INDIEN. (gwup) Im Westen gilt Tantra gemeinhin als Synonym für ausdauernde
Sexualpraktiken. Im Ursprungsland Indien könne Tantra aber noch viel bewirken, heißt es. Manche behaupten sogar, mit Tantra Menschen schaden, ja töten zu können. Nein, nicht auf die ausdauernde Sex-Art mit viel Körpereinsatz – sondern mit Zaubersprüchen.
Sanal Edamaruku, Präsident von Rationalist International, blieb skeptisch. Am 3. März forderte er im indischen Fernsehen den vorgeblich mächtigsten Tantrik des Landes heraus, seine Kräfte zu beweisen: Pandit Surinder Sharma. Der selbsternannte Schwarzmagier hatte zuvor behauptet, im Auftrag hochrangiger Politiker zu stehen und für sie zu zaubern. Als er auch noch meinte, jeden beliebigen Menschen innerhalb von drei Minuten durch schwarze Magie töten zu können, wollte der Skeptiker Sanal einen Beweis sehen - und bot sich selbst als Testperson an.
Aus drei Minuten wurden zwei Stunden. Die Live-Sendung hatte längst den Zeitrahmen gesprengt. Doch Sanal Edamaruku lebte immer noch, wirkte sogar sehr amüsiert. Der Moderator brach das Experiment schließlich ab - und erklärte den Magier zum Verlierer. Dieser versuchte es mit der Ausrede, Sanal stehe unter dem Schutz eines sehr starken Gottes. Sanal wiederum erwiderte: "Ich bin Atheist."
Revanche beim „Tantra der absoluten Zerstörung"
Auftakt zur zweiten Runde! Noch in der Nacht gewährte Sanal dem Schwarzmagier eine letzte Revanche beim "Tantra der absoluten Zerstörung". Erneut laborierte Pandit Surinder Sharma stundenlang unter viel Hokuspokus an dem Skeptiker herum: mit steigender Vehemenz und - wohl mangels Erfolg - teilweise körperlicher Gewalt ...
Inzwischen sahen mehrere Millionen Menschen die kurios-morbide Live-Sendung, die immerhin darin hätte gipfeln können, dass jemand wahnsinnig, schreiend und unter Todeskrämpfen verschied - so zumindest die spektakuläre Ankündigung des Magiers. Doch niemand starb. Stattdessen wurden die Zuschauer Zeugen, als der Tantra-Scharlatan nach drei weiteren Stunden vom Moderator ausgezählt wurde - und erneut als Verlierer vom Altar trat.
Rationalist International schreibt auf seiner Webseite (Bulletin 171): "Sanal war sehr lebendig. Die Macht des Tantra hatte kläglich versagt. Tantriks schaffen eine solch furchterregende Atmosphäre, dass selbst Leute, die wissen, dass nichts dran ist an schwarzer Magie, aus Angst zusammenbrechen können, kommentierte ein Wissenschaftler in der Sendung. Es verlangt enormen Mut und starkes Selbstvertrauen, sie herauszufordern, indem man tatsächlich sein Leben aufs Spiel setzt, sagte er. Indem er das getan hat, hat Sanal den Bann gebrochen und denen, die seinen Triumph erlebt haben, viel von ihrer Angst genommen. In dieser Nacht erlitt einer der gefährlichsten und in ganz Indien verbreiteten Aberglauben einen schweren Schlag."
Aufklärung, die Angst nimmt
Wir beglückwünschen Rationalist International und Sanal Edamaruku für diese so eindrucksvolle wie auch publikumswirksame Demonstration unbeugsamen kritischen Denkens und schließen uns dem Lob von Skeptiker-Urgestein James Randi an: "Eins zu Null für die Vernunft!"
Humbug statt Hypnose
Sanal Edamaruku ist am 15. März wieder aktiv geworden und hat die angeblichen Hypnose-Kräfte eines New-Age-Gurus als Humbug entlarvt. Dieser hatte in einer indischen TV-Show behauptet, die geistige und körperliche Stärke seiner Klienten durch Hypnose in Sekundenschnelle erhöhen zu können.
Nach etwas Hokuspokus, bei dem Guru Sivanand einige Freiwillige (angeblich ihm unbekannte Personen) in vermeintlichen Schlaf versetzt hatte, wählte er eine junge Frau aus dem Publikum fürs große Finale: Ihr befahl er unter Hypnose, sich "stark wie Metall" zu fühlen, legte dann ihren Körper auf zwei Sessel (ungefähr so, dass ihre Mitte ohne Stütze war) - und ließ einen Jugendlichen darüberlaufen. Das, so Sivanand, sei nur durch seine Hypnose möglich, die der Frau die nötige Stärke verlieh ...
Auftritt Sanal Edamaruku: Der Skeptiker fackelte nicht lange. Er wählte eine andere Person aus dem Publikum, verzichtete auf pseudo-hypnotisches Brimborium, bettete den Mann ebenfalls zwischen zwei Sessel und stellte denselben Jugendlichen auf dessen schwebende Körpermitte. Der Mann fühlte sich dabei bestens - und auch er brach unter dem Gewicht des Jungen nicht zusammen. Ohne Hypnose oder New-Age-Bohei. "Etwas Selbstvertrauen und die ganz natürliche Stärke des menschlichen Körpers genügen dazu absolut", erklärte Sanal. Ein alter Trick, kein übernatürliches oder auf Hynosekräfte beschränktes Phänomen.
Der als Scharlatan entlarvte Guru, der ohne jede medizinische und psychologische Ausbildung seit Jahren an tausenden Patienten herumquacksalbert, schwieg betreten. Und wie sich später noch herausstellte, war die angeblich zufällig gewählte Frau, die Sivanand in Metall "verwandelt" hatte, genau dafür von ihm angeheuert worden: Mehrere Zeugen hatten vor der Live-Show gehört, wie die angehende Schauspielerin einigen Freunden am Telefon ihren baldigen Auftritt angekündigte ...
(Erstveröffentlichung im Weblog gwup | die skeptiker von Stefan Kirsch)
Links:
Sanal Edamaruku Challenges Tantra, Part 1-3 auf YouTube (indische Sendung im O-Ton, englische Zwischentitel zur Erläuterung)
Den ausführlichen Bericht über Sanal Edamarukus neuesten Streich finden Sie auf Englisch im Bulletin Nr. 174 von Rationalist International.
Und hier der Zusammenschnitt der Sendung mit dem Guru Sivanand via YouTube.