MIZ 3/13 erschienen

ASCHAFFENBURG. (hpd) Unter dem Titel „Hintertreppen zur Macht“ befasst sich die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift MIZ im Schwerpunkt mit kirchlicher Lobbyarbeit. Überschattet wird das Erscheinen des Heftes vom Unfalltod des langjährigen ständigen Mitarbeiters Roland Ebert.

Der promovierte Berufspädagoge hatte seit 1997 über 50 Artikel für die MIZ verfasst. Sein Schwerpunkt lag dabei auf dem Verhältnis des Staates zu den Religionsgemeinschaften; zu diesem Themenbereich unterhielt er das größte digitalisierte Zeitungsausschnittarchiv der gesamten säkularen Szene. In MIZ 3/13 schrieb er über das Geschäft mit der Altenpflege. Er zeigt auf, dass kirchliche Anbieter dieses wachsende Feld wesentlich mitbeackern und ihr Erfolg nicht auf christliche Nächstenliebe sondern auf eine eindeutige Ausrichtung auf Wirtschaftlichkeit und Lohndumping gegründet ist. Nur zwei Tage vor seinem Tod hatte er sich seine Belegexemplare bei einem Besuch im Alibri Verlag abgeholt.

Kirchliche Lobbyarbeit

Im Editorial stellt Gunnar Schedel die Frage, wie mächtig die Kirchenlobby wirklich ist. Es lassen sich sowohl für die Annahme, dass der lange Arm der Kirchen in Redaktionsstuben und Ministerialbüros reicht, Beispiel finden als auch für die Feststellung, dass die Kirchen in einigen für sie wichtigen Fragen der praktischen Ethik herbe Rückschläge hinnehmen mussten und immer wieder Ziel medialer Kritik sind. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen. Carsten Frerk bemüht sich um einen ersten Aufriss, welche Aspekte zu berücksichtigen wären, wenn Kirchen als politische Akteure untersucht werden. Er verweist darauf, dass die Kirchen nach ihrem Selbstverständnis nicht „Lobbyisten“, also Vertreter partikularer Eigeninteressen, sind, sondern sich als eine Art „Oberschiedsrichter“ im Dienste der Demokratie verstehen. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts sind sie auch nicht im Lobbyregister verzeichnet. Frerk unterscheidet „Lobbyismus von außen“, also die Palette der Einflussnahme von Information bis Intervention durch kirchliche oder kirchennahe Organisationen, und „Lobbyismus von innen“, also christliche Arbeitsgemeinschaften, die innerhalb von Parteien oder Fraktionen direkt wirken. Interessant ist, dass es kaum Forschung zu kirchlichem Lobbyismus gibt und so lautet Frerks Fazit auch, dass detaillierte Untersuchungen notwendig sind, um die politische Qualität kirchlicher Lobbyarbeit zu erfassen.

Der kirchlich-mediale Komplex

Mit dem medialen Einfluss der Kirchen setzt sich der Journalist Ulli Schauen auseinander. Besondere Bedeutung weist er personellen Verflechtungen zu. Viele Journalisten, vom Intendanten der Deutschen Welle bis zur Programmdirektorin des Rundfunk Berlin-Brandenburg, beraten die Kirchen. Andere Journalisten wie die Deutschlandfunk-Chefredakteurin Birgit Wentzien haben sogar Funktionen in kirchlichen Medienunternehmen (hier: Aufsichtsrätin des Gemeinschaftswerkes der evangelischen Publizistik). Auch auf weitere problematische Entwicklungen wie die Zahlung von „Aufwandsentschädigungen“ für Kirchenautoren, die eine Morgenandacht halten, oder kircheneigene Fernsehproduktionsgesellschaften geht Schauen ein. Um den politischen Raum geht es im Interview mit Corinna Gekeler. Die Autorin der Studie „Loyal dienen“ spricht über die Entstehung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, das am Ende in Bezug auf die Kirchen seinen umgangssprachlichen Namen „Antidiskriminierungsgesetz“ nicht mehr verdiente.

Türkei & Indien

Einen Blick auf die Situation in der Türkei wirft Arzu Toker. Die Schriftstellerin zeigt auf, wie die Regierungspartei AKP an der Islamisierung von Staat und Gesellschaft arbeitet. Die stärkere religiöse Unterweisung von Schulkindern, die zunehmende Trennung von Jugendlichen nach Geschlecht, Alkoholverbote und eine rabiate Zensurpolitik gehören zum Vorgehen der Regierung Erdoğan. Anhand einer Chronologie, die im Jahr 2002 beginnt, zeigt Toker, dass die AKP von Anfang an eine repressive Politik verfolgte, bei der eine massive Beschränkung der Medien, Berufsverbote und Gewalt zu den regelmäßig eingesetzten Instrumenten gehören. Auch in Indien verschlechtert sich die Situation drastisch. Christoph Steinmetz erinnert an den Rationalisten Narendra Dabholkar, der im August von Unbekannten erschossen wurde. Der Mediziner hatte das Committee for the Eradiction of Blind Faith gegründet und immer wieder Gurus öffentlich kritisiert, wenn diese den Aberglauben der Bevölkerung ausnutzten.

Schulkampagne & Bildungsinitiative

Die jüngsten Aktivitäten der Kampagne „Reli adieu!“ stellt Rainer Ponitka vor. Vor allem auf die Wahlprüfsteine zu den Landtagswahlen in Hessen und Bayern sowie zur Bundestagswahl hin kamen einige interessante Antworten aus den Parteien. Aber auch auf die Pressemitteilung zum Erscheinen des Ratgebers „Konfessionslos in der Schule“ gab es (gerade von kirchlicher Seite) Reaktionen.

Die Verankerung von Evolution in Lehrplan der Grundschule ist das Ziel einer Initiative der Giordano-Bruno-Stiftung, die in einem weiteren Artikel vorgestellt wird. Sie will den Bemühungen christlicher Fundamentalisten, die Evolutionslehre zu diskreditieren, etwas entgegensetzen. Mit dem neuen Urmel-Buch von Max Kruse soll die Evolutionstheorie Eingang in die Kinderzimmer finden und auf einem Kongress Ende November soll besprochen werden, wie das Thema auf die politische Agenda gesetzt werden kann.

Daneben gibt es die Glosse „Neulich... bei der Buchmesse“ von Daniela Wakonigg, Berichte über säkulare Veranstaltungen und Publikationen, eine Buchbesprechung sowie die Internationale Rundschau mit einschlägigen Kurzmeldungen aus aller Welt.

Martin Bauer

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