POLEN. (hpd) Bemerkenswertes aus säkularer Sicht (Zeitraum 04.02. – 17.02.13). Sexuelle Übergriffe in polnischen Schulen, eine Gesetzesinitiative zur Legalisierung des Schächtens, eine Gerichtsverhandlung zwölf Jahre nach Beschädigung einer Papststatue und die Diskussion in Polen um den Papst-Rücktritt.
Sexuelle Übergriffe – Bericht aus polnischen Schulen
Das Verständnis von Sexualität ist im hohen Maße in den Ländern durch die katholische Kirche geprägt, in denen sie einen großen Einfluss auf Politik und Gesellschaft hat. So verhält es sich auch in Polen – besonders auffällig ist dabei der starke Anstieg der Vergewaltigungen in Schulen, der jedoch nicht unmittelbar mit der Sexualmoral der katholischen Kirche in Verbindung gebracht werden kann. Gleichwohl gibt es in Polen keinen systematischen Sexualkundeunterricht – Kinder und Jugendliche sind in der Regel auf ihr soziales Umfeld und auf sich selbst angewiesen.
Die überregionale Tageszeitung Rzeczpospolita meldete Mitte Februar 2013 einen mehr als fünffachen Anstieg von Vergewaltigungen in Grund- und Mittelschulen. So soll es im Jahr 2012 zu 74 Vergewaltigungen gekommen sein, während es im Vorjahr 14 waren. Die Täter waren sowohl Schüler, als auch Erwachsene, Pädophile, die sich auf das Schulgelände geschlichen haben.
Ein besonders schwerer Fall betrifft ein 12-jähriges Mädchen, das mutmaßlich in der Toilette einer Grundschule in der ostpolnischen Stadt Lublin von drei älteren Schülern brutal vergewaltigt wurde. Darüber hinaus sollen in polnischen Schulen andere sexuelle Übergriffe sowie Verstöße gegen die guten Sitten auftreten wie zum Beispiel die Verbreitung von pornographischen Inhalten – 2012 wurden 181 solcher Fälle gemeldet und 2011 sind es 266 Fälle.
Bei der Anzahl an Vergewaltigungen und anderen Sexualdelikten kann davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer wesentlich höher liegt. Zum einen wird nicht jeder Fall zur Anzeige gebracht und auch fehlen manchmal die Beweise für die Tat. Die genannten Zahlen beziehen sich auf Taten, bei denen hinreichende Beweise für eine Anklage vor Gericht bestehen. (Quelle 1) und (Quelle 2). (Beide Polnisch)
Schächten unter Beratung?
Ende November 2012 hat das polnische Verfassungsgericht befunden, dass die rituelle Tötung von Tieren gegen die Verfassung verstößt und deswegen verboten sein sollte. Eine diesbezügliche Verordnung des Landwirtschaftsministeriums lief daher Ende 2012 aus. Mitte Dezember sagte der Landwirtschaftsminister Stanislaw Kalemba, er wolle eine Lösung für dieses Problem finden und somit das Schächten in Polen ermöglichen.
Mitte Januar 2013 wurde das Thema bei einem Treffen des Ministerrates auf die Tagesordnung gesetzt. Dabei wurde ein vom Landwirtschaftsministerium erarbeitetes Gesetzespakte besprochen, das sich mit dem Tierschutz beschäftigt und Ausnahmen schaffen soll, die das Schächten legalisieren. Im Kern geht es um Möglichkeiten, den Schmerz der Tiere zu lindern, die jedoch mit den religiösen Vorschriften vereinbar sind. In den nächsten Wochen soll das Thema wieder Gegenstand auf einer Sitzung des Ministerrates werden.
Für Aufregung sorgen hingegen die öffentlichen Konsultationen des Gesetzesvorhabens. Während Kalemba sagte, dass man circa 50 Organisationen anschrieb und darum bemüht war, keine zum umgehen, wird er genau deswegen kritisiert. Ein offener Brief wurde von Tierschutzorganisationen an Premierminister Donald Tusk gerichtet. In diesem wird die Empörung darüber ausgedrückt, dass Meinungen unberücksichtigt blieben, die das Leiden der Tiere anprangern. Die Konsultationen dauerten eine Woche.
Ob eine Gesetzesvorlage vom polnischen Parlament (Sejm) verabschiedet wird, bleibt unklar. Kalemba, drauf angesprochen, verwies auf die Teilung innerhalb der Regierungsfraktionen Bürgerplattform (PO) und polnische Bauernpartei (PSL). Im Grunde gehe es um eine Gewissensfrage, hierbei könne man nur versuchen, die Abgeordneten von den Vorteilen der Schächtung zu überzeugen.
Laut dem Internetportal wPolityce.pl begann das Problem 2010, als massenhaft geschächtetes Fleisch für die Türkei bestellt wurde, da dort die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen war. Im darauf folgenden Jahr war demnach ein Drittel des exportierten Fleisches mit Hilfe des Schächtens produziert worden, das sind circa 88 Tausend Tonnen Rindfleisch. Jedoch ist der Export von geschächtetem Fleisch 2012 wieder zurück gegangen. Aktuell schächten in Polen circa 30 Betriebe rotes Fleisch und Geflügel, in ganz Polen funktionieren circa 1.000 Schlachtbetriebe. (Quelle 1), (Quelle 2) und (Quelle 3). (Alle Polnisch)
Zwölf Jahre nach Beschädigung einer Papststatue – kein Urteil in Sicht
Die Ausstellung der Papststatue hatte im Jahr 2000 Kontroversen ausgelöst – damals stellte die Galerie Zacheta in Warschau einen am Boden liegenden Papst Johannes Paul II. aus, auf dem ein Stein lag, der einen Meteoriten darstellen sollte. Ende Dezember 2000 hatte der damalige Parlamentsabgeordnete der Wahlaktion Solidarnosc (AWS) Witold Tomczak den Stein vom Papst entfernt. Bei der Aktion soll es dem kirchennahen Abgeordneten darum gegangen sein, das Ansehen des Papstes zu schützen.
Nach zwölf Jahren versucht das zuständige Gericht den Prozess gegen die Beschädigung des Kunstwerkes in Angriff zu nehmen. Im Februar hat der Verteidiger des Angeklagten, Janusz Wojciechowski, der gleichzeitig EU-Abgeordneter der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ist, eine Vertagung um drei Monate erwirkt. Der Verteidiger erklärte, dass nicht klar ist, wie hoch der tatsächliche Schaden ist. Die vom Künstler Maurizio Cattelan angegebenen Kosten von circa 10.000 Euro seien virtuell – ein Sachverständiger müsse erst die wahren Kosten der Instandsetzung des Kunstwerkes feststellen. Dieses Argument führte nun zur Vertagung des Prozesses bis Mitte Mai.
Erst jetzt soll es zum Prozess kommen, da Tomczak vorher durch Immunität geschützt war – er war Abgeordneter im polnischen Parlament und im Europaparlament. Dort soll der Abgeordnete durch Redebeiträge aufgefallen sein, die auch als homophob bezeichnet werden könnten. Konkret soll er 2007 gesagt haben, dass „Homosexualität der Natur widerspricht“ und „Menschen geholfen werden sollte, die daran leiden“. (Quelle 1), (Quelle 2) und (Quelle 3). (Alle Polnisch)
Diskussion in Polen über Papst-Rücktritt – Kirche in den Medien
Klar ist, dass Polen wesentlich stärker an katholische Traditionen gebunden ist als Deutschland oder Frankreich, immerhin gehören circa 33,6 Millionen Polen der katholischen Glaubensgemeinschaft an, was circa 90 Prozent der Gesamtbevölkerung ist. Daher sind die Kirchen wesentlich besser gefüllt, obwohl auch in Polen der Trend zur Abkehr von dieser Institution immer stärker ist.
Ein Anzeichen, dass sich der Umgang der Medien mit kirchlichen Themen im Gegensatz zu anderen unterscheidet, ist die Berichterstattung um den Rücktritt des Papstes. Medien in Deutschland berichten differenziert, wobei auch starke Kritik am Pontifikat des deutschen Papstes geübt wurde. Die polnischen Medien hingegen beschränken sich weitestgehend auf die positive Berichterstattung zum Papst-Rücktritt – hier verhalten sich auch kirchenferne Medien wie Gazeta Wyborcza nicht anders.
Keine Überraschung ist, dass zum Beispiel die kirchennahe Internetplattform gosc.pl von „fanatischen Attacken“ der „liberalen Medien“ schreibt, die gegen den Papst gerichtet sind, der standhaft für „das Leben und die wahre Bedeutung der menschlichen Sexualität“ eintritt. Zwar erhalten in den kirchenfernen Medien die Skandale der letzten Jahre relativ viel Raum, doch werden mögliche Verfehlungen des Papstes nicht angesprochen.
Eher wird thematisiert, warum der Papst zurückgetreten sein könnte (gesundheitliche Gründe) und wie der weitere Verlauf bis zur Wahl des nächsten Papstes aussehen wird. Auch wird versucht in Einklang zu bringen, warum der polnische Papst Johannes Paul II., der in Polen wie ein Heiliger verehrt wird, mit seinem schweren Leiden weiter sein Amt ausführte und Benedikt XVI. abtreten wird. (Quelle 1), (Quelle 2), (Quelle 3) und (Quelle 4). (Alle Polnisch)
Lukas Plewnia