WIESBADEN. (hpd) Im Juni 2007 hat die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Wiesbaden eine „Integrationsvereinbarung" verabschiedet, die als Leitlinie einer Zusammenarbeit von politischer Kommune und islamischen Gemeinden dienen soll.
Darin ist festgelegt, auf welcher Wertgrundlage die Kooperation erfolgt (u.a. werden der Toleranzgedanke, die Trennung von Politik und religiösem Wahrheitsanspruch und die Ächtung religiös motivierter Gewalt genannt). Die weiteren Paragraphen regeln, durch welche Maßnahmen Stadt und Gemeinde dafür sorgen, dass die Wertgrundlagen konkret gefördert werden, bekräftigen das Selbstverwaltungsrecht der Religionsgemeinschaften und verpflichten diese im Gegenzug zu Transparenz; wie die Gleichberechtigung der Geschlechter gesichert werden kann, wird in einem eigenen Paragraphen aufgelistet.
Das Kernstück des Vertrages sind die beiden Abschnitte, in denen sowohl die Gemeinde als auch die Kommune konkrete Integrationsbemühungen zusichern. Von den islamischen Vereinen wird erwartet, dass sie unter ihren Mitgliedern aktiv für die Teilnahme an Sprachkursen werben, Eltern nahelegen, ihre Kinder am Sportunterricht oder an Klassenfahrten teilnehmen zu lassen, und in Konfliktsituationen eine vermittelnde Rolle einnehmen. Die Stadt Wiesbaden sagt ihrerseits zu, für Akzeptanz gegenüber Moscheen zu sorgen und das „negative Bild, das über muslimische Religionsgemeinschaften durch Äußerungen und Taten extremistischer Gruppen in der Öffentlichkeit gezeichnet wird, zu korrigieren".
Was den Alltag angeht, wird die Errichtung eines islamischen Friedhofes ins Auge gefasst und „integrationsrelevanten Projekten" Unterstützung zugesagt. Nicht zuletzt sollen die Leiter der Gemeinden langfristig offenbar „als Schlichter und Betreuer in muslimischen Familienkonflikten" eingesetzt werden (wobei hier die einschränkende Formulierung „unter Berücksichtigung und Vermittlung des geltenden Rechts" angefügt ist).
Ende September 2007 wurde die Vereinbarung erstmals mit diversen islamischen Vereinen abgeschlossen, darunter auch Milli Görüs. In der Stadtverordnetenversammlung problematisierte die Fraktion Bürgerliste Wiesbaden dies, konnte sich mit einem Antrag, die Unterstützungsleistungen im Fall von Milli Görüs zunächst nicht zu gewähren, jedoch nicht durchsetzen.
Der Religionskritische Arbeitskreis Wiesbaden hegt ebenfalls Zweifel, ob mit Organisationen, die auf der Grundlage des Islam arbeiten, eine Kooperation nach demokratischen Regeln möglich ist und verweist auf Zitate islamistischer Politiker, aus denen ein taktisches Verhältnis zu Demokratie und Pluralismus spricht. Um zu klären, wie die Integration dauerhaft hier lebender Musliminnen und Muslime gelingen kann, und zu erörtern, wo es Reibungsflächen zwischen religiöser Identität und säkularer Gesellschaft gibt, lädt der Arbeitskreis zu einer Diskussionsveranstaltung ein. Der ehemalige Stadtrat Peter Grella (CDU) wird die Integrationsvereinbarung vorstellen und ihren Sinn und Zweck erläutern; anschließend wird er sich den kritischen Fragen des Publikums stellen.
Die Veranstaltung findet am 8.4.2008 im Gebäude der Freireligiösen Gemeinde, Rheinstr. 78, statt. Das einführende Referat beginnt um 18 Uhr.
Der Religionskritische Arbeitskreis wird vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) und der Freireligiösen Gemeinde Wiesbaden koordiniert. Jeden zweiten Dienstag im Monat findet eine öffentliche Veranstaltung mit offener Diskussion statt.
Gunnar Schedel