Jugendweihefeiern in Dresden 2008

DRESDEN. (hpd) Die diesjährigen Jugendweihefeiern in Dresden sind in vollem Gange. Der Sächsische Verband für Jugendarbeit und Jugendweihe e.V. und der Jugendverein Roter Baum e.V. haben von Ende März bis Anfang Juni die Wochenenden für sich „gepachtet".

 

Meistens entscheiden die Eltern, ob die Jugendweihe beim eher linksorientierten „Roten Baum" oder beim traditionellen Jugendweiheverband stattfindet.

 

Sächsischer Verband für Jugendarbeit und Jugendweihe e.V.

Die Initiative von engagierten Eltern führte bereits 1990 zur Gründung des Sächsischen Verbandes für Jugendarbeit und Jugendweihe e.V. Sie hatten es anfangs schwer, das Image der rein sozialistischen Feierkultur abzulegen. Um sich vom Anschein der Fortführung der DDR-Jugendweihe zu distanzieren, sind vielleicht auch einige traditionell sozialdemokratischen Themen, wie Vermittlung von politischem und sozialem Engagement, Demokratieverständnis und Verantwortungsübernahme verloren gegangen.

Im Bestreben unparteiisch zu sein, werden im Vorfeld der Jugendweihe eine Vielzahl von Angeboten für Veranstaltungen aller Art zusammengestellt. Trotz Engagement der MitarbeiterInnen der Regionalbüros, fehlt den Jugendlichen teilweise die Motivation für die Teilnahme daran. Die Feier wird vom Verband ausgerichtet, regional namhafte Künstlern und Moderatoren werden dafür engagiert.

Vom 29. März bis 24. Mai jeweils samstags finden für 1.826 Jugendliche und deren Eltern und Verwandte die Jugendfeiern in Dresden, dem Weißeritzkreis und dem Landkreis Sächsische Schweiz statt. Derzeit werden insgesamt jährlich ca. 300 Feiern an 95 Orten des Freistaates Sachsen für ungefähr 14.000 Teilnehmer organisiert. In Dresden finden diese traditionell in der „Komödie" im Dresdner World Trade Center statt. Auch schon fast traditionell führen Ernst Dollwetzel und Romy Hildebrand in lockerer Art und Weise durchs Programm. Wenn der feierliche Akt auf der Bühne mit Übergabe der Urkunde und des Buches vorüber ist, brauchen sich die jungen Leute nur noch zurücklehnen und genießen.

Jugendverein Roter Baum e.V.

Der ehrenamtlich geführte Verein „Roter Baum" bietet eine Alternative zum „großen" Jugendweiheverband. Anders ist hier vor allem, dass auf aktives Mitwirken der Jugendlichen gesetzt wird. Nicht nur bei den einzelnen Projekten im „Jugendweihejahr", sondern auch bei der Vorbereitung und Durchführung der Feier sind sie direkt einbezogen und gestalten diese mit. Hier wird also bewusst ein Beitrag zur Verantwortungsübernahme und Engagement geleistet.

Der „Rote Baum" hat als Jugendverein inzwischen eine 15-jährige Tradition und bietet zu Themen wie Bildung, Demokratie, Klimaschutz, Kampf gegen Rechtsextremismus und Engagement für sozialer Randgruppen Projekte an, die nicht nur für die Jugendweihlinge offen sind. Er bietet den jungen Leuten Orientierungshilfen beim Erwachsenwerden und schafft Anlaufpunkte, wo sie sich treffen und über alle Themen austauschen können.

Der Verein hat, wie auch im vergangenen Jahr, für über 450 Jugendliche und deren Angehörige das Fest im Kabarett „Herkuleskeule" ausgerichtet. Die Feiern begannen am ersten Maiwochenende und werden bis Ende Juni jeweils samstags und sonntags fortgesetzt. Es konnten wieder zahlreiche namhafte Leute für die Gestaltung gewonnen werden, wie beispielsweise Michael Schmidt-Salomon für das vergangene Wochenende. Er gab den jungen Leuten den guten Rat mit auf den Weg, sich das Kindsein und die Neugier so lange wie möglich zu bewahren und getreu dem Motto seines „Ferkelbuches", welches die Jugendlichen als Geschenk erhielten, sich nichts und von niemandem etwas vormachen zu lassen. Übrigens auch ein schöner Unterschied: Die Jugendlichen bekommen vom Festredner ein sehr persönliches Buch, mit dem sich eigene Entwicklungen oder Lebensstationen des Redners verbinden und das er gern als Hilfestellung oder Wegzeichen weitergeben möchte.

Der Liedermacher Jörg Kokott präsentierte wunderbare Lieder nach Texten von Goethe bis Gisela Steineckert zur Gitarre und machte deutlich, dass das Leben zu jeder Zeit seine Schwierigkeiten für den Einzelnen hatte. Im Gespräch mit den Mädchen und Jungen nach der Feier zeigten sie sich begeistert über das „Kleine Ferkel"-Buch und die etwas unkonventionelle Rede von Michael Schmidt-Salomon. Gelöst und befreit von der Sorge, dass das Kleid gut sitzt, die allzu hohen Absätze an den Schuhen nicht zur Stolperfalle wurden und der Knicks bzw. der Diener bei der Vorstellung auf der Bühne gut gelungen ist, machten sich die „neuen" Erwachsenen im Anschluss mit Eltern, Freunden und Verwandten zu den individuellen Feiern auf.

Jugendweihe mit Tradition seit 1852 - keine DDR-Erfindung

Jedoch die Tradition geht viel weiter zurück. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der Begriff Jugendweihe bereits 1852 auftauchte. Die freireligiösen Gemeinden entwickelten diese Form der Aufnahme von Kindern ins Erwachsenenleben. Sie organisierten einen Moralunterricht ohne Religion für ihre Kinder. Mit 14 Jahren endete damals die Schule und die Jugendweihe bildete den Höhepunkt und Schlusspunkt der Schulzeit. Diese freireligiöse und freidenkerische Tradition wurde von der Arbeiterbewegung übernommen und damit war es 1933 genügend Grund für die Nazis, dies zu verbieten. Ab 1946 veranstalteten der Deutsche Freidenkerverband und die Ortsgruppen der Arbeiterparteien die ersten Jugendweihen nach dem Krieg. Doch in der DDR wurden diese Feiern ab 1950 verboten, um sie in neuem Gewand ab 1954 als sozialistischen Festakt wieder einzuführen. Als Gegenpol zu den kirchlichen Initiationsfesten sollte sie auch den christlich gebundenen Jugendlichen das Bekenntnis zur sozialistischen DDR abnehmen. Auch damals gab es schon die so genannten Jugendstunden, in denen die jungen Leute das Erwachsenenleben in Betrieben, Einrichtungen und Staatsorganen hautnah erleben konnten. Aber auch Kino, Tanz und Vorträge waren im Programm.

Nach der Wende: Erst einmal Aus

Nach der Wende bedeutete es erst einmal das Aus für die Jugendweihe. Öffentliche Anerkennung oder gar staatliche Förderung, wie ein schulfreier Tag für die Jugendweihlinge, gab es nicht. Die Jugendweihe stellte keine Initiationsfeier einer anerkannten Weltanschauungsgemeinschaft dar. Die Initiative von engagierten Eltern führte jedoch bereits 1990 zur Gründung des Sächsischen Verbandes für Jugendarbeit und Jugendweihe e.V. Heute sprechen die Teilnehmerzahlen der Jugendweihen für Anerkennung und Verankerung als gesellschaftliche Institution, auch wenn die Teilnehmerzahlen insgesamt wegen der geburtenschwachen Jahrgänge, zunehmender Armut und vermutlich daraus resultierender Interesselosigkeit der jungen Menschen, abnehmen.

Jugendweihe in Dresden hat also Tradition, und gleichgültig, wer der Veranstalter ist, bietet sie den konfessionslosen und areligiös Eingestellten die Möglichkeit, den Jugendlichen den Schritt vom Kindsein zum Erwachsenwerden als ersten großen Höhepunkt im Leben zum unvergesslichen Erlebnis zu machen.

Elke Schäfer