REGENSBURG. (bfg) Mehr als zufrieden zeigten sich die Vertreterinnen und Vertreter des breitgefächerten Regensburger Aktionsbündnisses
„Freedemo" mit der von ihnen veranstalteten Demonstration am Samstagnachmittag, die friedlich und in entspannter Atmosphäre verlief.
„Wir sind hier, wir sind laut, weil Schäuble unsere Daten klaut!"
Fast 750 Teilnehmer trotzten dem kalten Winterwetter und unterstützten die Forderungen des parteiübergreifenden Bündnisses gegen den Überwachungswahn. Mit zahlreichen Spruchbändern und Plakaten, auf denen Botschaften wie „Freiheit statt Angst!" und „Überwacher an die Leine!" zu lesen waren, und mit lautstarken Parolen wie „Wir sind hier, wir sind laut, weil Schäuble unsere Daten klaut!" und „Mehr gläserne Politiker!" zog man vom Bahnhof durch die Altstadt zum Bismarckplatz. Vorneweg unter Trauerklängen (Uli Teichmann am Saxophon) der „Bundessarg der Privatsphäre" des bundesweiten Arbeitskreises gegen die Vorratsdatenspeicherung, der nun auch in der Weltkulturerbestadt symbolisch seine letzte Ruhe gefunden hat.
Bereits im Vorfeld der Demo konnten sich die Organisatoren über einen großen Zuspruch aus allen Schichten der Bevölkerung und über alle Parteigrenzen hinweg freuen. Diese Demo hat mit Nachdruck gezeigt, dass die Mehrheit der bayerischen Bürgerinnen und Bürger es mehr als bedenklich finden, was ihr Innenminister Joachim Herrmann (CSU) so treibt. Der gewählte Volksvertreter will im Hau-Ruck-Verfahren die verdachtsunabhängige Online-Durchsuchung einführen, noch bevor das Bundesverfassungsgericht in den kommenden Wochen darüber entscheiden wird. Damit kann die gesamte Bevölkerung bespitzelt werden, ohne dass es konkrete Verdachtsmomente gegen einzelne potentielle Straftäter gibt. Was der bayerische Innenminister mit seinem „skandalösen Verhalten" (so MdB Horst Meierhofer in seiner Rede), das die Autorität des Bundesverfassungsgerichts gezielt untergräbt, eigentlich bezweckt, mag er seinen Wählern selber erklären. Die Regensburger Demonstranten jedenfalls haben dem Bundesverfassungsgericht und der freiheitlichen Demokratie eindrücklich ihre Hochachtung und Referenz erwiesen.
„Freistaat statt Verbotsstaat"
Auf der Abschlusskundgebung am Bismarckplatz warnte Stefan Christoph vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung die Versammelten eindringlich vor den Auswirkungen der totalen Überwachung. Bfg-Vorsitzender Erwin Schmid ging der klassischen Frage „Cui bono?" nach und machte deutlich, dass einmal mehr nur die Profitgier einiger Großkonzerne befriedigt wird. Aus den Reihen der Politikvertreter wurde nicht mit Kritik gespart. OB-Kandidat Horst Meierhofer (FDP, MdB) legte in seiner Rede „Freistaat statt Verbotsstaat" Minister Schäuble den Rücktritt nahe. Der Kreisvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Christian Heilmann, konnte sich dem anschließen und kritisierte die „Aushöhlung des Rechtsstaates unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung". Richard Spieß, Spitzenkandidat der Regensburger Linken, wies auf die weitreichenden negativen gesellschaftlichen Folgen der zügellosen Überwachung von Parteien, Organisationen und Verbänden hin und gab zu bedenken, dass letztlich die Demokratie und damit wir alle darunter zu leiden haben. Viel Beifall fand auch Tina Lorenz vom Chaos-Computer-Club mit ihrem Redebeitrag „Was ich zu verbergen habe", der den im Grundgesetz garantierten Schutz der Privatsphäre einforderte. Christian Wolf von der Regensburger Schwulen- und Lesbeninitiative machte deutlich, dass es den Staat nichts angehe, mit wem wir uns ins Bett legen und dass dies auch für Heterosexuelle gelte. Ingrid Pfreimer von pro familia legte die Zusammenhänge im Rahmen der anonymen Beratungen dar, die in dem drohenden Überwachungsstaat schlichtweg unmöglich sein werden. Als völlig unverständlich bezeichnete Fabian Michl von den Regensburger Jusos das Verhalten der SPD-Abgeordneten im Bundestag, die mittlerweile streng konservative Positionen vertreten würden, aber nicht die Meinung der SPD-Basis. Hannes Wagner und Sascha Collet vom SDS warnten zum Abschluss der Kundgebung die Versammelten mit Nachdruck vor einem Überwachungsstaat und einer „instrumentellen Vernunft" (nach Adorno), die in Deutschland schon einmal ziellos gewütet habe: in der Zeit des Nationalsozialismus. Hier gilt es, so ihr Fazit, den Anfängen zu wehren, um nicht die Zukunft zu verspielen!
Am Ende bedankte sich Versammlungsleiter Armin Schmid vom bfg bei allen Teilnehmenden und den Polizeieinsatzkräften für den reibungslosen Ablauf der Demo, mit der das Aktionsbündnis „Freedemo" der Bevölkerung ins Bewusstsein rufen konnte, dass die „bayerisch-amerikanischen Law-and-Order-Politiker" mit ihrer Salami-Taktik einer schrittweisen Einschränkung von Freiheits- und Grundrechten nicht auf dem Boden der Verfassung stehen. Wenn wir also eines morgens statt in einem Freistaat in einem „Stasi-Überwachungsstaat 2.0" aufwachen, kann keine/keiner sagen, sie oder er habe es nicht gewusst oder wissen können. - Es gibt jetzt keine Ausreden mehr: Die Beseitigung der freiheitlichen Grundordnung unserer Gesellschaft unter dem Deckmäntelchen der „Sicherheit" muss sofort gestoppt werden! Seit Friedrich Schiller, dem Dichter der Freiheit, weiß man in Deutschland, dass man, um politische Probleme zu lösen, „durch das ästhetische den Weg nehmen muss, weil es die Schönheit ist, durch welche man zu der Freiheit wandert." - Bildung und Erziehung zur Freiheit sind also gefragt und nicht irgendeine „Sicherheit", die in ihrer absoluten Form ohnehin ein Hirngespinst ist.
Und übrigens: Wer zu feige ist, um die NPD zu verbieten, sollte die Finger vom Demonstrationsrecht lassen. Denn WIR SIND DAS VOLK, keine Neonazis und auch nicht Bin Ladens willige Helfer!
Erwin Petzi