Notizen aus Russland

Gorbatschow für Lenin-Begräbnis und Gedenkstätte.

MOSKAU, 4. Juni. Michail Gorbatschow, das letzte Staatsoberhaupt der Sowjetunion, hat

sich für eine Bestattung des mumifizierten Revolutionsführers Lenin ausgesprochen. Es laufe alles darauf hinaus, dass es an der Kremlmauer eines Tages einmal keinen Friedhof und kein Lenin-Mausoleum mehr gebe, sagte Gorbatschow auf einer Pressekonferenz.

Michail Gorbatschow sprach sich zudem für eine Umwandlung des alten Moskauer Gefängnisses Butyrka in eine Gedenkstätte für Stalin-Opfer aus. Als Haftanstalt sei dieser Bau schon nicht mehr tragbar, als museale Stätte aber unverwechselbar. Die Erinnerung und vollständige Rehabilitierung der Stalin-Opfer sei eine Frage der Demokratie. Die unaufgearbeitete Vergangenheit sei ein Beleg dafür, dass in Russland „noch einiges im Argen liegt“.

Gorbatschow sprach sich auch dafür aus, dass die Opfer des Massakers von Katyn 1940 rehabilitiert werden sollten. Die russische Staatsanwaltschaft hatte 2005 ein entsprechendes Verfahren eingestellt und den Massenmord an polnischen Offizieren durch den KGB nicht als politisches Verbrechen klassifiziert. (Deutsch)

Russische Jugendliche und die Moral

MOSKAU, 3. Juni. Bei einer Anhörung der Duma zum Stand der geistig-moralischen Erziehung wurden folgende Angaben gemacht: Aus einer Umfrage des Instituts für Soziologie der Russischen Akademie der Wissenschaften gehe hervor, dass ein bedeutender Teil der Jugendlichen, 30 bis 50 Prozent, Erscheinungen wie Prostitution, Bereicherung auf Kosten anderer, Grobheit, Trunksucht, Bestechungsgelder, Schwangerschaftsabbrüche und öffentliche Feindseligkeit gegenüber Personen anderer Nationalitäten für nicht unzulässig halten. 55 Prozent wären bereit, moralische Normen des Erfolges wegen zu brechen.

Zudem wurde mitgeteilt, dass Russland bezüglich der Anzahl von Schwangerschaften, verwahrlosten Kinder, der Sterberate und des Alkoholkonsums den ersten Platz in der Welt einnehme. (Russisch)

Akademischer Pressedienst angekündigt

MOSKAU, 3. Juni. Die Russische Akademie der Wissenschaften wird laut ihrem Präsidenten Juri Ossipow einen Pressedienst einrichten. Ziel sei es, die Gesellschaft über die wichtigsten Entdeckungen in Raumfahrt und Medizin zu informieren, sagte er am 3. Juni vor der Presse in Moskau. „Wir sind selbst daran interessiert, die Pressearbeit auf ein ganz anderes Niveau zu heben ... In den letzten Jahren wurden von Akademiemitgliedern nicht wenige Entdeckungen gemacht, darunter in der Raumfahrt und in der Medizin. Die Öffentlichkeit soll davon in Kenntnis gesetzt werden", sagte Ossipow.

Der Vizepräsident der Akademie, Alexander Nekipelow, sprach sich sogar für die Bildung eines eigenen Pressediensts in jedem Institut der Akademie aus. (Deutsch)

Männer kümmern sich immer weniger um Erziehung

MOSKAU, 3. Juni. Die Rolle des Vaters bei der Kindererziehung in Russland hat an Bedeutung verloren. Das geht aus einer am 3. Juni veröffentlichten Umfrage des russischen Meinungsforschungsinstituts (WZIOM) hervor.

Wie es heißt, ist in jeder dritten Familie (33 Prozent) hauptsächlich die Mutter für die Kindererziehung zuständig und nur in zwei Prozent der Fälle der Vater. Ein Prozent der Befragten beauftragt einen Erzieher oder ein Kindermädchen.

In 41 Prozent der Familien ist die Kindererziehung Aufgabe beider Elternteile und bei 21 Prozent beteiligen sich auch die Großeltern daran.

Jeder zweite Russe (53 Prozent) sagt, dass sowohl sein Vater als auch seine Mutter gleichviel zu seiner Erziehung beigetragen haben. Jeder Dritte (34 Prozent) meint, dass seine Mutter die führende Rolle gespielt habe und nur jeder Zehnte (neun Prozent) meint, hauptsächlich von seinem Vater erzogen worden zu sein. Drei Prozent wurden nicht von ihren Eltern erzogen.

Der Großteil der Befragten (72 Prozent) ist der Ansicht, dass beide Elternteile für die Kindererziehung zuständig seien; 13 Prozent meinen, dass dies auch Sache der Großeltern sei. Nur sechs Prozent sagen, dass für die Erziehung ausschließlich die Mutter zuständig sei, drei Prozent sprechen diese Rolle dem Vater zu.

Fünf Prozent glauben, dass Familie und Schule für die Erziehung der heranwachsenden Generation zuständig seien. Ein Prozent würde professionelle Erzieher hinzuziehen. Die Umfrage, an der 1600 Personen teilnahmen, wurde am 24. und 25. Mai in 46 russischen Regionen durchgeführt. (Deutsch)

Neues russisch-orthodoxes Kloster bei Berlin

BERLIN, 2. Juni. Der Bau des „Mönchsklosters des Heiligen Georgs“ in Götschendorf im Land Brandenburg wird vom Chef des kirchlichen Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Kyrill, als historisches Ereignis bewertet. In einem Interview sagte er: „In München gibt es bereits das russisch-orthodoxe Kloster des Heiligen Hiobs, das zur russischen Auslandskirche gehört. Die Bedeutung des St.-Georg-Klosters, des ersten in Deutschland vom Moskauer Patriarchat gegründeten Klosters, besteht darin, dass es sich in Ostdeutschland befindet.“ Das Kloster sei als Ort für geistige und kulturelle Kontakte zwischen Deutschen und Russen gedacht.

Am 31. Mai fand die feierliche Grundsteinlegung für das neue Gotteshaus in dem entstehenden St.-Georg-Kloster statt. Das Mönchskloster der Berliner Diözese wird auf dem Gelände des ehemaligen Gutsbesitzes Götschendorf gebaut, wo sich vor der Vereinigung Deutschlands ein Militärkrankenhaus der sowjetischen Truppen befunden hatte.

Metropolit Kyrill hatte sich vom 30. Mai bis 1. Juni an der Spitze einer Delegation der russisch-orthodoxen Kirche in Deutschland aufgehalten und sich am ersten Besuchstag mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier getroffen. Während dieses Gesprächs wurden die Beziehungen zwischen Staat und Kirche in beiden Ländern, die Rolle des religiösen Faktors bei der Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Ländern, die Situation im Kosovo und in Ex-Jugoslawien, die humanitären Aspekte der Probleme der EU-Erweiterung, das orthodoxe Herangehen an das Problem der Menschenrechte sowie die Beziehungen zwischen verschiedenen Konfessionen und zwischen verschiedenen Zivilisationen erörtert.

Am 1. Juni wurde in der russischen Botschaft in Berlin ein festlicher Empfang gegeben, bei dem der russische Botschafter in Deutschland, Wladimir Kotenjow, den großen Beitrag der orthodoxen Kirche zur Wiedergeburt der geistigen Kultur in Russland würdigte. Dem Empfang wohnten ranghohe kirchliche Würdenträger der russisch-orthodoxen und der russischen Auslandskirche, deutsche Politiker sowie Vertreter der russischen Kirchengemeinden in Deutschland bei.

Unter den Ehrengästen befand sich auch der Journalist Norbert Kuchinke, ehemaliger „Spiegel“-Korrespondent, der die Idee der Einrichtung eines orthodoxen Klosters unweit von Berlin hervorgebracht hatte. Kuchinke, selbst Katholik, nimmt aktiv am Sammeln von Geldern für die Restaurierung und die Errichtung von Nebenbauten des Klosters teil. Die Bauarbeiten werden auf fünf bis sechs Millionen Euro geschätzt. (Deutsch)

Katz-und-Maus-Spiele beim Gay Pride

MOSKAU, 2. Juni. Am Sonntag, dem 1. Juni, demonstrierte eine kleine Gruppe von Schwulen und Lesben für mehr Toleranz – trotz des in der Hauptstadt schon üblichen Demoverbots. Wie in den letzten beiden Jahren hatte die Moskauer Stadtverwaltung die dutzendfach von den schwul-lesbischen Aktivisten eingereichten Demonstrationsanträge abgelehnt. Die offizielle Begründung lautete jedes Mal, die Behörden seien nicht in der Lage, die Sicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten.

Dass es gewaltbereite Gegner von Schwulen und Lesben gibt, bewies die diesjährige Aktion erneut. Allerdings hatten die Demonstranten ihre Widersacher wie auch die Polizei ausgetrickst und sich eine Stunde früher an einem anderen Ort versammelt als ursprünglich angekündigt. Statt gegenüber dem Bürgermeisteramt an der Twerskaja Uliza traf man sich am Tschaikowski-Denkmal an der Bolschaja Nikitskaja. „Wir stehen besser hier – vor dem Denkmal des wichtigsten russischen Schwulen – als vor dem Gebäude, wo Russlands größter Homophob sitzt“, so Demo-Organisator Nikolaj Alexejew.

Von dort aus zogen einige Dutzend Aktivisten mit Transparenten wie „Freiheit für sexuelle Minderheiten ist Freiheit für alle“ innerhalb einer Viertelstunde zum Boulevardring. Die Polizei griff nicht ein, weil die Aktion von den Behörden einfach nicht bemerkt worden war. Auf der Twerskaja hatten sich zwischenzeitlich orthodoxe Gegendemonstranten und einige kahl geschorene junge Leute versammelt. Einige von ihnen wurden von der Miliz verhaftet – sei es, weil sie Transparente entrollten, sei es ganz ohne Grund.

Zu Ausschreitungen kam es dann, als auf der Twerskaja aus den Fenstern einer Mietwohnung im zweiten Obergeschoss ein Transparent mit der Aufschrift „Rechte für Schwule und Lesben – Homophob Luschkow vor Gericht!“ gehängt wurde. Das Banner wurde von Gegendemonstranten mit Eiern und Jogurt beworfen, wobei auch Journalisten und Schaufensterscheiben in Mitleidenschaft gerieten. Auch hier nahm die Miliz schnell alle Teilnehmer fest. Als die Gegendemonstranten in einer Person einen Schwulen zu erkennen glaubten, griffen sie ihn tätlich an – die Gewalttäter wurden ebenfalls abgeführt.

In die fragliche Wohnung hineinzukommen, gelang der Polizei zwar trotz eifriger Bemühungen nicht. Allerdings riss in der Zwischenzeit ein Fassadenkletterer das Transparent herunter.

Die schwul-lesbischen Aktivisten zeigten sich später zufrieden: Sie hätten mit ihrer „schönen und friedlichen Veranstaltung“ bewiesen, dass sie demonstrieren können, ohne in Schlägereien geraten zu sein. Auch sei keiner ihrer Aktivisten festgenommen worden. Klagen gegen die Moskauer Demo-Verbote lägen inzwischen vor dem europäischen Menschenrechtsgerichtshof.

Die Moskauer Polizei berichtete am Abend von 36 Festnahmen im Moskauer Zentrum. In der immer wieder gern praktizierten Art russischer Behörden, unangenehmen Dingen andere Namen zu geben und ihre Vorgehensweise mit aus der Luft gegriffenen Vergehen zu rechtfertigen, wurde amtlich jeder Bezug zur schwul-lesbischen Demo negiert: Alle Festgenommenen „haben die Straße an einer dafür nicht geeigneten Stellen überquert“, so ein Polizeisprecher, weshalb man sie zur Anfertigung entsprechender Protokolle aufs Revier gebracht hätte. (Deutsch)

Junge Menschenrechtler fordern Öffnung der Ehe

PETROSAWODSK, 1. Juni. Der karelische Ortsverband der „Jugendgruppe für Menschenrechte“ hat sich mit einer Erklärung an das Verfassungsgericht der Russischen Föderation gewandt. Darin wendet er sich gegen die derzeitige Version des Artikels zur Familie, der u. a. die Bedingungen für eine Heirat enthält.

Nach Artikel 1, Absatz 12 des Familienkodex der russischen Verfassung muss zu einer Eheschließung „das gegenseitige und freiwillige Einverständnis von Mann und Frau“ vorliegen. Damit seien Schwule und Lesben von der Eheschließung ausgeschlossen, so die Verfasser der Erklärung. Sie betrachten diese Regelung als diskriminierend, zudem widerspreche sie dem Geist von Artikel 19 der Verfassung, nach dem „alle vor dem Gesetz und der Rechtssprechung gleich seien und der Staat die Gleichheit der Rechte und Freiheiten des Menschen und des Bürgers garantiert“.

Die jungen Menschenrechtler fordern daher folgende Umformulierung: „Für die Eheschließung ist das gegenseitige freiwillige Einverständnis von heiratswilligen Bürgern notwendig.“ (Russisch) (Russisch)

Patriarch bestätigt Möglichkeit eines Treffens mit dem Papst

MOSKAU, 29. Mai. Patriarch Alexi II. von Moskau und ganz Russland hat bei seinem Gespräch mit Kardinal Walter Kasper, dem päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen, am 29. Mai die Möglichkeit eines Treffens mit Papst Benedikt XVI. bestätigt. „Es wurde zwar nicht konkret darüber gesprochen, aber erneut bestätigt, dass ein solches Treffen im Prinzip möglich ist", verlautete es inoffiziell aus dem Moskauer Patriarchat.

Bei dem Treffen erörterten Alexi II. und Kardinal Kasper Probleme, die die Beziehungen zwischen beiden Kirchen erschweren, darunter die geistige Erziehung von orthodox getauften Kindern, die jetzt in katholischen Kinderheimen wohnen. Des Weiteren besprachen sie die Perspektiven eines gemeinsamen Zeugnisses der katholischen und der russisch-orthodoxen Kirche zu christlichen Werten und die zukünftige Zusammenarbeit der geistlichen Hochschulen beider Kirchen. (Deutsch)

Selbsternannte Moralhüter haben Angst vor Kontrolle

NALTSCHIK, 27. Mai. Der Erzbischof von Stawropol und Wladikawkas Feofan, Mitglied der Gesellschaftskammer Russlands, hat sich gegen die Gründung eines Ministeriums für Religionsangelegenheiten gewandt.

„Jetzt werden Stimmen laut, dass ein Ministerium für Religionsangelegenheiten gegründet werden soll, das die religiösen Organisationen gänzlich kontrolliert. Die russisch-orthodoxe Kirche ist dagegen”, äußerte er am 27. Mai bei einer Anhörung der Gesellschaftskammer über „Jugend und Radikalismus“ in Naltschik, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Kabardino-Balkarien.

Dem Erzbischof zufolge muss der Staat die Tätigkeit der religiösen Organisationen im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung regeln und sollte sich nicht in deren interne Angelegenheiten einmischen. „Doch in denjenigen Bereichen, wo die Gesetzgebung verletzt wird, was vorwiegend totalitäre Sekten betrifft, hat der Staat sehr viele Handlungsmöglichkeiten“, sagte Feofan. (Deutsch)

Lawrow: Russland schlägt keine „Schlacht um die Arktis“

ILULISSAT/MOSKAU, 29. Mai. Russland sei nicht bereit, eine „Schlacht um die Arktis“ zu schlagen. Das erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Rande der Konferenz der Arktis-Anrainer in Ilulissatt auf Grönland. Außer Russland waren die USA, Kanada, Dänemark und Norwegen vertreten.

Lawrow glaubt, dass es wegen der Klimaerwärmung und den knapper werdenden Ressourcen nicht zwangsweise zu Konflikten um die Arktis kommen muss. Alle Streitfragen müssten auf der Grundlage des Völkerrechts und am Verhandlungstisch beigelegt werden. Der Außenminister verwies auf eine russische Initiative, in der Arktis ein Sicherheits- und Überwachungssystem zum Schutz der Umwelt zu errichten. Dieses würde „ein schnelles Eingreifen bei technisch bedingten Risiken“ ermöglichen, wie sie beim Bau und Betrieb von Anlagen zur Öl- und Gasförderung oder der Atom-Industrie auftreten könnten. (Deutsch)

Arktis-Anrainer kämpfen um ewiges Eis, Öl und Gas

MOSKAU, 19. Mai. Beim „Rennen um die Arktis“ geht es um riesige Rohstoffvorräte im ewigen Eis. 5 Mrd. Tonnen Brennstoff seien in der Arktis bereits erkundet, erklärte Russlands Bodenschatzminister Juri Trutnjew. Russische Wissenschaftler sind sich sicher, dass noch weit größere Vorräte dort lagern. Von 100 Mrd. Tonnen Kohlenwasserstoffen ist die Rede, in erster Linie Öl und Gas. Die Vorräte wären damit größer als die Reserven Saudi Arabiens und doppelt so groß wie die bisherigen Lagerstätten Russlands.

Sollte die Arktis tatsächlich Russland zugeschlagen werden, wären die größten Gewinner bereits jetzt klar. Die Staatskonzerne Gazprom und Rosneft haben vor Kurzem das alleinige Recht erhalten, die Rohstoffe vor der russischen Küste auszubeuten; ihre Vorräte würden so um ein Vielfaches steigen.

Doch Anspruch auf die Arktis erhebt nicht nur Russland. Kanada, Norwegen, die USA und Dänemark (über sein Besitztum Grönland) wollen ebenfalls von den Rohstoffen profitieren. Vor allem Kanada verstärkt nun den Druck. Ottawa erklärte, Moskau versuche sich „illegal“ die Arktis anzueignen. Vor allem die seit Monaten ständig in den kalten Gewässern patroullierende Atomeisbrecherflotte der Russen hat Befürchtungen der Nordamerikaner geweckt, beim Rennen um das „Gold der Arktis“ zu spät zu kommen.

Kanada will seine Arktis-Forschungen deutlich vorantreiben. Die staatliche Finanzierung wurde von 20,5 Mio. USD auf 40 Mio. USD verdoppelt. Das Geld soll dazu dienen, den Meeresgrund unter der dicken Eisfläche der Arktis zu vermessen, um so eigene Ansprüche zu untermauern. Schützenhilfe bekommt Kanada dabei von den USA. Scott Borgerson vom amerikanischen „Council on Foreign Relations“ rief dazu auf, Verhandlungen zwischen den USA und Kanada über eine einheitliche Gesetzgebung zur Arktis aufzunehmen.

„Derzeit gibt es keine festen Regeln über den Umgang mit dieser wirtschaftlich und strategisch wichtigen Region“, erklärte er. Ohne diese Regelungen könne es aber bald zu einem militärischen Konflikt kommen, warnte der Arktis-Experte. Borgerson wies in diesem Zusammenhang auf die Hartnäckigkeit hin, mit der Russland eigene Gebietsansprüche durchzusetzen versucht. (Deutsch)

Anklage gegen Kurator von „Verbotene Kunst 2006“

MOSKAU, 23. Mai. Die Moskauer Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen Andrej Jerofejew, Leiter der Abteilung Neue Künste in der Tretjakow-Galerie und Kurator der Ausstellung „Verbotene Kunst 2006“ (hpd berichtete), erhoben.

Wegen der Organisation der genannten Ausstellung im März vergangenen Jahres im Sacharow-Zentrum wird ihm Anstachelung von Hass bzw. Feindseligkeit und die Verletzung der Menschenwürde unter Ausnutzung der Diensstellung laut Strafgesetzbuch vorgeworfen. Sollte er dieser Vorwürfe für schuldig befunden werden, drohen Jerofejew bis zu fünf Jahre Gefängnis. Gegenwärtig darf er Moskau nicht verlassen, sich aber in der Stadt frei bewegen.

Jerofejews Rechtsanwalt zeigte sich über den Vorwurf der Strafverfolger empört, sein Mandant habe „Missbrauch im Amt“ betrieben. Die Feststellung, dass der Kurator sein „Wissen missbraucht“ habe, um eine Ausstellung zu machen, sei einfach „absurd“.

Bereits am 13. Mai war eine analoge Anklage gegen Juri Samodurow, den Direktor des Sacharow-Zentrums, erhoben worden.

Eine Gruppe von Menschenrechtlern erklärte sich mittlerweile solidarisch mit den Angeklagten. In einer Erklärung heißt es: „Wir sehen darin den offensichtlichen Versuch des Staates, beliebige Differenzen zu den ästhetischen Vorstellungen klerikaler Kreise als Strafdelikt zu erklären und somit in unserem zumindest formell noch säkularen Staat eine religiöse Zensur einzurichten.“

Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe Ljudmilla Alexejewa, der Chef der Bewegung „Für Menschenrechte“ Lew Ponomarjow, der Direktor des Instituts für Menschenrechte Sergej Kowaljow und der Sekretär des Gesellschaftlichen Komitees zum Schutz der Wissenschaftler Ernst Tschornyj. (Russisch) (Russisch)

Nationalisten wegen Terroranschlägen verurteilt

MOSKAU, 15. Mai. Das Moskauer Stadtgericht hat eine Bande terroristischer Straftäter im Alter von 20 bis 37 Jahren verurteilt. Diese hatte eine Serie von Anschlägen in Moskau und dem Moskauer Umland verübt. Im Laufe des Strafverfahrens war festgestellt worden, dass die vorwiegend jugendlichen Täter zur russisch-nationalistischen Gruppe „Spas“ (Rette!) gehören, die für ihre rassistische Ideologie bekannt ist und Hass gegen Bürger nichtslawischer Herkunft verbreitet.

Vor diesem ideologischen Hintergrund verübten die Täter im Sommer 2006 acht Anschläge auf Orte, an denen sich viele nichtrussische Einwohner aufhalten, u.a. auf einen muslimischen Gebetsraum. Ein weiterer Anschlag galt einem Markt, bei dem 14 Menschen getötet und 47 weitere verletzt worden waren. (Russisch)

Tibor Vogelsang