werden? sind Fragen, die wohl tatsächlich für alle wichtig sind, aber sie sollten den Bürgern dieses Staates von der Politik beantwortet werden und nicht von den Kirchen.
Elke Schäfer