(hpd) Wer den Humor zum Beruf gemacht hat, muss sich immer wieder kritisch mit Themen beschäftigen, die für die Gesellschaft, für das Publikum relevant sind, muss in bekannten Themen neue Aspekte finden, um Menschen zum Lachen zu bringen und ihnen durch überraschende Wendungen die Augen zu öffnen. Vielleicht liegt es daran, dass man unter Comedians viele Atheisten und Agnostiker findet?
Humor ist eine der besten Waffen gegen Aberwitz und nicht umsonst reagieren Religionsgemeinschaften pikiert bis gewaltvoll, wenn man sich über den Glauben und dessen Propheten lustig macht. Der hpd stellt zwei Frauen und vier Männer aus den USA, Großbritannien und Deutschland vor, die in ihren Bühnenprogrammen Religionskritik servieren, bei der man sich köstlich amüsieren kann, auch beim x-ten Mal Anschauen. (Am Ende jedes Absatzes findet sich ein Link auf ein Video des/der eben Vorgestellten.)
Die Comedians sind nach Geburtsdatum sortiert.
George Denis Patrick Carlin, 12. Mai 1937 – 22. Juni 2008, war ein amerikanischer Stand-up-Comedian, Sozialkritiker, Satiriker, Schauspieler und Autor, der für seine Comedy-Alben fünf Grammys gewann.
Carlin war bekannt für seinen schwarzen Humor wie auch für seine Gedanken zur Politik, zur englischen Sprache, zur Psychologie, Religion und zu diversen Tabuthemen. Carlin und sein Comedy-Programm "Seven Dirty Words" („Sieben Schmutzige Wörter“) waren zentraler Bestandteil des Prozesses FCC vs. Pacifica Foundation vor dem US-Bundesgericht in 1978, in welchem eine knappe 5 : 4-Entscheidung durch die Richter die Macht der Regierung bestätigte, im öffentlichen Äther "unanständiges Material" zu regulieren.
Das erste seiner 14 Stand-up-Comedy-Specials für den amerikanischen Sender HBO wurde 1977 gefilmt. In den 1990ern und 2000ern konzentrierte sich Carlin auf die soziokulturelle Kritik der modernen amerikanischen Gesellschaft. Er kommentierte häufig zeitgenössische politische Themen in den Vereinigten Staaten und nahm die Exzesse der amerikanischen Kultur aufs Korn.
2004 wurde Carlin auf der Liste des Senders Comedy Central der 100 größten Stand-up-Comedians aller Zeiten auf den zweiten Platz gewählt, vor Lenny Bruce und hinter Richard Pryor. Er trat häufig auf und war während der drei Jahrzehnte von Johnny Carson Mit-Gastgeber der Tonight Show. 2008 erhielt er den Mark Twain Prize for American Humor.
Carlin griff häufig Religion an. „Religion is bullshit“ dürfte zu seinen bekanntesten Auftritten zu diesem Thema zählen.
Julia Anne Sweeney, geboren am 10. Oktober 1959, ist eine amerikanische Schauspielerin, Komikerin und Autorin, am ehesten bekannt als Teil des Ensembles der wöchentlichen Comedy-Show Saturday Night Live und für ihre autobiografischen Solo-Shows.
Sweeney wurde katholisch erzogen, thematisiert inzwischen jedoch die Gefahren und Ideologien von Religionen auf kritische Weise. Sie ist im Vorstand der Secular Coalition for America und wurde für ihr Engagement mit dem Richard Dawkins Award und dem Preis Humanist Pioneer der American Humanist Association ausgezeichnet. In seinem Buch The God Delusion (Der Gotteswahn) geht Richard Dawkins mehrmals auf Sweeneys Comedy-Programm Letting Go of God ein.
Letting Go of God ist Sweeneys dritter autobiografischer Monolog. Darin erzählt sie von ihrer katholischen Erziehung, der frühen religiösen Ideologie, den Ereignissen und der inneren Suche, die zu ihrer Überzeugung führten, dass das Universum von selbst funktionieren kann, ohne eine Gottheit, die es regiert, und schließlich, wie sie Atheistin wurde. Das Programm Letting Go of God wurde 2008 auf DVD veröffentlicht.
Dieter Herbert Nuhr, geboren am 29. Oktober 1960, ist ein deutscher Kabarettist, Autor und Moderator. Seit 1994 tritt Nuhr solo auf.
2003 erhielt er den Deutschen Comedypreis für den besten Liveauftritt, 2009 und 2010 als Bester Komiker und 2008 erhielt Nuhr den Deutschen IQ-Preis des Vereins Mensa in Deutschland.
Vielen Zuschauern dürfte Nuhr aus seinen Fernsehauftritten in Scheibenwischer, Hüsch und Co., der Harald Schmidt Show, dem Quatsch Comedy Club, Genial daneben, der Schillerstraße oder 7 Tage, 7 Köpfe bekannt sein. Er gehört mit 200.000 Zuschauern jährlich zu den erfolgreichsten Kabarettisten Deutschlands und hat mehrere DVDs und Bücher veröffentlicht.
Seit Januar 2011 präsentiert Dieter Nuhr die Kabarettsendung Satire-Gipfel der ARD.
Nuhr hat bei diversen Gelegenheiten Religionskritisches von sich gegeben, wie etwa: "Der Glaube macht, dass Menschen Horoskope lesen, sich in die Luft sprengen oder bei Vollmond Ochsen melken." (TV-Beileger zum Stern Nr. 25/2007 vom 14. Juni 2007, S. 2) oder "Ich glaube, dass viele religiöse und mystische Erlebnisse auf Sauerstoffmangel im Hirn zurückzuführen sind. Oder auf Drogen." (TV-Beileger zum Stern Nr. 25/2007 vom 14. Juni 2007, S. 3).
In seinem Programm Nuhr wer's glaubt wird selig thematisiert er Religion und in Die Bibel macht er sich über dieselbe lustig.
Kathleen Mary „Kathy“ Griffin, geboren am 4. November 1960, ist eine amerikanische Schauspielerin, Komikerin, Schriftstellerin und Produzentin. Sie studierte am Lee Strasburg Theatre and Film Institute in Los Angeles und wurde ein Mitglied der Improvisations-Comedy-Truppe The Groundlings. In den 1990ern begann Griffin ihre Karriere als Stand-up und war zu Gast in verschiedenen Fernsehshows. Von 1996-2000 hatte sie eine tragende Rolle in der NBC Sitcom Suddenly Susan.
Ihr Durchbruch kam mit der Realityshow Kathy Griffin: My Life on the D-List (2005-2010), welches dem Sender hohe Einschaltquoten und ihr zwei Emmy Awards for Outstanding Reality Program einbrachte. Griffin hat vier Comedy-Alben veröffentlicht, die alle für den Grammy Award nominiert waren. Ihr erstes Album, For Your Consideration (2008), verschaffte ihr als erster weiblicher Komiker einen Platz an der Spitze der Billboard Top Comedy Albums Charts. 2009 veröffentlichte sie ihre Autobiografie, Official Book Club Selection: A Memoir According to Kathy Griffin, welche es an die Spitze der New York Times-Bestsellerliste schaffte.
Griffin ist eine Aktivistin für Lesben- und Schwulenrechte und tritt u.a. für die Homo-Ehe ein. Sie ist bekannt für ihren erzählenden Stil und umstrittene Äußerungen zur Popkultur, zur Religion und Sexualität. Griffin ist als eine der weiblichen Top Comedians der USA anerkannt und war 2011 die/der erste Comedian mit vier Fernseh-Specials in einem Jahr.
Sich selbst beschreibt Griffin als „militante Atheistin“: „Wenn du nicht an Gott glaubst, (selbst wenn) du nicht versuchst, deinen Atheismus anderen beizubringen, werden Menschen wütend. Und doch müssen wir jedermanns ‚Gott hier’ und ‚Jesus dort’ anhören. Mir tut es leid, dass es dich stört, dass ich nicht an Gott glaube. Mir ist es egal, woran du glaubst. Wie auch immer.“
“First of all, I am a complete militant atheist at this point. If you don't believe in God, [even though] you don't try to inflict your atheism on anyone, people get furious. And yet we have to listen to everybody's "God this" and "Jesus that." I'm sorry it bothers you that I don't believe in God. I don't care what you believe in. Whatever.”
In ihrer Bühnenshow lässt sie sich über Katholiken aus und in ihrer Dankesrede bei den Emmy-Awards bedankt sie sich explizit nicht bei Jesus.
Edward John „Eddie“ Izzard, geboren am 7. Februar 1962, ist ein englischer Stand-up Comedian, Schauspieler und Autor. Sein Comedy-Stil nimmt die Form abschweifender, skurriler Monologe und selbstbezogener Pantomime an. Er war Hauptdarsteller der Fernsehserie The Riches (als Wayne Malloy) und trat in vielen Spielfilmen auf, wie Ocean’s Twelve, Ocean’s Thirteen, Mystery Men, Shadow of the Vampire, The Chronicles of Narnia und Valkyrie.
Als Comedy-Vorbild nennt er Monty Python und John Cleese sagte über Izzard einmal, dieser sei der „Verlorene Python“.
2009 lief er 43 Marathons in 51 Tagen, obgleich er zuvor nie Langstrecke gelaufen war. Er ist außerdem für seinen Transvestismus bekannt. Izzard hat zahlreiche Preise gewonnen, einschließlich eines Primetime Emmy Awards for Individual Performance in a Varity or Music Program im Jahr 2000 für sein Comedy-Special Dress to Kill. Seine Website gewann den Yahoo People’s Choice Award und den Webby Award.
Während seiner Stripped Tour meinte Izzard, ihm sei klar geworden, dass er Atheist sei: „Ich wärmte in New York das Material auf, als mir eines Abends, buchstäblich auf der Bühne, klar wurde, dass ich überhaupt nicht an Gott glaubte. Ich dachte einfach nicht, dass irgendjemand oben sei.“
During his Stripped tour, Izzard said he realised he was an atheist. “I was warming the material up in New York, where one night, literally on stage, I realised I didn’t believe in God at all. I just didn’t think there was anyone upstairs.” (Armstrong, Stephen (8 February 2009). "Eddie Izzard: Hollywood to House of Commons?". The Times (UK)).
In einem Auftritt spricht Eddie Izzard über Religion ala Eddie Izzard.
Bernhard Hoëcker, geboren am 20. März 1970, ist ein deutscher Schauspieler, Komiker und Moderator, der durch die Parodiesendung Switch und als ständiges Mitglied des Teams von Genial daneben – Die Comedy Arena bekannt wurde.
Er hat mehrere Bücher geschrieben, war zu Gast in diversen Fernsehsendungen, wirkte in Spielfilmen mit und gab Animationsfiguren wie Rumpelstilzchen in Shrek (2010) die (deutsche) Stimme.
Als sein Buch Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers 2007 erschien, hielt er mehrere Buchlesungen, die weit über eine normale Lesung hinausgingen. Sie glichen einem Bühnenprogramm und hatten zum Teil mehr als 500 Besucher.
Hoëcker erhielt 2003, 2006, 2007 und 2008 den Deutschen Comedypreis für die Beste Comedy Show bzw. die Beste Sketch-Show. 2004 und 2008 erhielt er den Deutschen Fernsehpreis für Beste Comedy.
Hoëcker bezeichnet sich als Skeptiker und Atheisten. Er ist Mitglied der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) und gab im Januar 2012 Hoaxilla, dem skeptischen Podcast aus Münster, ein Interview, in dem er sich zu seinem Skeptizismus, Atheismus und Homöopathie äußerte.
Im Februar 2012 sprach sich Hoëcker im Interview dafür aus, die Kirchensteuer abzuschaffen und eine Ethiksteuer einzuführen. Auf wissenrockt wird das diesseits-Interview mit Hoëcker mit den Worten zitiert, er würde sich gegen Dogmatismus von jeder Seite wenden, doch der Glaube sei aus seiner Sicht etwas, das Menschen „einfach durchdringt“: „Das Gehirn erzeugt einfach dieses Gefühl. Ich vermute, dass Glaube den Menschen evolutionär geholfen hat. Er hat Ängste genommen. Wenn es ein evolutionärer Nachteil gewesen wäre, wäre Glaube nicht entstanden – oder verschwunden.“
Er bezeichne sich selbst als Atheisten, obwohl er das Gefühl habe, „dass Atheismus für viele immer noch was Böses hat.“
Zusätzlich zu den oben vorgestellten Comedians gibt es noch etliche, die Religion humorvoll auf die Schippe nehmen. Die fiktive Figur Ali G (Sacha Baron Cohen) zum Beispiel lud in seine Talkshow Vertreter/innen verschiedener Weltanschauungen zum Religion Roundtable ein (mit dt. Untertiteln) und stellte die absurdesten Fragen über Jesus, Weihnachten und ob der Bischof wirklich noch nie Sex hatte. Volker Pispers kommt zum Ergebnis, "Wer an Gott glaubt, ist zu faul zum Denken" und der Bauchredner Jeff Dunham kritisiert mit Achmed the Dead Terrorist den Islam.
Insgesamt ist das Angebot an lustiger bis satirischer Religionskritik recht groß und viele Komiker scheinen entsprechende Standpunkte zu vertreten – einige von ihnen mit großer Reichweite. Das lässt doch hoffen.
Fiona Lorenz
Anmerkung: Die Originalzitate sind – sofern nicht anders gekennzeichnet – wikipedia entnommen
AHA! Politiker (1.6.2012) - Hier sind Links auf die vorhergehenden AHA!-Artikel zu finden.