DEUTSCHLAND. (hpd) Einen „Politikwechsel“ fordern die Veranstalter des bundesweiten säkularen Aktionstags, der am kommenden Wochenende stattfindet. In elf Städten wird an Infotischen, mit Faltblättern und anderem Material dafür geworben, die Politik in Zukunft stärker säkular auszurichten.
Organisiert wird der Aktionstag von der Kampagne Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz (GerDiA) und der Kampagne „Reli adieu!“; vor Ort sind es vor allem die örtlichen Gruppen der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) und Aktive aus den regionalen Gliederungen des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), die an den Infoständen präsent sein werden.
„Grundlegender Politikwechsel“
Mit Hinblick auf die Bundestagwahl meint René Hartmann, Vorsitzender des IBKA: „Es ist hier Zeit für einen grundlegenden Politikwechsel.“ Durch die Aufrechterhaltung kirchlicher Privilegien und die sich derzeit vollziehende Ausweitung auf die konservativen Islamverbände würden die Interessen des konfessionslosen Drittels der Bevölkerung grob missachtet. Als Negativbeispiel führt Hartmann die sukzessive Einführung eines staatlich finanzierten Islamunterrichts an öffentlichen Schulen an. Ein ermutigendes Zeichen nennt der IBKA-Vorsitzende hingegen die Tatsache, dass gleich drei der im Bundestag vertretenen Parteien eine zentrale Forderung der Konfessionslosen in ihrem Wahlprogramm haben, nämlich die Revision des kirchlichen Arbeitsrechts.
Damit die hier erhobene Forderung, die Neufassung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), konkret die Streichung des § 9, durchgesetzt werden kann, müssen die politischen Entscheidungsträger registrieren, dass die Konfessionslosen in dieser Frage nicht locker lassen werden. „Der Aktionstag so kurz vor der Bundestagswahl ist eine Möglichkeit, die Öffentlichkeit zu informieren und zu sensibilisieren“, erläutert GerDiA-Koordinatorin Vera Muth. „Die Reaktionen auf den Aktionstag im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass sich ein Großteil der Menschen über das Kirchliche Arbeitsrecht empört, wenn sie von den Diskriminierungen erfahren. Wenn das in der Politik ankommt, gibt es auch die Chance für Veränderungen.“
„Reli adieu!“
Auch bei der „Schulkampagne“ des IBKA geht es um Diskriminierung. Zentral im Konfliktfeld Schule sind der Religionsunterricht und das jeweilige Zwangsersatzfach, das Konfessionslose wie auch „Abmelder“ oder die Angehörigen kleinerer Religionsgemeinschaften besuchen müssen. Hier fordert „Reli adieu!“ zunächst eine bessere Information von Eltern und Schülern, dass die Teilnahme am Religionsunterricht ebenso wie an Schulgottesdiensten und ähnlichen religiösen Veranstaltungen für sämtliche Schülerinnen und Schüler freiwillig ist. Die Zwangsersatzfächer („Ethik“, „Werte und Normen“, „Praktische Philosophie“) sollen zeitgleich mit dem Religionsunterricht stattfinden; falls dies nicht möglich sein sollte, muss für Nicht-Religions-Schüler eine Betreuung angeboten werden, heißt es in einem Faltblatt, das die Forderungen der beiden Kampagnen zusammenfasst. Neben solche schnell umzusetzenden, realpolitischen Ziele treten als langfristige Ziele die Rückverlagerung des Religionsunterrichts in die Religionsgemeinschaften, die Abschaffung der staatlichen Bekenntnisschulen und die Streichung der öffentlichen Finanzierung für Religionsunterricht und private Bekenntnisschulen.
Briefe an Bundestagskandidaten
Ein Teil dieser Forderungen findet sich auch in einem Musterbrief, mit dem die säkular eingestellte Wählerschaft den Kandidatinnen und Kandidaten auf den Zahn fühlen kann. Er kann von der Webseite von „Reli adieu!“ heruntergeladen und an die Bewerber für ein Bundestagsmandat im eigenen Wahlkreis verschickt werden. Auf diese Weise können auch Leute, in deren Heimatstadt kein Infostand stehen wird, die Ziele des Aktionstages unterstützen.
Vera Muth sieht die Beteiligung in diesem Jahr mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Es sind wieder fast so viele Städte dabei wie im letzten Jahr“, resümiert die GerDiA-Koordinatorin, „aber die Punkte auf der Landkarte haben sich nach Westen verlagert.“ Als ärgerlich bezeichnet sie, dass in mehreren Städten, darunter Köln und Osnabrück, wegen des Wahlkampfes keine Standgenehmigungen erteilt worden sind (bzw. nur für abgelegene Stadtteile).
Martin Bauer
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