Katholiken fanatischer als Muslime?

PZ Myers schändet Hostie und Koran. Mit erstaunlichen Reaktionen. Das Ende des Hostien-Kriegs?

Der Evolutionsbiologe und Neue Atheist PZ Myers hat vor einer Woche seine Drohung wahrgemacht: Er hat einen rostigen Nagel in eine gesegnete Hostie gesteckt, sie zusammen mit rausgerissenen Seiten des Koran und Dawkins „Gotteswahn“ in den Müll geworfen, und das moderne Kunstwerk mit Kaffeepulver und einer Bananenschale verziert. Das Foto (siehe Anhang) lässt einen Ungläubigen einigermaßen kalt. Die Reaktionen von religiöser Seite sind jedoch nicht wie erwartet.

Man hätte angenommen, dass der Religionskritiker zumindest ein paar Todesdrohungen von aufgebrachten Muslimen erhält, oder dass eine Flagge mit seinem Pharyngula-Embryo verbrannt wird. Nichts dergleichen ist geschehen. PZ Myers hat bis zum heutigen Tage nicht einmal eine höfliche Beschwerde von Muslimen erhalten (nicht eine!), obwohl er das heiligste Heiligtum des Islam zerrissen und in den Müll geworfen hat.

Stattdessen erhielt er hunderte von Todesdrohungen von aufgebrachten römischen Katholiken (das sind die ganz normalen Jesus-und-Maria-Verehrer mit Benedikt XVI. als Oberhaupt). Inzwischen hat er sich einen Spam-Ordner für Todesdrohungen eingerichtet, die man offenbar, wie bereits angemerkt, inzwischen für jeden Schwachsinn erhält.

Hier ein Auszug zur Illustration:

„Ich wollte dir nur eine Nachricht schicken, dass wenn jemand bekannt gibt, er habe deine Frau, Mary, und deine Kinder, Alaric, Connlann und Skatje entführt, sie brutal vergewaltigt, getötet und sie in eine Mülltonne geworfen und dann darüber gelacht und damit angegeben, dann wirst du einen ersten Eindruck davon haben, welchen Zorn du bei vielen guten Menschen erregt hast.“

Gute Menschen tun gute Dinge und schlechte Menschen tun schlechte Dinge, aber um gute Menschen dazu zu bringen, schlechte Dinge zu tun, braucht es die Religion. Offenbar liegt den betroffenen Katholiken viel daran, diese Erkenntnis von Steven Weinberg durch empirische Daten zu stützen. Doch wie lassen sich solche Reaktionen erklären?

Vermutlich haben drei Faktoren eine Rolle gespielt:

  1. Die Nachricht wurde nicht, wie bei den dänischen Karikaturen, weltweit von Mullahs verbreitet.

  2. Es gab schon zuvor Fälle von Koranschändung in den USA. Zum Beispiel hat ein Student versucht, eine Koranausgabe die Toilette runter zu spühlen. Es wurde auch von einer Koranschändung in Guantanamo Bay berichtet. Und irgendwann wird auch der heiligste Zorn mal langweilig.

  3. Die Toleranz für islamische Ausfälligkeiten ist in den USA auf dem Gefrierpunkt angelangt. Polizeikräfte sehen besonders aufmerksam hin, wenn ein in seinen „religiösen Gefühlen“ verletzter Moslem meint, nach 9/11 noch irgendwas zu melden zu haben. Dafür ist das gesellschaftliche Ansehen von christlichen Konfessionen umso höher.

Währenddessen wird nicht nur der erste Hostienschänder Webster Cook mit dem Rauswurf aus seiner Universität bedroht, sondern auch noch sein Freund Benjamin Collard, der während der Messe anwesend war, aber nichts getan hat. Dies ist auf die enge Zusammenarbeit der Universitätsleitung mit dem katholischen Lehrstuhl zurückzuführen*, der es offenbar schon für ein Verbrechen hält, wenn jemand mit dem Nicht-Esser einer Hostie befreundet ist.

 

Inzwischen hat die „Confraternity of Catholic Clergy“ (Bruderschaft des katholischen Klerus) die Aktion von PZ Myers verurteilt. Ihre Begründung enthält folgende Passage:

„Religionsfreiheit bedeutet, dass niemand das Recht hat, eine religiöse Tradition anzugreifen, sie bösartig oder auf widerwärtige Weise zu beleidigen, von der er kein Mitglied ist oder der er keine Loyalität schuldig ist.“

 

Tatsächlich wurde die Religionsfreiheit von Thomas Jefferson in die amerikanische Bill of Rights aufgenommen, damit die europäischen Religionskriege nicht auf amerikanischem Boden fortgeführt werden und damit die Religionen in einen aufgeklärten Ideenwettstreit treten, aus welchem die wahre Religion als Sieger hervorgehen solle. In den Notes on the State of Virginia sagt er deutlich:

„Aber jeder Bundesstaat, sagt ein Inquisitor, hat eine Staatsreligion eingeführt. Keine zwei, sage ich, haben die selbe. Ist das ein Beleg für die Unfehlbarkeit der eingeführten Religionen?“

Wahrscheinlich gäbe es gar keine Religion mehr, wenn es so gelaufen wäre, wie Jefferson sich das mit der Religionsfreiheit vorstellte:

„Vernunft und freie Forschung sind die einzig wirkungsvollen Agenten gegen Fehler. Befreie sie, und sie werden die wahre Religion stützen, indem sie jede andere vor ihr Tribunal stellen, sie ihrer Prüfung unterziehen. Sie sind die natürlichen Feinde des Fehlers, und des Fehlers allein.“

 

Leider ist es aber nicht so gelaufen. Die Religionen sind nicht in einen kritischen Ideenwettstreit getreten, sondern verteidigen ihre Dogmen weiterhin auf Grundlage der Unvernunft, mit den Mitteln der Gewalt und Unterdrückung, wo immer Gesellschaft und Staat ihnen die Gelegenheit dazu geben. Und wenn sie sich einig sind, dann nur in der Verdammung des Atheismus und in unablässigen Versuchen wie diesem, Atheisen ihre Bürgerrechte streitig zu machen. Die Gründungsväter würden sich im Grab umdrehen.

*Das entspricht genau der Ausgangssituation des Films „Der Goldene Kompass“. Darin versucht das Magisterium, die Weltherrschaft an sich zu reißen.

Andreas Müller

Hostien-Krieg
Teil 1, 2, 3, 4, 5